DFB-Koch zu Müller und Milchreis "Das Lieblingsdessert der DFB-Spieler muss immer da sein"

Anton Schmaus wird Hansi Flicks Spieler bei der WM in Katar bekochen.

Anton Schmaus wird Hansi Flicks Spieler bei der WM in Katar bekochen.

(Foto: DavidLoftus)

Die WM in Katar gewinnen müssen am Ende natürlich die Nationalspieler, doch die Energie dafür stellt DFB-Koch Anton Schmaus bereit, der seit 2017 das Essen für die Fußballer zubereitet. Der Küchenchef erklärt im Rahmen der Drive.culinary-Tischgespräche in Berlin im Interview mit ntv.de, warum es keinen Mitternachtssnack für Thomas Müller gibt, wie viele Hunderte Kilogramm Gemüse die Kicker in Katar verputzen - und welche Nachspeise bei den Profis am beliebtesten ist.

ntv.de: Herr Schmaus, damit wir das Thema direkt vom Tisch haben: Welcher Wortwitz mit Ihrem Namen hat Ihnen bisher am besten gefallen?

Anton Schmaus: Thomas Müller geht schon mal vorbei und sagt: "Das war ja mal wieder ein Festschmaus!" Weil das Essen aber wohl doch meist gut schmeckt, macht keiner blöde Witze.

2018 flog die Nationalmannschaft krachend in der Vorrunde aus dem Turnier, 2021 schaffte man es bei der EM nur ins Achtelfinale: Lag's auch am Essen?

(lacht) Ich hoffe und glaube, dass das Abschneiden damals jeweils nicht am Essen lag. Genauso wenig wird es am Essen liegen, wenn wir diesmal ins Finale kommen sollten. Das Essen gehört immer dazu und wir unterstützen so gut es geht, aber am Ende des Tages müssen die Jungs immer noch selber spielen.

Warum braucht die DFB-Elf einen eigenen Koch?

Da gibt es mehrere wichtige Punkte. Zunächst sollte die Qualität des Essens der Profis überall gleich sein, egal ob in Katar, Nordmazedonien oder Russland. Am wichtigsten ist aber, dass die Spieler wissen, wer für sie gekocht hat. Dass sie bedenkenlos essen können, weil jemand alles für sie so gut wie möglich vorbereitet und auf ihre speziellen Anforderungen geachtet hat. Vertrauen ist ein wichtiger Faktor. Aber auch für den kreativen Input, die Abwechslung am Buffet, und die ernährungsphysiologische Komponente bin ich da.

Ernährungsphysiologische Komponente? Klingt kompliziert.

Ich muss eben das anbieten, was die Spieler genau an diesem oder jenem Tag essen sollten. Wenn wir zum Beispiel eine doppelte Trainingseinheit am Tag haben, muss ich ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass am Buffet wirklich ausreichend Kohlenhydrate vorhanden sind. Da schafft man auch mal einen extra Anreiz für die Kohlenhydrataufnahme.

Wie wird man Koch von der Nationalelf? Rief damals Jogi Löw an und Sie kochten ihm etwas vor?

Da war tatsächlich viel Zufall dabei. Als mein Vorgänger den DFB verließ, hat der damalige Physiotherapeut Klaus Eder mich empfohlen. So bin ich mit Oliver Bierhoff ins Gespräch gekommen und im nächsten Schritt auch mit Jogi Löw und dem gesamten Trainerteam. Dann haben wir den Confederations Cup als Probelauf genommen und das hat mit dem Sieg am Ende ja sehr gut geklappt.

In wenigen Tagen beginnt die WM in Katar: Wie unterscheidet sich die Nahrung der Profis von dem von Hobby-Kickern?

Als Hobby-Fußballer ist die Belastung nur temporär. Bei den Profis müssen wir versuchen, den hohen Belastungsgrad durch Ernährung abzufedern. Beziehungsweise zu helfen, dass sich der Körper besser regeneriert.

Das Essen nach dem Spiel ist also genauso wichtig wie das Essen davor?

Absolut. Es ist extrem wichtig für die Spieler, direkt nach dem Spiel Nahrung zu sich zu nehmen. Bei einer hohen Belastung während eines Turniers geht es darum, dass die Energiespeicher ausreichend aufgefüllt sind: Kohlenhydrate, pflanzliche und tierische Proteine. Da muss der Profi konsequent dranbleiben - es gibt ja kaum Pausen - und kann sich keine Ausrutscher erlauben. Einen Cheat Day gibt es beim DFB nicht.

Was darf überhaupt nicht ein DFB-Gericht?

Mit Sahne oder industriellem Zucker kochen wir gar nicht mehr. Aus Dopinggründen verwenden wir auch keinen Mohn, wenngleich jemand schon sehr viele Mohnbrötchen für eine positive Probe essen müsste (lacht). Dass es in Katar kein Schwein zu essen gibt, ist kein Problem, denn das bieten wir ohnehin fast nie an. Es geht allgemein aber nicht um Verbote, sondern immer um die Menge.

