Fußball

"Zur Sache, Schätzchen!" Als der schöne Hans sich fast zum FC Bayern schoss

Der "schöne" - und treffsichere - Hans.

Der "schöne" - und treffsichere - Hans.

(Foto: imago/Horstmüller)

Heute treffen im Ruhrstadion im Zweitliga-Topspiel der VfL Bochum und Hertha BSC aufeinander. In der Spielzeit 1971/72 lässt der damalige Aufsteiger aus Bochum der großen Hertha zweimal keine Chance. Und das liegt vor allem an ihrem Torjäger, den alle nur den "schönen Hans" nennen - und der fast beim FC Bayern gelandet wäre.

"Die Leute wussten, dass ich kein Osterhase bin, der vorne auf die Eier wartet." Bochums Stürmerstar Hans Walitza strotzte für über fünfzig Jahre voller Selbstvertrauen. Und das völlig zu Recht. Denn auf den VfL-Stürmer vom Bundesliga-Aufsteiger aus dem Ruhrgebiet wurden in der Saison 1971/72 am Ende nicht nur die Bayern aufmerksam - auch der FC Barcelona streckte seine Fühler nach dem außergewöhnlichen Torjäger von der Castroper Straße aus.

Und das lag auch an seiner besonderen Spielweise, die die Zeitungen damals anlässlich des Spiels des VfL in Berlin zum Ende der Hinrunde eindrücklich beschrieben: "Walitza entpuppte sich als ein Kapitän, der allen Gefahren und Stürmen zu trotzen bereit ist. Wie zu Saisonbeginn beim Sieg in Oberhausen befleißigte er sich eines Laufpensums sondergleichen: Gerade noch in der Abwehr ein Felsblock, Sekunden später schon wieder ein Gefahrenpunkt im Hertha-Strafraum bzw. umgekehrt." Und dabei immer mit dem speziellen Instinkt für Tore unterwegs.

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Vier seiner am Ende 22 Treffer schenkte Hans Walitza in seiner ersten Saison in der Bundesliga alleine dem Klub aus der Hauptstadt ein. Gegen keinen anderen Verein traf er in dieser Spielzeit häufiger. Walitza war damals in aller Munde - und sein Verein die Überraschung der Saison. Die Zeitungen überschlugen sich nach dem Sieg der Bochumer kurz vor Weihnachten des Jahres 1971 mit Lobenshymnen über den Klub: "Der VfL stellte Berlin auf den Kopf. Er degradierte die bisher im Olympia-Stadion ungeschlagene 'große Hertha' zur kleinen Stümperin." Und besonders ein Mann hatte großen Anteil am Erfolg: "Walitza im Olympia-Stadion an allen Gefahrenpunkten. Der Kapitän mit einer hervorragenden Mannschaft. Um es im Berliner Jargon auszudrücken: Der 2:1-Sieg des VfL war eine 'Wolke'."

"'Hertha BSC, o weh, weh'. Der Blitz schlug ein. Schütze Walitza erzielte das 1:0 mit der Donnerbüchse", lautete die Schlagzeile nach dem 2:1-Sieg der Bochumer beim durchaus ambitionierten Klub aus der heutigen Hauptstadt. Als man sich Monate später im Ruhrgebiet traf, hätte sich die Hertha mit einem Sieg bei einer gleichzeitigen Niederlage der Frankfurter in Duisburg noch für den europäischen Wettbewerb qualifizieren können - doch daran war an diesem Tag nicht zu denken. Denn das Motto an der Castroper Straße lautete: "Alle für Walitza!" Denn auch für ihn ging es um eine ganze Menge: "Viele Blicke richteten sich auf Hans Walitza. Den Mannschaftskapitän packte der Ehrgeiz. Er wollte sich an die zweite Stelle der Torschützenliste setzen."

"Walitza schoss aus allen Rohren"

Am Ende notierten die regionalen Zeitungen ("Es wurde zwar am frühen Abend keine berauschende Ballnacht mehr, aber es rauschte - wie die Fans zu sagen pflegen - schließlich doch noch ganz schön im Karton") zufrieden und beeindruckt: "Walitza schoss aus allen Rohren. Drei Tore beim 4:2 über Hertha BSC." Dreimal hatte der VfL-Stürmer "ganz scharf geschossen". Zusammen mit seinem überragenden Mannschaftskameraden Reinhold Wosab und dem emsigen Flankengeber Hans-Günter Etterich habe sich Walitza an den "Titel des Erfolgsfilms 'Zur Sache, Schätzchen!' erinnert" - und mit "Schüssen wie aus der Kanone" sein 22. Bundesligator erzielt.

Das reichte in dieser Spielzeit bei Weitem nicht zu Platz eins in der Torschützenliste - denn es war die Saison, in der Gerd Müller seine sagenhaften 40 Treffer zwischen den Pfosten der Gegner versenkte -, doch immerhin teilte sich Hans Walitza den Platz mit dem großen deutschen Nationalspieler Uwe Seeler. Viele Jahrzehnte später meinte der "schöne Hans" rückblickend auf diese Zeit mit seiner gewohnten Bescheidenheit schmunzelnd: "Ich kann mich an einen Artikel im 'Kicker' erinnern: 'Schärfer als Gerd und Uwe'. Da habe ich gedacht, war der betrunken, der das geschrieben hat? Das geht gar nicht. Die beiden waren die Mittelstürmer, die Deutschland hatte - und Klaus Fischer. Da kam dann lange nichts und dann irgendwann mal ich, an zehnter Stelle. Ja, oder an siebter!"

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"Hannes, hol den Hammer raus"

Doch das stimmte so in diesen Zeiten der frühen 70er-Jahre nicht ganz. Denn Walitza, der in der Stadt, in der er auch viele weibliche Fans hatte und nur der "schöne Hans" gerufen wurde und bei dem die Anhänger wegen seines "Bombenschusses" im Stadion immer wieder "Hannes, hol den Hammer raus" anstimmten, hatte das Interesse des Meisters von der Isar geweckt. Und so titelte ein großes deutsches Boulevardblatt vor dem Spiel des VfL in München: "Walitza wieder im Bayern-Visier. Der VfL-Torjäger mit dem Raketenschuss tritt in den Direktvergleich mit dem Bomber der Nation, mit Gerd Müller."

Allerdings gab es einen Haken, wie Walitza selbst den Reportern damals erzählte: "Ich habe am Rande des Länderspiels gegen Österreich in Hannover mit Herrn Schwan wegen eines Wechsels verhandelt. Wir haben unsere Standpunkte weitgehend angenähert. Aber unser Präsident Ottokar Wüst entlässt mich nicht vorzeitig aus dem Vertrag. Eher verkauft er sein eigenes Haus." Und tatsächlich sagte Wüst damals wörtlich: "Der bleibt im Stall!" Dieselbe Antwort bekam kurz darauf auch der FC Barcelona, der bereits Unterhändler nach Bochum geschickt hatte.

Und so blieb Hans Walitza beim VfL, bis der Klub im Jahr 1974 plötzlich und schnell wieder einmal viel Geld brauchte und, wie später häufiger noch, einen seiner besten Spieler (in der Vereinsgeschichte) meistbietend verkaufen musste. Die höchste Summe wollte und konnte damals der 1. FC Nürnberg zahlen. Und so landete der "schöne Hans" schließlich doch nicht bei den Bayern oder in Spanien. Ende November wird Hans Walitza 80 Jahre alt. Er ist einer diesen vielen (un-)vergessenen großen Torjäger, die Deutschland in all den Jahren hatte.

Quelle: ntv.de

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