Der ultimative n-tv.de EM-Wegweiser England schont den Besten, Bale isoliert
20.06.2016, 05:57 Uhr
Alle vier Teams in Gruppe B können noch ins Achtelfinale einziehen. England wechselt eifrig durch und verzichtet auf seinen Superstar. Gareth Bale muss sich steigern, damit Wales weiterkommt.
Wie ist die Ausgangslage?
England führt die Gruppe B vor dem letzten Vorrundenspiel in St. Etienne (21 Uhr, ARD) gegen die Slowakei mit vier Punkten an. Ein Punkt reicht sicher zum Weiterkommen, bei einer Niederlage beginnt das große Rechnen: Holt Wales (Platz zwei, drei Punkte) im Parallelspiel (21 Uhr, Sat 1) gegen Russland (Platz vier, ein Punkt) nur ein Remis, bleibt England dank des Erfolgs im direkten Duell Rang zwei hinter der Slowakei (Platz drei, drei Punkte) und vor Wales. Gewinnen Gareth Bale und Co., bewirbt sich England mit vier Punkten um einen der vier Achtelfinal-Plätze für die besten Gruppendritten. Die "Sbornaja" muss auf jeden Fall gewinnen, um noch eine Chance auf’s Weiterkommen zu haben. Platz zwei ist drin, wenn England verliert und die Tordifferenz für Russland spricht. Verwirrt? Unsere Kollegen von sport.de helfen Ihnen gern mit einem Tabellenrechner.
Welches Spiel ist die bessere Wahl?
Eine Konferenz wäre die beste aller Lösungen, beide Duelle versprechen Unterhaltung und hohe Intensität. Besonders die Waliser machen einen hochmotivierten Eindruck. Joe Allen hielt vor dem Duell mit Russland eine Ansprache, die seinen Liverpooler Trainer Jürgen Klopp stolz machen muss. Er wolle nach der EM nicht zurückblicken und bereuen, nicht alles gegeben zu haben, sagte Allen: "Dieser Gedanke motiviert uns. Wir alle wissen, dass das hier nicht nur ein Schlüsselmoment unserer Karriere ist, sondern unseres ganzen Lebens."
Was verursacht noch EM-Herzrasen?
Wenn man mit englischen Fans oder Experten über Roy Hodgson spricht, reden sie meist über ihn wie über einen greisen, liebenswürdigen, aber hoffnungslos senilen Opa, der ständig sein Gebiss verlegt, orientierungslos durchs Haus schleicht und enge Verwandte prinzipiell mit dem falschen Namen anspricht. Ach, Roy. Gegen Wales traf er immerhin die richtige Entscheidung, Jamie Vardy und Daniel Sturridge einzuwechseln - was allerdings nur die eklatante Fehlentscheidung bereinigte, die beiden nicht von Anfang an zu bringen. Die beiden Torschützen werden nun gegen die Slowakei vom Anpfiff an auf dem Platz stehen, beruhigt dürften die englischen Fans aber nicht sein: Denn Hodgson wird Wayne Rooney schonen. Auch die Außenverteidigung wird ausgewechselt, Nathaniel Clyne und Ryan Bertrand beginnen für Kyle Walker und Danny Rose. Insgesamt kündigte Hodgson sechs Änderungen im Vergleich zum Spiel gegen Wales an – ein "Gamble", wie die englische Presse schrieb, ein Spiel mit dem Feuer also. Geht die Rotation schief und das Spiel gegen die Slowakei verloren, drohen Platz drei und Deutschland oder Spanien im Achtelfinale.
Angeberwissen für das Public Viewing
Wales‘ Trainer Chris Coleman war 2003 so etwas wie der Julian Nagelsmann der Premier League. Damals erst 32 Jahre alt, übernahm er im April überraschend den FC Fulham und war damit jüngster Trainer der Liga. Bei seinem Debüt feierte er einen 2:1-Erfolg über Newcastle United, insgesamt holte er zehn Punkte aus den fünf verbleibenden Saisonspielen und sicherte Fulham damit den Klassenerhalt.
Die Zahl des Tages: 48
Zwei Spiele, zwei Tore: Gareth Bale ist eine der prägenden Figuren der EM. So richtig gut spielt er allerdings bislang nur, wenn der Ball ruht. Das Offensivspiel der Waliser hakt gewaltig, Bale sucht noch seine Bindung an die Teamkameraden. Nur 48 Pässe hat er in den zwei Partien gespielt, ganze 28 sind angekommen. Zum Vergleich: Cristiano Ronaldo passte 66 mal zu seinen Kollegen, 57 mal erfolgreich. Die Werte von Kevin de Bruyne: 82 Pässe, 65 davon erreichten ihr Ziel. "Ich kann das besser", sagt Gareth Bale selbstkritisch. "Wir wollen den Ball besser bewegen. Wenn wir besser kombinieren, kann ich hoffentlich ein wenig mehr Einfluss auf das Spiel ausüben."
Das EM-Histörchen des Tages: 20. Juni 1972
Belgrad. Uli Hoeneß. Nachthimmel. Antonin Panenka. Viel mehr muss man zu diesem besonderen Abend eigentlich nicht sagen. Der Titelverteidiger und Weltmeister Deutschland ging als Favorit in das EM-Endspiel gegen die Tschechoslowakei, die im Halbfinale Johan Cruyffs Niederlande überraschend mit 3:1 nach Verlängerung geschlagen hatten. Doch schon nach 25 Minuten liegt das DFB-Team 0:2 hinten. Der Anschluss gelingt Dieter Müller in der 28. Minute, in der 90. Minute gleicht Bernd Hölzenbein aus. Nach der torlosen Verlängerung wird erstmals ein großes Turnier im Elfmeterschießen entschieden. Was wenig bekannt ist: Eigentlich war im Falle eines Unentschiedens ein Wiederholungsspiel vorgesehen, aber die deutsche Delegation drängte am Spieltag auf ein Elfmeterschießen, weil die Spieler ihren Urlaub nicht verschieben wollten. Sie bekamen ihren Willen, und das Drama nahm seinen Lauf: Alle Schützen trafen, bis Uli Honeß antrat, beim Stand von 4:3 für die Tschechoslowakei. Er selbst beschrieb es später so: "Ich lief an wie in Trance und schoss, ohne auf den Torwart zu blicken. Ich schaute dem Ball nach, sah ihn immer höher steigen. Wie eine Rakete sauste er in Richtung Wolken. In diesem Moment war ich völlig apathisch, alles um mich rückte in weite Ferne, wurde grau. Ich registrierte nichts mehr." Antonin Panenka entschied das Spiel schließlich mit einem Kunstwerk, das fortan seinen Namen tragen sollte: Langer, energischer Anlauf, und dann ein seelenruhiger Lupfer in die Mitte – der erste und bislang einzige Triumph der Tschechen bei einer EM.
Das Bonmot zum Spieltag
"Burger und Pommes haben geholfen." Gareth Bale über das Frustessen nach der bitteren Pleite gegen England – hoffentlich liegt es nicht mehr schwer im Magen.
Quelle: ntv.de