Fußball

Bundesliga-Check: Hertha BSC Covic muss Rückrunden-Albtraum besiegen

Ante Covic rückt vom Nachwuchs- zum Cheftrainer bei Hertha BSC auf.

Ante Covic rückt vom Nachwuchs- zum Cheftrainer bei Hertha BSC auf.

(Foto: imago images / Andreas Gora)

Ein Toptransfer, ein neuer Trainer aus den eigenen Reihen, plötzlich Millionen auf dem Konto: Hertha BSC macht in dieser Saisonvorbereitung vieles anders als zuvor. Deswegen vom Fußball-Bundesligisten mehr als gutes Mittelmaß zu erwarten, wäre aber dennoch vermessen.

Durch Berlin ist in den vergangenen Wochen ein Sturm gefegt. Es liegt aber nicht an den beharrlichen Wärmegewittern, dass auf dem Olympiagelände in Charlottenburg ein völlig neuer Wind weht. Mit Ante Covic steht ein neuer Trainer am Rand, einer, der viel lacht, viel über den Platz schreit, viel fordert, viel verändert. Die kräftige Brise hat zudem einige neue Spieler auf den Platz geweht - und das dank eines unverhofften Geldsegens ungewohnt früh in der Sommerpause. Nix da Notkäufe kurz vor Transferschluss oder nur Youngster, die kein anderer Klub auf dem Radar hatte. Prassen ist angesagt. Alles für das Ziel, attraktiveren Fußball und größeren Erfolg anzubieten. Denn nicht nur die Fans sind das ewige Hinterherum oder bloß schnell in die Spitze Gespiele leid, auch die Verantwortlichen wollen das nicht länger sehen. Covic möchte seinen Spielern Möglichkeiten aufzeigen, "damit sie nicht lange Notbälle spielen, sondern versuchen, flach rauszukommen". Sieh an. Besonders wichtig wird das für die Hertha-Anhänger natürlich am zehnten Spieltag: Dann steht die kürzeste Auswärtsfahrt der Saison an. Es geht nach Köpenick, zum Aufsteiger 1. FC Union. Bis dahin wird sich bereits zeigen, ob der Wind in die richtige Richtung weht.

Was gibt’s Neues?

Volle Kraft für Hertha: Dodi Lukebakio, der Königstransfer.

Volle Kraft für Hertha: Dodi Lukebakio, der Königstransfer.

(Foto: imago images / Metodi Popow)

20 Millionen Euro! Das ist eine Summe, die bei der Hertha niemandem geläufig ist, mit der niemand so leichtfertig spielt. Doch nun hat Dodi Lukebakio so viel gekostet. Teuerster Transfer zuvor war Stürmer Davie Selke, der vor zwei Jahren für acht Millionen Euro von RB Leipzig gekommen war. Möglich geworden ist der Rekordtransfer des jungen Belgiers, der in der abgelaufenen Saison mit Fortuna Düsseldorf die Liga aufmischte, dank des Investors Lars Windhorst. Dessen Tennor Holding B.V. hat 37,5 Prozent der Anteile am Klub gekauft und dafür sofort 125 Millionen Euro in den Verein gepumpt, es sollen noch mal etwa 100 Millionen Euro folgen. Dafür erwartet Windhorst allerdings den Abflug aus dem Mittelfeld - nach oben. "Die Hertha kann wie andere Klubs in London oder Madrid zu einem echten Big City Club werden", hatte er dem "Spiegel" gesagt. Nur, damit das geklärt ist: Auch mit den womöglich 225 Millionen Euro zählt Hertha noch lange nicht zu den Großklubs der Liga. Manager Michael Preetz sagte pflichtschuldig: "Der Rahmen hat sich für uns nicht so verändert, dass wir Bayern und Dortmund angreifen können. Aber er hat sich verändert. Klar, dass wir in den nächsten Jahren weiter nach oben und idealerweise dauerhaft um die internationalen Plätze spielen wollen."

