Fußball

Die Lehren des 17. Spieltags Ancelotti toppt Guardiola, Tuchel wird Zen

SC-Trainer Streich hatte für das Tor von Lewandowski nur ein Schulterzucken übrig.

SC-Trainer Streich hatte für das Tor von Lewandowski nur ein Schulterzucken übrig.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Der eisige 17. Bundesliga-Spieltag gibt Fifa-Reformern recht. Der FC Bayern braucht zum Start ins neue Jahr einen Geniestreich, BVB-Trainer Thomas Tuchel einen neuen Ansatz.

1. Klasse ist der neue Dusel

Wenn man nicht wüsste, welches Team Carlo Ancelotti trainiert, man könnte glatt auf Darmstadt oder den HSV tippen. "Was mir gefallen hat, war der Wille", sagte der Italiener in Diensten des FC Bayern München nach dem 2:1-Erfolg in Freiburg. Lange hatte es nach einem Remis ausgesehen, bis Robert Lewandowski seinen Willen mit seiner Vorstellungskraft paarte und ein Tor gebar, das gegen mehr physikalische Gesetze verstößt als die Flacherden-Theorie. SC-Trainer Christian Streich brachte als Kommentar zu diesem Treffer nur ein Schulterzucken zustande, ärgern wollte er sich nicht: "Die Jungs haben es toll gemacht, aber jetzt ist das Spiel schon vorbei." Sein Kollege Ancelotti bastelt derweil weiter an seinem Ruf, seine Mannschaften erst im Frühjahr auf Topform zu bringen. Das war Vorgänger Josep Guardiola bei den Bayern nie gelungen - genau wie auch ein Sieg in Freiburg. Das hat Ancelotti Guardiola also schon voraus.

2. Tuchel entspannt sich, der BVB nicht

Phil Jackson ist der erfolgreichste NBA-Trainer aller Zeiten, er hat Michael Jordan und Kobe Bryant zu den besten Spielern ihrer Generation gemacht. Seine Methoden brachten ihm den Beinamen "Zen-Master" ein. Er ließ seine Teams auch schon mal meditieren, damit sie ihren mentalen Fokus finden. Der Bundesliga-Trainer Thomas Tuchel begibt sich gerade offenbar auf einen ähnlichen Weg. Schritt 1: Selbsterkenntnis. "Vielleicht müssen wir akzeptieren", sagte er nach dem 2:1 gegen Werder Bremen, "dass wir diese Stabilität nicht haben, anstatt ihr hinterherzulaufen". Tatsächlich schlingerte der BVB durch ein Spiel, das doch eigentlich in sicheren Bahnen hätte verlaufen können. Die Führung in der 5. Minute durch André Schürrle, die Rote Karte gegen Werder Torhüter Jaroslav Drobny sechs Minuten vor der Halbzeit – beides reichte nicht für einen ruhigen Nachmittag. Ein Alleingang von Fin Bartels hebelte die Abwehr aus, ein Kraftakt musste her für das 2:1, das Lukasz Piszczek in der 71. Minute erzielte. So entspannt sich Tuchel danach gab, so unentspannt scheint derzeit die Stimmung im Klub. Adrian Ramos wurde nach China verkauft, obwohl der Trainer ihn wohl gern behalten hätte. Auch die lange Diskussion um das Kapitänsamt sorgte für Unruhe. Und schließlich verlangte Vereinsboss Hans-Joachim Watzke unter der Woche unmissverständlich die erneute Champions-League-Qualifikation, die Vertragsgespräche mit Tuchel liegen angeblich auf Eis. Nicht nur auf dem Platz fehlt dem BVB die Stabilität, sondern auch außerhalb – und das dürfte selbst für Zen-Schüler Tuchel schwer zu akzeptieren sein.

3. Die Winterpause hätte ruhig länger sein können

Ein ganzer Monat ohne Bundesliga-Fußball, und dann das: Am Samstagnachmittag brachten die zehn Teams in der ersten Halbzeit nur ein einziges Törchen zusammen. "Wir haben bei den niedrigen Temperaturen etwas gebraucht, um auf Betriebstemperatur zu kommen", sagte Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann nach dem 2:0 in Augsburg. Die Bedingungen seien "nicht sportnah" gewesen. Dabei hatte die TSG wenigstens eine Handvoll gute Spielzüge gezeigt. Was allerdings die Krisenteams in Darmstadt und Wolfsburg derweil zeigten, war nicht fußballnah. Der neue Lilien-Trainer Torsten Frings wertete das torlose Gegurke bei seinem Debüt sogar als "Erfolgserlebnis", Gladbachs neuer Coach Dieter Hecking sah eine uninspirierte Mannschaft, die ihre zwei Großchancen versemmelt: "Für heute muss ich mit dem Punkt leben." Die Wölfe feierten zwar den dritten Sieg in Folge im Nordduell mit dem HSV, mühten sich gegen nur zehn Mann aber lange erfolglos und benötigten eine Einzelaktion von Neuzugang Paul-Georges Ntep, neben der neuen LED-Anlage in der Wolfsburger Arena der einzige Lichtblick des Tages.

