
"Ich bin immer noch in meinen Träumen", sagt Kolo Muani nach dem Einzug ins Finale.
(Foto: AP)
Randal Kolo Muani wird nur für Frankreichs WM-Kader nominiert, weil sich Leipzigs Star Christopher Nkunku verletzt. Im Halbfinale gegen Marokko steigt der Stürmer von Eintracht Frankfurt zum Helden auf. Sein erstes Tor für die Nationalmannschaft bringt diese endgültig ins Finale.
Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft auch schon mal 100 Minuten. Doch Randal Kolo Muani reichen 44 Sekunden, um sich in die Geschichtsbücher einzutragen. Und um Frankreich endgültig ins Finale zu schießen. "Es ist magisch, ich habe keine Worte, um es zu beschreiben. Wir müssen alles geben, um es bis zum Ende zu schaffen", sagt Kolo Muani beim französischen TV-Sender TF1. "Ich bin immer noch in meinen Träumen und habe Schwierigkeiten aufzuwachen."
Sein ganz persönlicher Traum beginnt in der 79. Minute im WM-Halbfinale gegen Marokko: Der Stürmer von Eintracht Frankfurt steht an der Seitenlinie zur Auswechslung bereit. Frankreichs Chefcoach Didier Deschamps schickt ihn für Ousmane Dembélé aufs Feld, eine durchaus mutige Entscheidung. Er wählt ausgerechnet den 24-Jährigen, den er überhaupt nur für den WM-Kader nachnominierte, weil sich Leipzigs Star Christopher Nkunku kurz vor dem Start verletzte. Der vor der WM gerade einmal zwei Spiele mit insgesamt zehn Minuten Einsatzzeit für die Équipe Tricolore absolviert hat und auch bei diesem Turnier nur im dritten, nicht mehr relevanten Gruppenspiel gegen Tunesien zum Einsatz kam. Dieser Stürmer soll den zwar nur ein Jahr älteren, aber viel höher dekorierten Dembélé ersetzen. Beim Spielstand eines mehr als wackeligen 1:0 - Frankreich schwimmt, Marokko drängt auf den Ausgleich, um gegen den amtierenden Weltmeister zumindest die Verlängerung zu erzwingen.
Es ist auch bemerkenswert, weil 14 Minuten zuvor bereits Frankreichs Rekordtorschütze Olivier Giroud für den ebenfalls international recht unerfahrenen Marcus Thuram von Borussia Mönchengladbach den Platz verlassen musste. Für zwei Stars stehen nun zwei Bundesliga-Profis in Frankreichs Sturmspitze. Nicht die schlechteste Wahl Deschamps, wie sich eben nur 44 Sekunden nach Kolo Muanis Einwechslung zeigt.
"Er macht die ganze Arbeit"
Der Mann, der vor gut fünf Monaten vom FC Nantes nach Frankfurt wechselte, ist der Vollstrecker einer Kombination, die der Gladbacher einleitet. Thuram passt den Ball im Strafraum zu Kylian Mbappé, der dribbelt in Superstar-Manier gleich drei Gegenspieler aus und legt den Ball - garniert mit einem Quäntchen Glück - vors Tor. Dort ist Kolo Muani zur rechten Zeit am rechten Ort und muss den Ball nur noch ins Tor befördern. Es ist seine erste Ballberührung im Spiel, es ist gleich ein Tor. Das entscheidende zum 2:0, das zum Einzug ins WM-Finale.
"Es ist gut, dass ich Kylian gefolgt bin, denn er macht die ganze Arbeit. Ich kann stolz auf meine Positionierung sein", erklärt der Torschütze, der innerhalb weniger Sekunden unter einer Jubeltraube begraben wird. "Im Moment realisiere ich es noch nicht. Wir werden es alle morgen früh realisieren."
Nur zwei Spieler trafen noch schneller nach ihrer Einwechslung bei einer WM als der 24-Jährige: Richard Morales war für Uruguay bei der WM 2002 nach 16 Sekunden erfolgreich, nur zehn Sekunden langsamer war Ebbe Sand für Dänemark bei der WM vier Jahre zuvor. "Nach dem 2:0 von mir haben wir den Kopf frei bekommen, ich fühle mich natürlich super", sagt Kolo Muani nach seinem ersten Länderspieltor.
"Er macht Randal(e)"
Deschamps erklärt nach seinem Sieg die vermeintlich mutige Einwechslung: "Seine Stärke ist seine Geschwindigkeit, daher habe ich ihn gebracht. Das ist großartig für ihn und für das Team." Kolo Muani hat ohnehin schon ein grandioses halbes Jahr hinter sich, die WM wird ihn nun noch berühmter machen. "Er macht Randal(e) beim World Cup", twittert die stolze Eintracht nach dem Spiel. Für den Bundesligisten hat Kolo Muani bei 14 Liga-Einsätzen bereits fünf Tore erzielt und zehn weitere aufgelegt. Auch in der Champions League und im DFB-Pokal trug er sich bereits in die Scorer-Liste ein.
Sorgen machen, dass der Neuzugang, der ablösefrei kam und bis 2027 unterschrieb, direkt weggelobt wird, muss sich die Eintracht wohl nicht. "Unser Plan ist, dass Randal Kolo Muani mindestens noch ein Jahr in Frankfurt bleibt. Er fühlt sich sehr wohl bei der Eintracht. Hier hat Randal den perfekten Standort für seine Entwicklung", hatte Kolo Muanis Berater-Agentur erst vor wenigen Tagen bei Sport1 gesagt. Der Stürmer selbst sagte zudem: "Mir wurde bei der Eintracht sehr früh die Perspektive aufgezeigt, dass ich in einem familiären Umfeld Spielpraxis sammeln und mich weiterentwickeln kann."
In Frankfurt hat er innerhalb kürzester Zeit den in der vergangenen Saison noch so gefeierten Rafael Borré aus der Startelf verdrängt. Seine Schnelligkeit ist nicht nur Deschamps bekannt, auch seine Qualitäten als Vorlagengeber hat er bereits hinlänglich unter Beweis gestellt. Ausbaufähig ist dagegen noch sein Torinstinkt. Dass er aber auch da schnell dazulernt, zeigt sein ganz persönlicher Traum bei dieser WM.
Quelle: ntv.de