Tragik, Trauer, WeihnachtenAls Diogo Jotas Tod den Fußball erbarmungslos ins Tal der Tränen riss

Nach dem Schock kamen Trauer und Leere: Der tragische Unfalltod von Liverpool-Star Diogo Jota brachte die Fußball-Welt zur Verzweiflung. Sein Klub ringt noch immer mit der Verarbeitung, seine Witwe und seine kleinen Kinder begehen die ersten Weihnachten ohne ihn. Ein Song bleibt für die Ewigkeit.
Stille. 60 Sekunden lang schweigen die gut 61.000 Fans an der Liverpooler Anfield Road, während die Fußballer auf dem Platz Arm in Arm die Köpfe senken. Tränen fließen. Zuvor schmettert das komplette Rund das wohl emotionalste "You'll Never Walk Alone" der LFC-Vereinsgeschichte. Der erste Spieltag der Premier-League-Saison Mitte August steht für den bitteren Abschied von Diogo Jota.
Einen Monat zuvor reißt der Unfalltod des 28-jährigen Jotas seine Familie, Freunde und den Fußball so abrupt wie erbarmungslos ins Tal der Tränen. Zusammen mit seinem Bruder André Silva, der ebenfalls Fußballprofi ist und nur 25 Jahre alt wird, stirbt der portugiesische Liverpool-Star bei einem Autounfall. Ihr geliehener Lamborghini kommt von der Strecke ab, durchbricht die Leitplanke und fängt Feuer.
Ein plötzlicher Verlust versetzt Menschen in einen Schockzustand. Eine Art Schutzmechanismus, um den Schmerz überstehen zu können. Der Tod Jotas stürzt die gesamte Fußball-Welt in diesen kaum auszuhaltenden Abgrund. Fassungslosigkeit und eine unendliche Leere machen sich breit.
Cristiano Ronaldo: "Das macht keinen Sinn"
Dann setzen tiefe Traurigkeit und herzzerreißende Sehnsucht ein. Im portugiesischen Gondomar, wo die Karriere des Nationalspielers begann, kommen einen Tag nach seinem Unfall seine Witwe Rute Cardoso, die Eltern, weitere Familienangehörige und viele Fans zur stillen Totenwache zusammen. In Liverpool legen Tausende Schals, Trikots, Blumen und Botschaften an der Anfield Road nieder. "Das macht keinen Sinn", schreibt Superstar Cristiano Ronaldo in einem emotionalen Abschiedsbrief an seinen Nationalmannschaftskollegen. Zum Begräbnis erscheinen zahlreiche Reds-Mitspieler wie Virgil van Dijk und Andy Robertson.
"O que se possui no coração nunca se perde pela morte", sagt man in Portugal. Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man nicht durch den Tod verlieren. Die weltweiten Trauerbekundungen zeigen, welche Bedeutung Diogo Jota für Fans, Mitspieler, Trainer und Liverpool hatte. Der Flügelstürmer gilt in seinen fünf Jahren beim Verein als einer der beliebtesten Profis beim LFC. Als ein Kumpel, eine Vertrauensperson.
Arne Slot, der Trainer der Reds, schreibt kurz nach dem Unfall: "Es gab auch Seiten, die nicht jeder zu sehen bekam. Der Mensch, der nie nach Popularität strebte, sie aber trotzdem fand. Nicht nur ein Freund für zwei, sondern für alle. Der portugiesische Fußball-Verband erinnerte an seine "ansteckende Freude".
"Oh, sein Name ist Diogo"
Diogo Jota wird nie vergessen. Auch durch seinen Tod nicht. Er lebt in den Herzen und Köpfen weiter. Dafür sorgt unter anderem ein Song. Die Jota-Hymne. Seit Längerem schon schmettern die Fans zur Melodie von "Bad Moon Rising":
Oh, er trägt die Nummer 20.
Er führt uns zum Sieg.
