Hummels-Schock raubt letzte Bayern-Vorfreude BVB-Abwehr ist "atomisiert worden"
20.11.2013, 19:06 Uhr
Ganz Fußball-Deutschland fiebert wochenlang dem Bundesliga-Schlager zwischen Borussia Dortmund und Bayern München entgegen. Nach dem DFB-Testspiel in London regiert in Dortmund nun der Frust - weil die gesamte Stammabwehr ausfällt.
Als die Diagnosen von Mats Hummels und Marcel Schmelzer eintrafen, war bei Borussia Dortmund auch noch die letzte Vorfreude auf den "deutschen Clásico" verflogen. Die Abwehr geht nach dem neuerlichen Schock komplett am Stock, der Termin sorgt für Ärger und im schlimmsten Fall droht schon nach dem Schlager am Samstag (18.30 Uhr) das Ende der größten Titelträume.
Angesichts dieses Sacks voller Sorgen würden die BVB-Verantwortlichen den Bundesliga-Gipfel wohl am liebsten absagen. Borussia-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und -Präsident Reinhard Rauball hatten das Londoner Wembley-Stadion nach dem deutschen 1:0-Sieg gegen England bereits mit hochrotem Kopf und ohne jeden Kommentar verlassen.
Am Mittag hatten sie dann bittere Gewissheit. Innenverteidiger Hummels (24) erlitt einen knöchernen Bandausriss am rechten Fersenbein und wird voraussichtlich bis Mitte Januar ausfallen. Schmelzer (25) muss wegen eines Faserrisses in der linken Wadenmuskulatur wohl drei Wochen pausieren. Das lange ersehnte und gelungene Nationalmannschafts-Debüt von Torhüter Roman Weidenfeller war spätestens da zur Randnotiz verkommen, fehlt der Borussia nach den vorherigen Verletzungen von Hummels' Nebenmann Neven Subotic (Kreuzbandriss) sowie von Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek doch über Wochen die gesamte Stamm-Viererkette.
Subotic-Ersatz verletzt sich auch
Der Pole Piszczek kam im Test gegen den SC Paderborn (1:2) zwar wieder zum Einsatz, steht für das Bayern-Spiel aber noch nicht zur Verfügung. Dass sich gegen den Zweitligisten auch noch der als Ersatz für Subotic oder Hummels infrage kommende Testspieler Manuel Friedrich das Knie lädierte, macht das schier unglaubliche Dilemma des BVB perfekt. Trotzdem wurde der 34-Jährige wegen der akuten Personalprobleme von der Borussia bis zum Saisonende unter Vertrag genommen.
Auch die Börse reagierte auf die Abwehrmisere des BVB. Die Papiere von Borussia Dortmund verloren am Tag nach dem fatalen Länderspiel in London 4,4 Prozent.
"Das ist zwar be********, aber wenn man sieht wie es Neven oder Sami geht, gibt es auch Schlimmeres", schrieb Hummels auch mit Blick auf den verletzten Nationalmannschafts-Kollegen Sami Khedira (Kreuzbandriss) bei Facebook: "Ich werde die Jungs anfeuern so gut es geht, die kommenden Wochen werden sehr schwierig, aber wir werden das schon hinkriegen."
Als er von alledem noch nichts wusste, kritisierte Sportchef Michael Zorc derweil schon die Ansetzung des Liga-Gipfels. "Das ist für mich persönlich eine unglückliche Terminierung", sagte Zorc der "Sport Bild": "Dieses Spiel vor einem fünften Spieltag in der Champions League zu setzen, an dem es im Normalfall noch um viel geht - und unmittelbar nach einer langen Länderspiel-Pause. Es ist nicht optimal für alle Beteiligten, von der Vorbereitung her, von der Vorfreude, von allem." Drei Tage nach dem Spitzenspiel müssen die Dortmunder im Champions-League-Spiel gegen den SSC Neapel gegen das vorzeitige Aus in der Königsklasse kämpfen - ebenfalls ohne Hummels und Schmelzer.
FC Bayern fühlt sich "top vorbereitet"
Diese Sorgen plagen die bereits fürs Achtelfinale qualifizierten Münchner nicht. Bei ihnen meldete sich auch der an der Ferse lädierte Jerome Boateng fit. "Ich kann spielen", sagte er auf fcbayern.de. Im Nachhinein klingt es sogar wie Hohn, dass Bayern-Kapitän Philipp Lahm im klubeigenen TV mit seinem unverhofften Heimaturlaub kokettierte. Er freue sich darüber "ein paar Tage zu Hause zu sein", sagte Lahm dort, die unerhoffte Regeneration habe "sehr, sehr gut" getan. Und so kam er zu dem Schluss: "Wir werden top vorbereitet sein."
BVB-Geschäftsführer Watzke sieht Dortmund wegen der unglaublichen Verletztenmisere beim Liga-Gipfel nur in der Außenseiterrolle. "Wer jetzt noch sagt, die Chancen stehen 50:50, der leidet wirklich an Realitätsverlust. So eine Extremsituation wie jetzt habe ich beim BVB noch nie erlebt", sagte der 54-Jährige der "Bild"-Zeitung: "Unsere komplette Abwehr vom Champions-League-Finale ist atomisiert worden. Die Viererkette, mit der wir das Double gewonnen haben - einfach weg."
Dass sich Schmelzer und Hummels im Einsatz für das Nationalteam verletzt haben, ist für den BVB-Boss kein Thema. "Wir machen den Verantwortlichen des DFB keine Vorwürfe. Und wir wollen jetzt auch sicher keine Alibi-Diskussion", erklärte Watzke und vermied es, die Gerechtigkeits-Debatte neu anzuheizen. Durch die vielen Ausfälle müsse man bei der Formulierung von Saisonzielen vorsichtig sein: "Über den Meistertitel sollten wir jetzt ganz sicher nicht reden. Wir müssen den Anschluss halten."
Quelle: ntv.de, cwo/sid