Fußball

Dank deutscher Trainerikone Rohr Mit Voodoo und ohne eigenes Stadion erblüht die WM-Sensation

Gernot Rohr ist vor allem in Afrika eine Trainerikone.

Gernot Rohr ist vor allem in Afrika eine Trainerikone.

(Foto: IMAGO/FotoNugget)

Trainerikone Gernot Rohr bastelt am nächsten Wunder: Benin ist nur noch einen Sieg von der Weltmeisterschaft entfernt. Dass es im entscheidenden Spiel gegen Nigeria geht, ist für den 72-Jährigen ein ganz besonderes Schicksal. Denn dort ist er bereits ein Held - die Verehrung muss ruhen.

Gernot Rohr ist ein Held in Nigeria. Der Fußballtrainer wird dort geliebt, aber diese Liebe wird nun auf eine harte Probe gestellt. 2017 sorgte er dafür, dass die Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft fahren konnte. Nun könnte er dafür sorgen, dass die Nationalmannschaft nicht zur Weltmeisterschaft fährt. Denn der 72-Jährige kommt als Gegner - er ist inzwischen Trainer des Benin.

Sollte das "Wunder von Benin" wahr werden, ist Rohr mal wieder der Held - nur eben in einem anderen Land. Mit einem Sieg im Showdown der WM-Qualifikation (18 Uhr) würde sich Benin erstmals für eine Weltmeisterschaft qualifizieren. Eine Nation, in der viele an Medizinmänner und Voodoo glauben, trifft auf die durchkommerzialisierte Welt von FIFA (und US-Präsident Donald Trump).

Laut dem diesjährigen Bericht der Vereinten Nationen zur menschlichen Entwicklung ist der westafrikanische Staat eines der unterentwickeltsten Länder der Welt: Platz 173 von 193 Nationen. Benin hat kein Stadion, das von der FIFA für die WM-Qualifikationsspiele genehmigt wurde. Obwohl die in Afrika seit Jahren präsenten Chinesen "im ganzen Land zwanzig, dreißig Stadien mit Kunstrasenplätzen gebaut, die alle gleich aussehen", wie Rohr der "Süddeutschen Zeitung" erzählte. Benin trug seine "Heimspiele" daher in der Elfenbeinküste aus.

Rohr legt ohnehin Wert auf Anderes: "Seitdem ich als Trainer in Afrika arbeite, bin ich lockerer und entspannter. Was auch mit der Mentalität der Menschen zusammenhängt, die sehr begeisterungsfähig sind und immer ein Lächeln auf den Lippen haben. Ich sehe mich nicht als Legende, ich sehe mich eher als Trainer, der das unfassbare Glück hat, auf diesem tollen Kontinent arbeiten zu dürfen", sagte er "transfermarkt.de" kurz nach seinem Antritt in Benin im März 2023.

2008 erstmals in Afrika

Der gebürtige Mannheimer muss es wissen, der Benin ist bereits seine fünfte Station als Nationaltrainer in Afrika. Er war auch schon in Gabun, Niger, Burkina Faso und eben Nigeria. 2008 war er erstmals auf den afrikanischen Kontinent gekommen, damals übernahm er beim tunesischen Erstligisten ES Sahel. In seiner aktiven Zeit hatte er selbst kurz für den FC Bayern, Waldhof Mannheim, die Kickers Offenbach, aber vor allem für Girondins Bordeaux gespielt. Dort übernahm er im Anschluss auch als Trainer, ehe es ihn auf Umwegen nach Afrika führte.

Längst ist er so lange da und solch eine Ikone, dass er aufgrund seiner Verdienste um den Fußball im Ausland schon 2016 von der Initiative Deutscher Fußball Botschafter zum Trainer des Jahres gekürt wurde. Er kennt sich aus mit den für Europäer merkwürdig anmutenden Werten und Bräuchen. Rohr sagte der Sportschau: "Man muss sich als Trainer anpassen, aber damit habe ich überhaupt kein Problem. Das geht vom Kulinarischen bei den Lehrgängen bis hin zur Musik im Mannschaftsbus - und das macht Spaß. Man muss Toleranz mitbringen und darf nicht versuchen, die europäischen Standards einzuführen."

