Königsklassen-Gala gegen Benfica BVB-Geschichte wiederholt sich – fast
09.03.2017, 04:11 Uhr
Der BVB und seine Fans feiern den Sieg über Benfica Lissabon.
(Foto: imago/Nordphoto)
Borussia Dortmund tut sich gegen Benfica Lissabon phasenweise schwer, feiert am Ende aber dennoch eine Champions-League-Gala. Die herausragenden Spieler auf dem Platz sind Pierre-Emerick Aubameyang und Christian Pulisic.
In der Fußballstadt Dortmund sind sie in den Tagen vor dem Spiel gegen Benfica Lissabon nicht müde geworden, eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte des BVB zu beschwören: Vor 54 Jahren fegte die in goldene Flutlichttrikots gekleidete Borussia das damals als beste Mannschaft der Welt gerühmte Ensemble aus der portugiesischen Hauptstadt mit 5:0 aus dem Stadion Rote Erde, seitdem werden die 90 Minuten im Revier als "Spiel des Jahrhunderts" verherrlicht.
Sämtliche Register zogen die Dortmunder, um das Schicksal gnädig zu stimmen. Vor dem Anpfiff wurden auf dem Rasen sieben der Helden vom 4. Dezember 1963 präsentiert, auch die beeindruckende Choreografie war ganz auf den bis zum Gehtnichtmehr glorifizierten Kick zugeschnitten. Und siehe da, all die Beschwörungen halfen, der BVB bügelte durch das mitreißende 4:0 vor 65.849 begeisterten Zuschauern tatsächlich die äußerst unglückliche 0:1-Niederlage aus dem Hinspiel vor drei Wochen aus und steht völlig verdient im Viertelfinale. Das Weiterkommen war am Ende folgerichtig, auch wenn sich die Borussia nach der frühen Führung mehr als eine halbe Stunde schwer tat.
Die Reise durch Europa geht weiter

Pierre-Emerick Aubameyang hat nach überstandener Krise wieder gut lachen.
(Foto: picture alliance / Bernd Thissen)
Bislang ist noch nie eine deutsche Mannschaft in einem K.-o.-Duell der Champions League gegen ein portugiesisches Team ausgeschieden, und das wird auch erst einmal so bleiben. Die Geschichte wiederholte sich nicht ganz, ein 5:0 wie anno 1963 ist es dieses Mal nicht geworden, und doch feierte Dortmund einen bemerkenswerten Sieg, den sich der Champions-League-Sieger von 1997 durch eine fulminante letzte halbe Stunde redlich verdiente. Die Reise durch Europa, die in der nächsten Runde mit zusätzlichen Einnahmen von mehr als zehn Millionen Euro versüßt wird, geht also weiter.
Es war ein berauschender Abend unter Flutlicht, auch wenn es zwischendurch nicht nach einem solch klaren Erfolg aussah. "Wir sind alle glücklich", sagte Youngster Julian Weigl und wer ihm in das strahlende Gesicht sah, bekam einen Eindruck, wie beseelt die meist noch jungen Dortmunder Profis von ihrem eigenen Auftritt waren.
Es ist erstaunlich, wie viel Konstanz, Klasse und Überzeugung die Dortmunder nach dem in jeder Hinsicht holprigen Start nach der Winterpause inzwischen in ihre Darbietung gebracht haben. "Wir sind wirklich sehr froh, dass wir in den wichtigen Spielen da sind", betonte Weigl: "So langsam greift ein Rad ins andere." Das liegt vor allem daran, dass sich Thomas Tuchel inzwischen festgelegt hat, einer Stammformation zu vertrauen und seine taktische Grundordnung nicht wöchentlich zu ändern. Eine defensive Dreierkette mit zwei offensiven Außen davor, zwei defensive und zwei offensive Mittelfeldakteure sowie Pierre-Emerick Aubameyang in der Spitze, das scheint genau die Ausrichtung zu sein, die das enorme Talent dieser Mannschaft am besten zur Entfaltung kommen lässt.
Zittern nach dem Führungstreffer
Wobei nicht in Vergessenheit geraten sollte, dass der BVB nach dem schnellen Führungstreffer durch den wiedererstarkten Torjäger aus Gabun mächtig ins Trudeln kam. Die Borussia verlor den Faden, "weil wir zu früh nach Lösungen gesucht, zu früh hinter die Abwehr kommen wollten und uns zu früh auf eine Seite festgelegt haben", wie Tuchel selbstkritisch anmerkte.
Doch der Revierklub vermied den Ausgleich und schaffte es, sich rechtzeitig seiner ungeheuren offensiven Wucht zu entsinnen. Nach einer Stunde entschied der BVB die Partie mit einem Doppelschlag, der im Dortmunder Stadion ein mittleres Beben auslöste. Zuerst bediente Piszczek den durchstartenden Pulisic mit einem wunderbaren Pass in die Tiefe, dessen Heber zur 2:0-Führung einschlug. Nur wenige Sequenzen darauf landete eine direkt genommene Hereingabe von Schmelzer bei Aubameyang, der die Weichen mit seinem zweiten Treffer an diesem Abend endgültig auf das Erreichen des Viertelfinales stellte und die Südtribüne mit Tor Nummer drei endgültig zum Kochen brachte.
Aubameyangs Original und Pulisics Mentalität
Mit Aubameyang und Pulisic sind die beiden Protagonisten des Abends auch schon genannt. Aubameyang, weil er beim 0:1 im Hinspiel noch so viele hochkarätige Möglichkeiten – darunter einen Elfmeter – vergab, dass er an sich selbst verzweifelte. Er habe "immer gesagt, dass wir kein Ziel ohne Auba erreichen können", betonte Tuchel, um mit launigen Worten hinzuzufügen: "Nachdem in Lissabon sein Zwillingsbruder gespielt hat, sind wir froh, dass heute das Original da war."
Der zweite Matchwinner hieß Christian Pulisic. Gerade mal 18 ist der Amerikaner und doch schon ein solch wertvoller Fußballer. In der ersten Halbzeit war dem hochveranlagten Teenager noch deutlich anzumerken, wie schwer die Bürde wog, den verletzten Marco Reus ersetzen zu müssen. Doch dann wirbelte der Stellvertreter so unnachahmlich, dass alle Beobachter ins Schwärmen gerieten. "Sehr selbstbewusst, sehr verlässlich auch unter Druck", lobte Tuchel. Dieser Junge sei nicht nur mit Talent gesegnet, sondern habe auch noch "eine tolle Mentalität. Er bekommt das Vertrauen ja nicht geschenkt, das erarbeitet er sich."
Aubameyang und Pulisic waren nur zwei Gewinner an einem Abend, den sie in Dortmund lange nicht vergessen werden. Ob er so viel Legendenpotential hat wie die magische Nacht von 1963, wird sich zeigen, sollten sich die dann noch lebenden Menschen im Revier auch im Jahre 2071 noch mit Wonne an dieses Spiel erinnern. Thomas Tuchel hat das Ereignis auf alle Fälle in vollen Zügen genossen. Der bekennende Asket teilte mit, sich daheim mit einem Gläschen Champagner zu belohnen.
Quelle: ntv.de