Fußball-WM

Mario Ferri, der Mann ohne Angst Das ist der Regenbogen-Flitzer der WM in Katar

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Ferri ist nicht zum ersten Mal aufs Feld gestürmt.

(Foto: IMAGO/Moritz Müller)

Unterstützung für die Ukraine, für die Frauen im Iran, für queere Menschen: Ein Flitzer setzt bei der WM in Katar ein Zeichen, das um die Welt geht. Während die TV-Bilder den Mann kaum zeigen, wird schnell klar, dass es Mario Ferri ist, der da protestiert. Er macht das nicht zum ersten Mal.

In der weltweiten Live-Übertragung des WM-Vorrundenspiels zwischen Portugal und Uruguay ist der Flitzer kaum zu sehen, der mit gleich drei eindeutigen Botschaften über den Rasen rennt. Die FIFA und Gastgeber Katar verbitten sich politische Debatten, wie die zu Turnierbeginn allgegenwärtige Diskussion um die "One Love"-Binde beispielhaft gezeigt hat. Es ging um Verbote, um Strafandrohungen, um Willkürvorwürfe, um alternative Protestformen. Gipfelnd in dem Bild, auf dem sich die deutsche Nationalmannschaft demonstrativ die Hand vor den Mund hält. Dem Flitzer gelingt es nun ebenfalls, dass Fotos um die Welt gehen, die seine Aussagen transportieren. Und sie helfen dabei, herauszufinden, wer der mutige Mann ist, der sich im Superman-Shirt von der Tribüne aufgemacht hat in den Innenraum.

Als Mario Ferri identifizieren internationale Medien den Flitzer übereinstimmend, der die große Fußballbühne erfolgreich bespielt hat. "Save Ukraine" stand vorne auf seinem Shirt, auf der Rückseite forderte er "Respect For Iranian Women", in der Hand trug er die Regenbogenfahne. 35 Jahre soll Ferri alt sein, selbst als Profifußballer aktiv, jedoch abseits der bedeutenden Ligen. Auf "Transfermarkt.de" lässt sich sein Karriereweg nachzeichnen, der ihn demnach über unterklassige italienische Spielklassen nach San Marino, Jordanien und Indien geführt hat. Noch zu Beginn dieser Saison lief er in der Qualifikation zur Europa Conference League für den Tre Fiori FC aus San Marino auf.

Wesentlich mehr Aufmerksamkeit erregen seine Protestaktionen, für die er Absperrungen und Tribünenzäune überwindet. 2009 etwa flitzt Ferri bei einem Länderspiel über den Platz, um (letztlich erfolglos) zu fordern, dass Stürmer Antonio Cassano in den italienischen Kader für die WM 2010 in Südafrika berufen wird. Als der Titelverteidiger dort krachend in der Vorrunde scheitert, teilt Ferri in einer ähnlichen Aktion dem Nationaltrainer Marcello Lippi mit: "Lippi, ich hab's dir doch gesagt".

"Wir alle haben seine Botschaft verstanden"

Im Dezember 2010, so heißt es bei der britischen Ausgabe von Yahoo Sports, entwickelt Ferri erstmals eine politische Stimme. Während des Finals der Klub-Weltmeisterschaft in Abu Dhabi findet er einen Weg auf den Rasen und fordert: "Free Sakineh". Damit ist die Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani gemeint, die zuvor zum Tode verurteilt worden war und 2014 nach neun Jahren in der Todeszelle wieder freigelassen wird. Ferri wird deshalb verhaftet. Während der WM 2014 in Brasilien schafft er es bei der Vorrundenpartie zwischen Belgien und den USA ebenfalls über alle Sperren hinweg. "Save Favelas Children" lautet seine Botschaft, frei übersetzt ein Aufruf, die marginalisierten Kinder der Favelas zu retten.

Auch bei Spielen in der Serie A protestiert der Italiener immer wieder auf diese Art und Weise, heißt es übereinstimmend in Medienberichten, ebenso in der Champions League. In Katar nun erhält der 35-Jährige sogar von den Profis Zustimmung, Portugals Ruben Neves sagt nach Spielende: "Wir alle haben seine Botschaft verstanden, die ganze Welt hat sie verstanden." Außerdem wünscht er sich: "Ich hoffe, dem Jungen passiert nichts." Ein Mitarbeiter der FIFA flüstert Neves in der Mixed Zone etwas dazu ins Ohr, als er zu dem Thema befragt wird. Was genau, ist offen.

Konsequenzen für seine Aktion muss Ferri offenbar nicht fürchten. Das italienische Außenministerium teilte am Dienstag mit, der Mann sei wieder auf freiem Fuß: "Nach einem kurzen Arrest wurde der Mann von den Behörden ohne weitere Konsequenzen freigelassen." Zu seinem Aufenthaltsort ist nichts bekannt und somit auch nicht, ob er womöglich aus Katar ausreisen muss oder ausgereist ist. Die augenscheinliche Straflosigkeit dürfte auch mit der öffentlichen, internationalen Aufmerksamkeit zusammenhängen, die in diesen Tagen auf das Emirat gerichtet ist.

2018 in Russland gab es 15 Tage Arrest für Aktivisten

Der Umgang des Emirats mit LGBQTI* (LGBT ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell und Transgender, das Q steht für queere Menschen, das I für intersexuelle Personen, das Sternchen für die Inklusion weiterer Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen) wird seit Turnierbeginn besonders beobachtet. Während in Klubwettbewerben die Verantwortung für Störungen des Spiels durch Zuschauende beim Heimverein liegt, fällt dies bei der WM an den Ausrichter, in diesem Fall also an Katar. Üblich sind sonst Geldstrafen und bisweilen auch Stadionverbote oder sogar mehr.

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2018 hatte es beim Finale der WM in Russland eine vergleichbare Protestaktion gegeben, damals waren vier Aktivisten von Pussy Riot auf den Platz gelangt. Ein Moskauer Gericht verhängte 15 Tage Arrest. Eine derartige Strafe für Ferri ist nun unwahrscheinlich, auch wenn sich FIFA und katarisches Organisationskomitee auf Anfrage von ntv.de noch nicht dazu geäußert haben. Stattdessen soll es offenbar vorrangig darum gehen, dass der Italiener unerlaubt den Innenraum betreten hat.

Das Engagement des Aktivisten scheint inzwischen sogar über Protest hinauszugehen. "Yahoo Sports" berichtet, dass Ferri kurz nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands an die Grenze zwischen Polen und der Ukraine gefahren sei, um Hilfe anzubieten und Geflüchtete in Sicherheit zu bringen. Anton Gerashchenko, Berater im ukrainischen Innenministerium, teilte anlässlich der Bilder aus Katar ein Video aus dem März dieses Jahres. Dazu schrieb er: "Der Mann, der bei der WM auf das Fußballfeld gelaufen ist, ist Mario Ferri." Im Frühjahr "hat er ukrainischen Frauen und Kindern an der polnischen Grenzen geholfen. Tausend Dank!"

Quelle: ntv.de

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