Sein erstes Spiel mit Benin hatte direkt eine denkwürdige Anekdote parat, im März 2023 spielte sein Team in der Qualifikation zum Afrika-Cup gegen Ruanda: "Es war ein verrücktes Match. Wir waren überlegen, aber der Ball wollte einfach nicht ins Tor. Plötzlich lief ein Fan auf den Platz, schnappte sich das weiße Handtuch des Torwarts und verschwand damit. Mein Assistent hat mir erklärt, dass uns das Handtuch verhext hat. Und tatsächlich, fünf Minuten später schießen wir den Ausgleich", erzählte er der Sportschau.

"Es gibt hier keinen Videoschiedsrichter"

An einem Handtuch soll es in Nigeria nicht hängen. Doch die Situation könnte zugespitzter kaum sein: Benin führt mit 17 Punkten vor dem Gegner Nigeria (15), Südafrika könnte mit 14 Punkten ebenfalls noch mitmischen, wenn es Ruanda empfängt. Dass Südafrika die Gruppe nicht anführt, liegt am Drei-Punkte-Abzug, den das Team kassierte, weil es gegen Lesotho einen nicht spielberechtigten Fußballer eingesetzt hatte.

Die Partie in Nigeria wird schwer für Benin, schließlich spielen für den Gegner zahlreiche Offensivleute, die auch in Europa bekannt sind: Victor Osimhen (Galatasaray Istanbul), Ademola Lookman (Atalanta Bergamo) und Alex Iwobi (FC Fulham) etwa. Victor Boniface (Werder Bremen) wurde diesmal nicht nominiert. Doch die Punkteverteilung könnte es sogar noch komplizierter machen: Wenn nun aber Benin und Nigeria Unentschieden spielen, müssen Rohr und Co. hoffen, dass sich Ruanda nicht von Südafrika überrollen lässt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Präsident des Afrikaverbandes aus Südafrika dieses Spiel besucht - und wohl sein Land gern bei der WM sähe. Rohr verwies bei der "Süddeutschen Zeitung" jedenfalls schon andeutungsweise darauf: "Es gibt hier keinen Videoschiedsrichter."

Bundesliga-Stürmer Andréas Hountondji im Kader

Turbulent ging es bereits für Rohrs Gegner zu. Nigerias Team hatte nach dem 2:1-Sieg in Südafrika am Samstag auf dem Heimflug notlanden müssen. Wie ein Medienvertreter mitteilte, musste der Pilot kurz nach einem geplanten Zwischenstopp in Angolas Hauptstadt Luanda umkehren, "nachdem ein lautes Knacken an der Windschutzscheibe des Flugzeugs den zunächst reibungslosen Flug beeinträchtigte". So kam Benin tatsächlich eher in Nigeria an als das Heimteam.

Mit dabei hat Rohr ein Team, auf das Benin stolz ist. Denn Andréas Hountondji, der aktuell in der Bundesliga für den FC St. Pauli auf Torejagd geht, ist eine Ausnahme im Team. Drei Tore aus fünf Bundesliga-Spielen stehen für den 23-Jährigen in dieser Saison zu Buche. In der WM-Qualifikation steuerte er bislang einen Treffer bei. Umgeben ist er im Team von Benin von vielen jungen Spielern aus der heimischen Liga- nicht in Europa ausgebildete Spieler mit afrikanischen Wurzeln, wie bei vielen anderen Teams. "Wir haben viele U-20-Spieler integriert und sind innerhalb kürzester Zeit zu einem der jüngsten Teams in Afrika geworden. Außerdem haben wir Spielern aus der heimischen Liga eine Chance gegeben", erklärte Rohr der Sportschau.

Es ist ein Weg, der Rohr und Benin zum Afrika-Cup geführt hat. Dort geht es ab Ende Dezember in der Gruppenphase gegen DR Kongo, Botsuana und Senegal. Das ganz große Ziel ist aber die WM im kommenden Sommer. Gernot Rohr wäre einmal mehr ein gefeierter Held.

Quelle: ntv.de

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