4. Marco van Basten muss noch weiter gehen

Wir vermuten mal, dass sich Marco van Basten am Wochenende die Bundesliga angeschaut hat, als Technischer Direktor der Fifa wird man schließlich dafür bezahlt, den Fußball besser zu machen, und dafür gab es an diesem Spieltag so einige Denkanstöße. Der ehemalige Weltklassestürmer hat jüngst schon einige Vorschläge ins Spiel gebracht, darunter Shoot-Outs statt Elfmeter. "Der Schiedsrichter pfeift, dann läuft der Spieler aus 25 Metern auf den Torwart zu. Innerhalb von acht Sekunden muss die Aktion abgeschlossen sein. Der Torwart darf den Strafraum nicht verlassen, wenn er pariert, ist es vorbei." Genau da muss van Basten noch viel weiter gehen: Vielleicht sollten die Torhüter den Strafraum in Zukunft überhaupt nicht mehr verlassen dürfen. Zum Schutz der Stürmer – und zu ihrem eigenen. Lukas Hradecky wäre ein peinlicher Auftritt in allen Saison-Highligts erspart geblieben. Und Marco Reus ein blauer Fleck von der Größe des Saarlandes. Wo der Frankfurter Goalie noch den rutschigen Platz und einen nicht zu unterdrückenden Reflex für sein Handspiel beim Rauslaufen verantwortlich machen könnte, kann Jaroslav Drobny keine mildernden Umstände geltend machen. Er rammte Marco Reus mit einem Tritt zu Boden, den Tim Wiese im Wrestling-Ring als "Finishing Move" zeigen könnte. Dass er sich im Falle des Falles für eine Notbremse entscheiden würde, hat der Routinier übrigens vor zwei Wochen bei "Werder TV" recht anschaulich erläutert.

5. Der neue "Plastico" wird ein Schlager

So ist das mit der Tradition: Sie gerät schnell in Vergessenheit. Früher, in den seligen Zeiten, da gab es nur den einen "Plastico", nämlich zwischen den superbösen Werksklubs aus Leverkusen und Wolfsburg. Genüsslich twitterten die Lordsiegelbewahrer des reinen Fußballs dann die Einschaltquoten, die regelmäßig unterhalb des messbaren Werts lagen. Doch nun sind noch größere Schurken in der Stadt, und die einstigen Lieblingsfeinde aller Fußballfans derzeit zu bedeutungslos, um noch innigen Hass auf sich zu ziehen. Der neue "Plastico" wird am Samstag ausgespielt, wenn RB Leipzig auf Hoffenheim trifft, im Duell des Zweiten gegen den Dritten. Die Einschaltquote, wir lehnen uns da mal aus dem Fenster, wird so schlecht nicht sein. Und der Fußball auch nicht. Leipzig bosste mal eben die unangenehmen Frankfurter mit 3:0 aus dem eigenen Stadion, wobei nicht nur Eintracht-Trainer Niko Kovac erkannte, dass Lukas Hradeckys Blackout und das schnelle 1:0 dem Gastgeber die Sache erleichterte: "Danach war die Messe gelesen." Und die Hoffenheimer veredelten beim 2:0 in Augsburg die taktische Finesse von Trainer Julian Nagelsmann mit der schnörkellosen Effizienz von Sandro Wagner, der vor dem 1:0 Martin Hinteregger aus dem Weg bollerte wie einen D-Jugendlichen. Die TSG bleibt damit weiter als einziger europäischer Erstligist ungeschlagen. "Das wollen wir auch nächste Woche bleiben", sagte Nagelsmann.
 

6. "Fake news" treffen auch Bundesliga-Stars

Wir wollen für einige unserer Berufskollegen mal stark hoffen, dass Guido Burgstaller den Medien entspannter gegenübersteht Donald Trump. Erst muss sich der Winterneuzugang der Schalker von der "Bild"-Zeitung leicht verächtlich "Billig-Knipser" nennen lassen, und dann das: Die "Süddeutsche" schreibt über den Siegtorschützen zum 1:0 gegen Ingolstadt, er sei "einer wie Edi Glieder". Ganz davon abgesehen, dass es korrekt natürlich Glieder-Edi heißen müsste, kann und muss Burgstaller das als Beleidigung auffassen. Glieder kam zur Saison 2003/2004 aus Pasching, obwohl sich Fans und Trainer Jupp Heynckes einen europäischen Topstürmer erhofften. Nach nur einem Jahr und zwei Toren ging er wieder zurück nach Österreich, versehen mit dem Stempel "Fehleinkauf". Für ein abschließendes Urteil über Burgstaller ist es zu früh, aber immerhin bewahrte sein Siegtreffer in letzter Minute die Schalker vor einem Fehlstart ins Jahr 2017 - in einem Spiel, an dem "nichts schönzureden ist, weil es nicht schön war", wie Kapitän Benedikt Höwedes treffend feststellte.

Ein Warnung ergeht an dieser Stelle übrigens auch an alle Medien, die behaupten, es seien bei einem Bundesligaspiel noch nie so wenig Zuschauer in der Schalker Arena gewesen wie die 58.004 gegen Ingolstadt. Auf unserem Bildschirm sah es eher nach 1,5 Millionen Zuschauern aus.

Quelle: ntv.de

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