Fußball

Musiala schimpft, Wirtz schweigt DFB-Jahr gipfelt in "Dummheit" und üblichem "Wahnsinn"

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Mit einem 1:1 verabschiedet sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft aus dem Länderspieljahr. Der letzte Auftritt 2024 stellt Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht zufrieden. Einer seiner Stars leistet sich eine "Dummheit" - und eine ewige Debatte kostet am Ende den Sieg.

Jamal Musiala ist für viele Dinge bekannt. Für beeindruckende Ballkontrolle. Neuerdings auch für Kopfballtore. Aber für kleinere Wutausbrüche? Das nun wirklich nicht. Und doch, das verrät der Fußball-Nationalspieler nach dem 1:1-Remis zum Nations-League-Gruppenabschluss gegen Ungarn, ist es dazu gekommen. Er hat seinen Zauberer-Partner Florian Wirtz auf dem Platz angeschrien. "Mehr kann man dazu nicht sagen", erklärt Musiala, dessen Gemüt sich nach dem Duschen wieder beruhigt hat.

Nur, worum ging's? Die Geschichte ist schnell erzählt. Wirtz hatte sich gegen die Ungarn eine Gelbe Karte eingehandelt - ausgerechnet in einem Spiel, in dem es um nichts mehr geht. Schließlich stand der Gruppensieg schon fest. Wirtz fehlt damit aber im Hinspiel des Nations-League-Viertelfinals im kommenden März. "Dumm", kommentiert Musiala. Da war Wirtz aber schon lange verschwunden. Er schlich sich hinter dem Rücken von Kapitän Joshua Kimmich aus dem Stadion, der sich gerade den Fragen stellte. Ob er noch etwas sagen will? "Besser nicht", sagte Wirtz lachend im Vorbeigehen.

Generell waren viele Dinge an diesem Abend in der Budapester Puskas Arena frustrierend, das erfolgreiche Länderspieljahr der deutschen Fußball-Nationalmannschaft endet ohne Sternstunde - und trotzdem ist das keine schlechte Nachricht. Bundestrainer Julian Nagelsmann wollte nach Abpfiff gar nicht über das Spiel selbst reden und fasste es so schnell und oberflächlich zusammen, wie es nur irgendwie geht. "Wir haben ein paar Dinge gut gemacht, wir haben ein paar Dinge nicht so gut gemacht", sagte er dem ZDF. Die Umstände lassen ihn aber ein Auge zudrücken. Man sollte gerade ohnehin eher das große Ganze sehen.

Es dauert eine Stunde, bis das Spiel beginnt

Damit ist doch dann alles gesagt, oder? Nicht ganz. Tatsächlich kann man sich lange darüber auslassen, dass bei der zweiten DFB-Reihe vieles nicht zusammenläuft. Mit der ganz großen Rotation tat Bundestrainer Nagelsmann nicht allen einen Gefallen - bis auf Torwart Alexander Nübel und Innenverteidiger Nico Schlotterbeck kann keiner für sich Werbung machen. Insgesamt neunmal tauschte Nagelsmann im Vergleich zur 7:0-Gala gegen Bosnien-Herzegowina. Auf dem Rasen stand deshalb eine DFB-Elf, die es so wohl nie wieder geben wird. Warum? Am anschaulichsten wird das in der Offensive deutlich: Ohne das Zauberer-Trio aus Kai Havertz, Musiala und Wirtz (dem noch ein griffiger Name fehlt) ist es verblüffend ziellos und ungefährlich.

Denn ohne "HaMuWi" (nur ein Vorschlag) fehlte dem DFB-Spiel das, was es zuletzt so besonders gemacht hat. Zwar versuchten sich die Ersatz-Zauberer um Serge Gnabry, Leroy Sané, Julian Brandt und Chris Führich am gleichen Kombinationseifer, nur das wollte nicht gelingen. Wie auch, wenn die Routine fehlt. Der eifrige Sané forderte jeden Ball, hatte dann aber doch häufig Pech. Gnabry merkte man an, dass das Sturmzentrum nicht seine Stammposition ist. Führich blieb erstaunlich blass. Im Zentrum hatte Brandt meistens die richtige Idee, es haperte aber oft am Timing und folglich der Umsetzung.

Irgendwann reichte es dann auch dem Bundestrainer. Nagelsmann wechselte dreimal - und brachte nach einer Stunde dann doch "Wusiala+Havertz" (Vorschlag II). Mit Wirkung: Die drei belebten das Spiel der DFB-Elf spürbar, ihre Spielfreude und Formstärke können nicht ersetzt werden. Es brauchte regelmäßig zwei ungarische Verteidiger, um Musiala zu stoppen, während er sich die Bälle mit Wirtz hin- und herschob. Und mit einem seiner ersten Ballkontakte traf dann auch noch Havertz den Pfosten.