Also wieder einmal gute Berliner Art? Groß denken - und tief fallen? Dank des plötzlichen Reichtums konnten jedenfalls weitere Transfers getätigt werden: Mittelfeldmann Eduard Löwen kam für sieben Millionen vom 1. FC Nürnberg und Stürmer Daishawn Redan vom FC Chelsea kostete transfermarkt.de zufolge 2,7 Millionen. Innenverteidiger Dedryck Boyata von Celtic Glasgow dagegen kostete keine Ablöse. Einige neue Spieler gibt es also, aber fast noch wichtiger: auch einen neuen Trainer. Hertha-Eigengewächs Covic folgt auf das zurückgetretene Hertha-Eigengewächs Pal Dardai. Preetz sagte: "Ante kennt Hertha aus dem Effeff. Es war an der Zeit, dass er diese Chance bekommt." Na denn …

Auf was kommt es an?

Ondrej Duda soll weiterhin eine Stütze des Teams sein.

Ondrej Duda soll weiterhin eine Stütze des Teams sein.

(Foto: imago images / RHR-Foto)

Wie gut funktioniert Covics Charme-Offensive? Wow, Doppeldeutigkeit. Zum einen gilt der 43-Jährige als fröhlicher als Dardai, den trotz aller Freundlichkeit ein Brummbär-Image umgab. Zum anderen setzt Covic bedeutend mehr auf - ja, genau - die Offensive. "Bei Ante gilt der erste Gedanke immer dem eigenen Spiel: Was machen wir mit dem Ball?", sagte Grujic der "Sport Bild". "Wir wollen hoch pressen, immer attackieren, den Ball besitzen und tiefe Pässe in die Mitte spielen." Covic erklärte: "Ich möchte, dass wir unser Spiel aktiv gestalten. Solange wir den Ball haben, kann uns kein Gegner etwas anhaben." Ein schlauer Satz, für den er hoffentlich schlaue Spieler zur Verfügung hat. Mit Marko Grujic, der noch ein Jahr länger vom FC Liverpool ausgeliehen ist, und Ondrej Duda kann Covic jedenfalls zwei clevere Spieler im Mittelfeld aufbieten. Über Duda sagt Marc Schwitzky, Experte von "Hertha Base": "Das ist ein herausragender Spieler, was er am Ball kann, was er im Spiel sieht, das kann bei Hertha kaum ein anderer."

Spielte Grujic in der abgelaufenen Saison, gab es mehr Punkte und schöneren Fußball. "Alle freuen sich, dass er noch ein Jahr bleibt", sagt Schwitzky. Zumal dem Serben eine gewichtige Rolle zuteilwird: "Er ist ein Fixpunkt im neuen 4-3-3-System von Covic." Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er seltener verletzt ausfällt. Das gilt überhaupt für die meisten Spieler, ein maßgeblicher Faktor in der vergangenen Saison. Schwitzky wünscht sich Gesundheit insbesondere für einen: Niklas Stark. "Es war auch ein Problem, dass nie dieselbe Viererkette gespielt hat, weil immer irgendjemand verletzt war. Es wäre gut, wenn wenigstens Stark als Fixpunkt, als deutscher Nationalspieler da wäre."

Was fehlt?

Lukas Klünter soll an seiner Aufgabe wachsen.

Lukas Klünter soll an seiner Aufgabe wachsen.

(Foto: imago images / Sven Simon)

Valentino Lazaro ist weg, der Österreicher spielt nun für Inter Mailand. 22 Millionen Euro haben die Italiener für ihn gezahlt, ein gutes Geschäft also für die Hertha, bei der Lazaro in nur zwei Jahren zum international gefragten Spieler gereift ist. Doch Obacht, er hinterlässt eine Lücke. Obwohl der 23-Jährige als Offensivspieler nach Berlin kam, reüssierte er als Rechtsverteidiger. Preetz allerdings ist optimistisch: "Überall dort, wo sich eine Lücke auftut, ist die Chance, sie zu füllen. Für Lukas Klünter oder Mathew Leckie ist diese Gelegenheit jetzt da." Die beiden könnten dann gleich dazu beitragen, dass endlich der "Hertha-Fluch" gebrochen wird: das Gesetz der miserablen Rückrunde. Konstanz ist also das Zauberwort.

