Fußball

Tee trinken mit Mesut Özil Arsenals Twitter-Scherz geht kräftig daneben

Im Spiel zwischen dem FC Arsenal und Tottenham Hotspur avanciert Mesut Özil zum Spieler des Spiels.

Im Spiel zwischen dem FC Arsenal und Tottenham Hotspur avanciert Mesut Özil zum Spieler des Spiels.

(Foto: dpa)

Der FC Arsenal erlaubt sich bei Twitter einen Spaß - ein Journalist wird daraufhin massenhaft beleidigt. Der Vorfall zeigt, dass Vereine im Umgang mit Sozialen Medien eine Verantwortung haben, meint unser Kolumnist.

Am kommenden Wochenende ist Derby in der Fußball-Bundesliga, und zwar nicht irgendein Derby, sondern die Mutter aller deutschen Derbys: Borussia Dortmund empfängt den FC Schalke 04. Und es wäre im Vorlauf der Partie eine lustige Spielerei, aus den beiden Mannschaften eine zu machen, also eine Startelf aus den besten Spielern beider Klubs zusammenzustellen. Im Tor würde der Schalker Ralf Fährmann den Vorzug vor dem Dortmunder Roman Bürki bekommen, dafür wäre im Angriff Pierre-Emerick Aubameyang (Dortmund) anstelle von Guido Burgstaller (Schalke) nominiert. Wobei man das natürlich auch ganz anders sehen kann, weshalb je nach Neigung und subjektiver Einschätzung eine Formation mit acht Dortmundern und drei Schalkern genauso zustande kommen könnte wie eine mit sechs Schalkern und fünf Dortmundern. Eine Spielerei, wie gesagt. Spielereien sollte man nicht zu ernst nehmen.

Hendrik Buchheister, Jahrgang 1986, ist freier Journalist, schreibt nicht nur über Fußball und berichtet seit dieser Saison aus Manchester über das sportliche Geschehen in England. Just ist sein Buch "Choreo - Kunstwerke aus deutschen Fußball-Fankurven" erschienen.

Hendrik Buchheister, Jahrgang 1986, ist freier Journalist, schreibt nicht nur über Fußball und berichtet seit dieser Saison aus Manchester über das sportliche Geschehen in England. Just ist sein Buch "Choreo - Kunstwerke aus deutschen Fußball-Fankurven" erschienen.

(Foto: Verena Knemeyer)

Am vergangenen Wochenende war Derby in England, und zwar nicht irgendein Derby, sondern so eine Art Mutter aller Derbys, das Nordlondon-Derby: der FC Arsenal hatte Tottenham zu Gast, und die Ausgangslage war klar. Nachdem Tottenham in die vergangenen Saison zum ersten Mal seit 21 Jahren vor dem Rivalen aus der Nachbarschaft gelandet war und auch in der aktuellen Spielzeit besser dasteht, war die Mannschaft von Trainer Mauricio Pochettino Favorit und die von Arsène Wenger Außenseiter, wobei Wenger das natürlich nicht zugeben wollte. Ein guter Indikator für die Verschiebung der Macht in Nordlondon waren die gemischten Startaufstellungen, die die Sportreporter der "Daily Mail" vor dem Spiel zusammenstellten. Die Verhältnisse lauteten: 9:2 für Tottenham, 10:1 für Tottenham, 8:3 für Tottenham. Und so weiter.

Auf die Revanche folgen Beleidigungen

Tja, und dann passierte, womit niemand rechnete. Arsenal gewann 2:0. Mit etwas Glück zwar, aber verdient. Und wer etwas zu feiern hat, wird schnell übermütig. Die Social-Media-Abteilung des Klubs wandte sich bei Twitter an den Journalisten Adam Crafton von der "Daily Mail", dessen Arsenal-Tottenham-Startelf komplett aus Tottenham-Profis bestanden hatte, und schickte ihm einen Zwinkersmiley und ein Bild von Mesut Özil, dem besten Mann des Spiels, einen Tee trinkend, achselzuckend. Eine kleine Revanche über die Sozialen Medien, nicht böse gemeint sondern sogar ganz lustig, aber sichtbar für die mehr als zwölf Millionen Follower des FC Arsenal.

Der Journalist wurde danach auf Twitter nach eigenen Angaben massenhaft beleidigt, auch antisemitisch und homophob, einige Nutzer wünschten ihm den Tod, weshalb sich die Frage stellt, wer was genau falsch gemacht hat. Wer die Schuld dafür trägt, dass jemand beschimpft wird, weil er der Meinung ist, dass der eine Fußballklub (Tottenham) auf allen Positionen besser besetzt ist als der andere (Arsenal).

Journalisten müssen mit Kritik leben, sie dürfen nicht dünnhäutig sein, das gilt insbesondere, wenn sie für ein Boulevardblatt wie die "Daily Mail" arbeiten. Doch das rechtfertigt Beleidigungen ebenso wenig wie Arsenals Sieg, der bewiesen hat, dass die Mannschaft doch nicht ganz so schlecht ist wie angenommen - weshalb der Journalist im Nachhinein ziemlich blöd aussah mit seiner Einschätzung, was er übrigens auch zugegeben hat. Das Problem sind einzig und alleine die Fans, die es angemessen finden, ihn deshalb zu beschimpfen. Und in einer perfekten Welt wäre diese Erkenntnis das Ende der Geschichte.

Auch Trottel nutzen Twitter

Doch da die Welt bekanntermaßen nicht perfekt ist, trifft den FC Arsenal eine Mitschuld. Ein Verein, der mehr Twitter-Follower hat als London Einwohner, muss sich bewusst sein, dass darunter auch Trottel sind. Er muss sich bewusst sein, dass es einer Auslieferung gleicht, wenn er die Aufmerksamkeit seiner gesamten Gefolgschaft auf eine einzelne Person lenkt. Der Ex-Profi und Fernsehfachmann Gary Neville hat verlauten lassen, dass Klubs sich auf keinen Fall von einer Minderheit der Grenzüberschreiter vorschreiben lassen sollten, was guter Humor ist und was nicht, und damit hat er grundsätzlich Recht. In diesem Fall hätte der FC Arsenal allerdings abwägen müssen, ob ein kleiner Scherz es wert ist, eine Einzelperson zum digitalen Abschuss freizugeben. Und er hätte zu dem Schluss kommen müssen: Nein, ist es nicht.

Der Klub verurteilte die Beleidigungen gegen den Journalisten, der Journalist gab an, gut damit klar zu kommen. Die ganze Sache ist kein Skandal. Aber sie zeigt die Tücken moderner Kommunikation. Und sie zeigt, dass Vereine, denen Millionen Menschen anhängen, im echten Leben und digital, eine Verantwortung haben.

Quelle: ntv.de

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