Umstrittene Marketing-Idee DFB-Boss zweifelt an "Die Mannschaft"
14.07.2021, 14:15 Uhr
Beim DFB sind Dinge in Bewegung.
(Foto: picture alliance / GES/Markus Gilliar)
Nach dem zweiten vergeigten Turnier in Serie soll beim DFB der große Neustart gelingen. Sportlich mit einem neuen Bundestrainer sowieso, aber man will auch auf der Marketingseite Altlasten loswerden. Das deutet zumindest der Interimsboss an.
Den ungeliebten Slogan "Die Mannschaft" entsorgen, die sportliche Kompetenz erhöhen, den krisengeschüttelten Verband nach Jahren des Niedergangs endlich wieder flottmachen: Ausgerechnet Peter Peters, der selbst nicht gerade unumstrittene Co-Interimspräsident, hat den Neuanfang beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ausgerufen. Beginnen könnten die Reformen mit einem öffentlichkeitswirksamen Signal an die Fans - dem Aus für die viel kritisierte Vermarktung des Nationalteams unter dem Leitspruch "Die Mannschaft".
"Ich bin der Meinung, dass wir in diesem Zusammenhang auch über einen Kurswechsel nachdenken müssen", sagte Peters der "FAZ": "Die Vermarktung der Nationalmannschaft liegt schon jetzt im entsprechenden Geschäftsbereich der DFB-GmbH unter der Führung von Holger Blask - und ich bin sicher, dass dort viele Überlegungen angestellt werden."
Peters sieht nach dem enttäuschenden EM-Aus im Achtelfinale gegen England und dem Dienstantritt des neuen Bundestrainers Hansi Flick die Zeit für ein Umdenken gekommen. Dabei nimmt der Co-Chef, der den Verband bis zu einem Bundestag im kommenden Jahr gemeinsam mit Rainer Koch leitet, indirekt auch die umstrittenen Gespräche mit Qatar Airways ins Visier.
Peters denkt über personelle Verstärkungen nach
"Ungeachtet aktueller Diskussionen um mögliche Sponsoringverträge und Auftritte der Nationalmannschaft ist es sicher nicht falsch, wenn man den Neustart mit neuem Bundestrainer zum Anlass nimmt, sich auch über die öffentliche Positionierung grundsätzlich Gedanken zu machen", sagte Peters.
Der Slogan "Die Mannschaft" war nach dem WM-Triumph von 2014 entstanden und wurde seither in zahlreichen Kampagnen des DFB, aber auch der Großsponsoren des Verbandes strapaziert. Die Idee, der deutschen Fußballnationalmannschaft einen Bei- oder eher Markennamen wie das "Three Lions" der Engländer, das "Les Bleus" der Franzosen oder der brasilianischen "Selecao" zu verpassen, geriet schnell in die Kritik. Da liege bereits eines der grundlegenden Probleme, sagte Professor Gerd Nufer, Direktor am Deutschen Institut für Sportmarketing dem Magazin "Meedia". "Es ist lediglich eine Kopie anderer Nationen. Vor allem steht der Name stellvertretend für die Überkommerzialisierung des DFB in den letzten Jahren – einhergehend mit überhöhten Ticketpreisen und dem Ausschluss der Fans bei Trainingseinheiten."
Schon nach dem Desaster mit dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft 2018 hatte der damalige DFB-Präsident Reinhard Grindel "Bild am Sonntag" gesagt, er "nehme auch wahr, dass an der Basis der Begriff "Die Mannschaft" als sehr künstlich empfunden wird. Auch das sollten wir auf den Prüfstand stellen." DFB-Direktor Oliver Bierhoff, mitverantwortlich für den Slogan, verkündete dann aber im Dezember 2018: "Nach der WM haben wir vieles kritisch hinterfragt, auch die Marke 'Die Mannschaft'. Die Ergebnisse einer unabhängigen Untersuchung bestärken uns darin, weiter daran festzuhalten", sagte er. "Viel wichtiger aber als irgendeine Bezeichnung ist, dass wir uns wieder als echte Mannschaft auf und neben dem Platz präsentieren und für unsere Werte wie Teamgeist, Spielfreude, Fairplay und Erfolg stehen", versprach Bierhoff: "Wir haben nach der WM einige Maßnahmen ergriffen - und die Spieler haben gezeigt, dass sie diese mit Herz umsetzen. Den eingeschlagenen neuen Weg werden wir konsequent fortsetzen."
"Stakeholder im Umfeld"
Eine Änderung habe es aber doch geben sollen, wie der einstige Generalsekretär Friedrich Curtius der "Bild"- Zeitung sagte: "Der Name soll zum Beispiel im Rahmen von Länderspielen dezenter platziert und zurückhaltender genutzt werden." Das funktionierte nie. "Als Bierhoff dem Nationalteam den Marketing-Slogan "Die Mannschaft" verpasste und später dann von "Stakeholdern im Umfeld" und einem "Produkt" sprach, nahm die bereits eingetretene Entfremdung weiter ihren Lauf", kommentierte die "Deutsche Welle" Ende 2020, nach dem 0:6-Debakel der längst zerfallenden "Die Mannschaft" in Spanien. "Die DFB-Elf wurde immer mehr zum Vehikel einer scheinbar nicht enden wollenden Monetarisierungsstrategie und verlor auf diesem Weg ihre Authentizität und ihre Nähe zu den Fans."
Curtius und Grindel sind nicht mehr beim DFB, beide mussten den krisengeschüttelten Verband verlassen. Bierhoff ist noch da, trotz der historischen Entfremdung der "Mannschaft" von den deutschen Fußballfans und zwei völlig vergeigten Turnieren in Serie. Und bleibt womöglich länger als seine Idee der "Mannschaft".
Quelle: ntv.de, ter/sid