Torjubel als sei nichts gewesen Bayern-Spezis springen Hoeneß bei
24.04.2013, 07:30 Uhr
(Foto: REUTERS)
Man könnte meinen, es sei nichts passiert: Beim Champions-League-Sieg der Bayern bejubelt ein gelöster Vereinspräsident Uli Hoeneß die vier Tore. Und auch sonst ist es ein erfreulicher Abend für den Wurstfabrikanten: Hoeneß' Freunde bekunden ihre Loyalität.
Für 90 Spielminuten ging es einmal wieder nur um Fußball. Mit Spannung war erwartet worden, ob Bayern-Präsident Uli Hoeneß zum Champions-League-Halbfinale gegen den FC Barcelona erscheint. Gut eine Stunde vor Anpfiff beantwortete der im Visier der Steuerfahnder stehende Fußballfunktionär die Frage: Mit rot-weißem Schal um den Hals betrat er die VIP-Loge der Allianz-Arena, um an der Seite von Ex-Innenminister Otto Schily, Ex-Bayernprofi Bixente Lizarazu und seinem Bruder Dieter einen furiosen Auftritt seiner Bayern zu sehen.
Vier Mal konnten die Bayern-Fans jubeln, vier Mal ließ auch Uli Hoeneß, stets im Fokus der Fernsehkameras, seiner Freunde freien Lauf – als sei nichts gewesen. Nach seiner Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft gegen ihn. Im Zuge seiner Steueraffäre war Hoeneß laut "Süddeutscher Zeitung" im März vorläufig festgenommen worden. Gegen ihn lag nach "SZ"-Informationen ein Haftbefehl vor, der außer Vollzug gesetzt wurde.
Die Frage, ob er sich angesichts dieser Enthüllungen öffentlich lieber nicht zeigen sollte, stellte sich für Hoeneß offenbar nicht. Und auch seine Mitstreiter in der Bayern-Vereinsführung konnten am Erscheinen Hoeneß' nichts finden: "Warum soll er sich denn verstecken?", fragte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer bei Sky. "Solange nichts bewiesen ist, solange der Fall nicht abgeschlossen ist, solange keine Verurteilung da ist, braucht er sich doch nicht verstecken."
Heynckes sieht Parallelen zum Fall Wulff
Und auch sonst war die Partie nicht nur wegen des Ergebnisses ein Heimspiel für Hoeneß. Warme Worte erreichten den 61-Jährigen allenthalben: "Uli Hoeneß ist für den FC Bayern wahnsinnig wichtig. Ich kann mir den FC Bayern ohne Wenn und Aber nur mit Uli Hoeneß vorstellen", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Und: "Uli Hoeneß ist mein Freund, das ist sehr wichtig", sagte der Ex-Nationalspieler. "Ich glaube, es ist in diesen Zeiten wichtig, dass man in diesen Zeiten auch loyal zu seinen Freunden steht. Das ist ein Zeichen auch der Stärke unseres Clubs", fügte Rummenigge hinzu.
Beistand erhielt Hoeneß auch von Trainer Jupp Heynckes. "Ich denke, dass alles, was auf ihn niederprasselt, aus meiner Sicht zu exzessi v ist", sagte der Coach bei Sky. Und "Wir haben es beim Ex-Bundespräsidenten (Christian Wulff) erlebt, der extrem in den Medien niedergemacht wurde." Hoeneß habe einen Fehler gemacht, meinte Heynckes: "Aber Uli Hoeneß ist ein ganz wertvoller Mensch." Heynckes widmete nach der Partie den Sieg seiner Mannschaft kurzerhand Hoeneß: "Ich freue mich für den Club, die Mannschaft und unseren Präsidenten."
Hoeneß selbst schwieg an diesem Fußballabend, gibt sich in der "Sport Bild" jedoch reuig: "Ich habe erkannt, dass ich einen schweren Fehler gemacht habe, den ich versuche, mit der Selbstanzeige zumindest halbwegs wiedergutzumachen." Er wolle "reinen Tisch machen. Das Gesetz bietet ja diese Möglichkeit." Weitere Konsequenzen zieht Hoeneß nicht in Betracht: Trotz seiner schwierigen Lage erwägt er offenbar keinen raschen Rücktritt.
SPD und Grüne stellen Selbstanzeige infrage
Die neuen Enthüllungen in der Steueraffäre von Bayern-München-Präsident Uli Hoeneß befeuern auch die politische Debatte über mögliche Konsequenzen. Vor allem die strafbefreiende Selbstanzeige steht in der Kritik. "Eine Strafbefreiung mag in geringfügigen Fällen ein sinnvolles Instrument zur Bürokratievermeidung sein", sagte etwa Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Sie sei aber bei einer Steuerhinterziehung von einer Million Euro oder mehr fragwürdig. "Eine Strafbefreiung widerspricht in solchen Fällen jedem Gerechtigkeitsgefühl."
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, sagte der Zeitung: "Die strafbefreiende Selbstanzeige ist nicht mehr zu rechtfertigen. Gegen Steuerkriminelle sollte mit der gleichen Härte vorgegangen werden wie gegen andere Kriminelle."
Auch der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner forderte in der "Süddeutschen Zeitung": "Die Selbstanzeige gehört abgeschafft." Eine Selbstanzeige solle künftig nur noch strafmildernde Wirkung haben, ähnlich wie ein Geständnis in Strafermittlungen oder in Prozessen. Damit stellte sich der SPD-Linke gegen Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der zuvor am Instrument der Selbstanzeige festgehalten hatte.
Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger forderte in der "Passauer Neuen Presse": "Hoeneß muss sein Amt sofort ruhen lassen. Alle politischen Seilschaften im Fall Hoeneß müssen jetzt ans Licht." Riexinger weiter: "Alles sieht danach aus, als ob wir es hier mit einem schwarzen Steuerfluchtnetzwerk zu tun haben." Hoeneß solle auch der bayerische Verdienstorden entzogen werden, verlangte Riexinger.
Quelle: ntv.de, jog/dpa