Wie lautet das Saisonziel?

Trainer Covic muss selbst erst einmal Bundesliga-Erfahrung sammeln. Doch laut "Kicker" ist er frohgemut, dass ihm das ohne Herzkasper gelingen wird: "Mit Hertha BSC wollen wir besser abschneiden als in der vergangenen Saison, als am Ende Platz elf stand." Preetz betont der "Sport Bild" zufolge, dass die Windhorst-Millionen niemanden vor Ehrfurcht umhauen: "Es gibt keine Verpflichtung, hier um internationale Plätze mitspielen zu müssen."

Das sagt der Insider:

Noch im Olympiastadion - und bald? Ein neues Stadion fehlt auch dem Insider.

Noch im Olympiastadion - und bald? Ein neues Stadion fehlt auch dem Insider.

(Foto: imago images / A. Friedrichs)

"Ich bin richtig gespannt auf die neue Saison. Das liegt an den tollen Neuzugängen wie Dodi Lukebakio und auch an unserem neuen Trainer Ante Covic. Überhaupt hat die halbe Bundesliga einen neuen Trainer, von daher wird das sehr spannend: Was passiert taktisch? Was verändert sich dadurch sportlich? Zudem haben wir wieder einen echten Meisterschaftskampf. Ich glaube, das kann eine richtig gute Saison werden. Für Hertha würde ich mir ein Platz in den Top Acht wünschen, das wäre, glaube ich, realistisch. Natürlich wünscht sich jeder die Qualifikation für Europa, aber wenn Leverkusen und Co nicht schwächeln, hat Hertha da keine Chance. Der Klub kann nicht davon ausgehen, unter den besten Sechs zu landen, dafür sind zu viele starke Mannschaften in der Liga dabei. Man muss hoffen, dass das Team selbst eine gute Saison spielt und andere Federn lassen. Eine Voraussetzung ist, dass sich der Fußball der Mannschaft unter Covic entsprechend weiterentwickelt und dass sich die Spieler weiterentwickeln - man muss am Ende sagen können: Okay, das was wir jetzt gesehen haben, wäre unter Dardai nicht möglich gewesen. Ansonsten werden die Stimmen laut, die sagen: Warum habt ihr ihn den gehen lassen? Dafür ist eine gute Rückrunde nötig, denn unter Dardai gab es immer den Bruch in der Saison. Wenn der diesmal nicht kommen würde, kann man sich ja ausrechnen, wo der Klub am Saisonende in der Tabelle landen könnte."

(Marc Schwitzky ist Gründer und Chefredakteur von "Hertha Base". Er bloggt und podcastet über den Hauptstadtklub.)

Die Prognose von n-tv.de

Es wäre nicht Berlin, wenn niemand allzu hochtrabend träumte. Nach zwei Siegen gegen den 1. FC Union folgt die Qualifikation für Europa … ähm nein. So weit ist der Klub (noch) nicht, wie der Insider schon anmerkte. Aber mehr als Platz elf wie in der vergangenen Saison ist allemal drin. Eine mögliche Startelf: Im Tor der sichere Rune Jarstein, in der Viererkette neben dem bereits angesprochenen Stark der verlässliche Karim Rekik, auf links der zwischenzeitliche DFB-Kicker Marvin Plattenhardt, rechts vermutlich U21-Nationalspieler Klünter, vor ihnen der laufstarke Vladimir Darida, der bereits gelobte Grujic sowie Duda, in der Offensive Javairo Dirosun, Neuzugang Lukebakio sowie Selke. Ja, das kann sich sehen lassen, zumal auch weitere Spielernamen nach mehr als nur Liga-Durchschnitt klingen. Die Teams von Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen, dem FC Schalke (sic!) aber eben auch. Und so wird der Plan von Windhorst, ein "Big City Club" zu werden, wohl noch weiter reifen.

Quelle: ntv.de

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