Nach der Rückkehr der Spektakel-DFB-Elf gegen Bosnien-Herzegowina hätte es beinahe auch das Comeback des DFB-Teams werden können, das auch mit einer schlechten Leistung einen Sieg holt. Eigentlich "muss man das dreckige 1:0 über die Zeit bringen", sagte Kapitän Kimmich. Felix Nmecha hatte in der 76. Minute nach einem Eckball getroffen.

Das "Handproblem" ärgert DFB-Elf

Doch Fußball ist häufig auch eine Frage von Glück und Pech. Am Ende verhinderte ein leidiges Thema den "dreckigen 1:0"-Sieg: das "Handproblem" (Robert Andrich). In der letzten Minute der Nachspielzeit bekam DFB-Verteidiger Robin Koch den Ball aus nächster Nähe gegen den Arm geschossen. Er versuchte sich zwar noch wegzudrehen und den Arm aus der Schussbahn zu nehmen, war aber nicht schnell genug. Schiedsrichter Duje Strukan schaute sich die Szene nach einem Hinweis seines Video-Assistenten nochmals am Bildschirm an - und zeigte auf den Elfmeterpunkt. Die Szene erinnerte Nagelsmann an das EM-Aus im Viertelfinale gegen Spanien. Deshalb fragte er den Referee nach Abpfiff, ob der das Spiel gesehen hat. Es war eine Anspielung auf das Handspiel des Spaniers Marc Cucurella, das fälschlicherweise nicht geahndet wurde.

Der Schiedsrichter war offenbar von der Frage völlig überrumpelt, erklärte Nagelsmann auf der Pressekonferenz. "Für mich ist es kein Handspiel, unabhängig davon, wenn es andersherum gewesen wäre. Kochi dreht sich weg und zieht den Arm zum Körper. Ganz ohne Arm geht es einfach nicht. Den hätte ich niemals gegeben. Ich finde auch Wahnsinn, dass er rausgeschickt wird. Das ist der Fehler", sagte er: "Ich bin mal gespannt, was die UEFA dazu dann in vier Monaten veröffentlicht." Schließlich hatte der Fußballverband Monate später seinen Fehler im EM-Viertelfinale in einem internen Dokument eingeräumt.

DFB-Team steht wieder für Leichtigkeit

Und auch, wenn die Debatte um den Handelfmeter die Gemüter erhitzt: Es wird wohl kaum das sein, was von diesem letzten Länderspielabend des Jahres hängen bleiben wird. Zu sehr sind sich alle Beteiligten bewusst, dass sie diese Debatten um die Handregel noch oft führen werden. Es sind andere Szenen und Erkenntnisse. Allen voran, dass die DFB-Elf es innerhalb von zwölf Monaten geschafft hat, wieder ein Ort der Leichtigkeit und Leistungsbereitschaft zu sein. Denn auch, wenn über weite Strecken nicht viel zusammenläuft - am Einsatz lag es nicht.

Noch vor einem Jahr schien das unvorstellbar. Deshalb beharrt Nagelsmann so sehr auf das große Ganze, deshalb ist ihm die Analyse des Ungarn-Spiels nicht wichtig. Im Spätherbst 2023 hatte die Nationalelf mit den Niederlagen gegen Österreich und die Türkei einen absoluten Tiefpunkt erreicht - unmittelbar vor dem wichtigsten Turnier seit zwei Jahrzehnten. Die Lage wirkte aussichtslos. "Wir lagen im vergangenen November am Boden", sagte Nagelsmann, "mit der Heim-EM als Damoklesschwert über uns."

Heute ist alles anders, der Ausblick auf die kommende Weltmeisterschaft in anderthalb Jahren ist positiv. "Wenn wir 2025 genau so angehen, wie wir 2024 bestritten haben, werden wir 2026 deutlich präparierter sein als wir es 2024 waren. Ich denke, dass da viel entstehen kann", sagt der Bundestrainer nun. "Das Wir-Gefühl, das ich hier spüre, mit der Mannschaft und dem Staff, das habe ich so noch nie gespürt." Denn zwölf Monate später steht Grundsätzliches nicht mehr infrage. Eine schlechte Leistung ist kein Weltuntergang. Sondern es geht wieder um Handelfmeter, die sportlich keine Rolle spielen. Und um Gelbe Karten, die Jamal Musiala aufregen.

Quelle: ntv.de

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