Stichwort Zucker: Welche Nachspeise - die bei Fußballprofis ja meist sehr hoch angesehen ist - verputzen die DFB-Kicker am liebsten?

Natürlich gibt es jeden Tag auch eine Nachspeise. Denn auch hierbei geht es wieder um die Menge, 25 Gramm werden niemanden umbringen. Unsere Nachspeisen sind meist vegan und wenn dann mit Kokosblütenzucker gesüßt. Das Lieblingsdessert der DFB-Spieler ist Milchreis. Das ist schon ein Ritual, der muss da sein.

Haben Sie bei dem Turnier einen Bereitschaftsdienst, wenn Thomas Müller nachts um drei Uhr noch mal einen Milchreis will?

Tatsächlich hat sich die Frage mit dem Mitternachtssnack noch nie gestellt. Die Spieler schlafen um drei Uhr nachts. Das ist gut, denn der Schlaf ist die wichtigste Regeneration. Deshalb gibt es bestimmte Nahrung, die wir den Spielern vor und am Abend zur Verfügung stellen, damit sie gut schlafen können und der Schlaf positiv beeinflusst wird.

Konkret sieht das dann so aus: Während die Nationalmannschaft spielt, schwingen Sie die Pfanne, damit nach dem Spiel im Teamhotel alles bereitsteht?

Nein, dadurch, dass wir zwei Spiele in Katar sehr spät spielen (die Partien gegen Spanien und Costa Rica werden erst um 22 Uhr Ortszeit angepfiffen; d. Red.) und wir über eine Stunde ins Camp zurückfahren, muss das Essen nach dem Spiel bereits im Stadion stattfinden. Wir bauen also für die Spieler ein Buffet in den Katakomben oder in der Kabine auf.

Wie funktioniert die Lebensmittellieferung logistisch, chartert der DFB ein Flugzeug voll Essen?

Ein Extraflieger fürs Gemüse macht keinen Sinn, auch das Thema Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig. Das ist in Katar ohnehin schon schwer, weil dort alles hingeflogen oder per Schiff geliefert werden muss. Katar produziert selbst nur wenig und ist Importe gewohnt. Wir nehmen also gar nichts mit. Auch wenn es manchmal nur um Kleinigkeiten geht, etwas selbst nach Katar einzuführen ist sehr kompliziert. Wir lassen alles regional und über das Hotel liefern und produzieren dann alles live vor Ort.

Helfen die Erfahrungen von der WM 2018 aus Russland?

Es ist jetzt viel einfacher als in Russland, weil damals schon keine Produkte aus der EU eingeführt werden durften. Das war logistisch sehr schwierig. Wir bekommen jetzt alle Produkte, die die Spieler gewohnt sind. Dafür haben wir uns im Vorfeld monatelang abgestimmt und Gespräche mit dem Teamhotel geführt. Während des Turniers kann man nicht mehr reagieren.

Wie viele Tonnen Gemüse, Pasta, oder Hähnchenbrust planen Sie ein für das Turnier?

Wir rechnen mit zwölf Kilo ungeputztem Gemüse pro Tag, also etwa 360 Kilo für das gesamte Turnier. Bei Pasta sind wir etwa bei acht bis zehn Kilo pro Tag. Wir sind ja ein Tross von insgesamt 70 Personen und haben täglich zwei Mahlzeiten. Am Spieltag wird grundsätzlich natürlich mehr gegessen als an einem spielfreien Tag.

Serge Gnabry probiert bei Anton Schmaus.

Serge Gnabry probiert bei Anton Schmaus.

(Foto: PhilippReinhard)

Wie ist es für die Körper und die Nahrungsaufnahme, dass die Profis aus dem kalten Deutschland ins warme Katar fahren?

Wir versuchen, die Spieler optimal zu unterstützen bei dem Transit aus dem Winter in den Sommer, von kalt zu warm samt Zeitverschiebung. Das wird die ersten Tage schon ein Brett, der Körper hat dann viel zu arbeiten. Wir kräftigen das Immunsystem mit Anreizen, wie etwa Ingwer-Shots, und raten dazu, viel zu trinken.

Muss Manuel Neuer als Torhüter eigentlich etwas anderes essen als Serge Gnabry als Angreifer?

Sie alle bekommen das gleiche Essen, aber jeder hat natürlich eine individuelle Mengenaufnahme. Die beiden ernähren sich schon etwas unterschiedlich, weil Gnabry natürlich mehr läuft als Neuer. Ich schaue aber nicht bei jedem auf den Teller, das machen die Jungs in Abstimmung mit ihrem Ernährungs- und Trainingsplan.

Mit Anton Schmaus sprach David Bedürftig

Quelle: ntv.de

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