…
Er ist ein Junge aus Portugal
Besser als Figo, weißt du
Oh, sein Name ist Diogo
Nun wird das Lied zum Trauergesang. In Ehren an Jota stimmen ihn die Liverpool-Fans seit seinem Tod in der 20. Minute an. Als die komplette legendäre Tribüne "The Kop" nach dem emotionalen ersten Saisonspiel den Song singt, bricht Stürmerstar Mohamed Salah auf dem Rasen in Tränen aus.
Erinnerung an Jota lebt weiter
Diogo Jota ist Zeit seines Schaffens auch einer der talentiertesten Fußballer im Liverpooler Kader, erzielt 65 Tore in 182 Spielen. Zur Meisterschaft der vergangenen Saison steuert er einen entscheidenden Anteil bei, etwa als er im Januar nur 22 Sekunden (Klub-Rekord) nach seiner Einwechslung zum 1:1-Ausgleich bei Nottingham Forest trifft. Seine Trikotnummer 20 zieht der Verein für immer zurück.
Der sportliche und menschliche Verlust dürfte auch ein Grund für das tiefe Loch sein, in das der LFC im Herbst nach dem anfänglichen Saisontraumstart fiel. Eine emotionale Last ist nicht einfach abzuschütteln. Vor allem nicht für die jungen Menschen in den roten Trikots, die sich im harten Fußball-Business tagtäglich behaupten müssen. Die Kabine ist ein intimer Arbeitsplatz, die heranwachsenden Männer teilen auf ihren Wegen vieles und viele von ihnen waren zuvor noch nie so nah mit dem Tod konfrontiert worden.
Trauer ist keine Phase, die vergeht. Sie wird sich verändern, aber sie bleibt. Genauso wie die Liebe und die Erinnerung bleiben. Familie, Freunde und Fans gehen noch immer gemeinsam durch den Prozess des Loslassen. Dabei geht es nicht ums Vergessen, sondern um das Bewahren. Die Liebe und die Erinnerung an Diogo Jota wird in einer neuen, veränderten Form und Verbindung weitergetragen. Etwa mit der Hymne in der 20. Minute.
Um der Trauer Raum zu geben, befindet sich direkt vor dem Stadion an der Anfield Road eine Gedenkstätte. Noch immer legen Fans Blumen, Bilder und Schals nieder. Anfang November, vor dem Champions-League-Gastspiel von Real Madrid, fügt Ex-Liverpool-Star Trent Alexander-Arnold einen PlayStation-Controller hinzu, in Erinnerung an gemeinsame Gaming-Stunden mit dem Portugiesen.
Jotas Platz an der Tafel bleibt leer
Jota ist überall. In Herzen. In Köpfen. Dort lebt er weiter. Seinem guten Freund Andy Robertson schossen Tränen in die Augen, als er im November nach Schottlands Sieg gegen Dänemark, der ihnen die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2026 sicherte, an seinen Kumpel erinnerte:
"Heute ging mir mein Freund Diogo Jota nicht aus dem Kopf. Wir haben immer über die Weltmeisterschaft gesprochen, weil er die letzte mit Portugal und ich mit Schottland verpasst haben. "Ich weiß, dass Diogo Jota heute irgendwo da oben ist und lächelt."
Dieses Weihnachten denken die Liverpudlians und Fußball-Fans weltweit auch an die Familie ihres verunglückten Fußballstars. Jota hinterließ seine Witwe Rute Cardoso, die er nur anderthalb Wochen vor seinem Tod geheiratet hatte, und drei kleine Kinder. Das erste Fest der Familie Jota ohne Diogo wird von Trauer geprägt sein, weil sein Platz an der Tafel leer bleibt. Weil alle beim Fest der Liebe zusammenkommen, doch er und sein Bruder fehlen. Für immer.
Die Fußball-Welt weint mit. "O que se possui no coração nunca se perde pela morte." Oh, sein Name ist Diogo.