Fußball

Union feiert auch ohne Superstar Wer Behrens hat, braucht Welt-Diva Isco nicht

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Zwei Matchwinner für Union: Kevin Behrens und Rani Khedira.

(Foto: REUTERS)

Union Berlin ist einfach nicht aufzuhalten. Die Eisernen siegen nach einem intensiven Kampfspiel auch im DFB-Pokal. Gegner Wolfsburg nützt eine frühe Führung nichts. Und das alles nach dem überraschenden Scheitern des Berliner Sensations-Transfers.

Wenn es mit dem Traumtransfer schon nicht klappt, dann soll wenigstens der Titeltraum weiterleben: Union Berlin beschließt einen wilden Tag mit einem Willenssieg im DFB-Pokal. Der VfL Wolfsburg mit seinem Trainer-Giganten Niko Kovac, zuvor 16 Siege in Serie im Wettbewerb, wird vor bebender Kulisse an der Alten Försterei mit 2:1 (1:1) niedergerungen. Der frühe Rückstand, Luca Waldschmidt hatte nach fünf Minuten getroffen, irritierte die Mannschaft von Urs Fischer nur kurz. Je länger das Spiel bei fürchterlichen Wetterbedingungen dauerte, desto mehr Union wurde Union. Das Kollektiv biss sich rein und drehte die kampfbetonte Partie. Der völlig alleingelassene Ex-Wolfsburger Robin Knoche traf nach einer Ecke (12.), ehe Kevin Behrens (79.) die Entscheidung herbeiführte. Behrens, mehr Gegenentwurf zum abgedampften Traumtransfer geht nicht.

Isco hatte die Hauptstadt am Dienstag in Ekstase versetzt. Bis zu seiner Ankunft in Köpenick hatte die Fußball-Welt das Gerücht um die vereinslose Real-Ikone für einen sehr pfiffigen Witz zum Abschluss der winterlichen Transferphase gehalten. Doch dann war er plötzlich da, hatte den Medizincheck bestanden - und flog wieder heim. Seine Berater hatten laut Union spontan Forderungen gestellt, die die Berliner nicht erfüllen wollten. Und so platzte der Traum vom ersten Star mit Weltruf (trotz mächtigem Karriereknick), der mit Real Madrid fünfmal die Champions League gewann, an der Alten Försterei. Nicht aber der Traum vom ersten Pokal-Triumph. Und so sah die Wahrheit im stürmischen Regen von Köpenick eben so aus: Wer den bodenständigen Behrens hat, der braucht keinen divenhaften Isco!

Ein schmaler Grat mit Isco

Kevin Behrens, der in seinem Leben schon den Landespokal Niederrhein gewonnen hatte und Bremenliga- sowie Regionalliga-West-Meister geworden war, drückte den Ball nach perfekter Ablage von Sheraldo Becker aus zwei Metern über die Linie. Ein Tor ohne jeden Glanz, aber eines des Willens. Ein Tor, perfekt passend zu Union Berlin. So wie dieser Typ Behrens, den der Klub im Sommer 2021 vom Zweitligisten SV Sandhausen geholt hatte. Ein Transfer, von dem sich wohl kaum einer Großes versprochen hatte. Anders als es bei Isco der Fall gewesen wäre. Eine Umkehr der Fallhöhe.

Und auch wenn der Mann, der in seinem Leben unter anderem für Werder Bremen III (!), Rot-Weiss Essen, den 1. FC Saarbrücken und eben Sandhausen gespielt hatte, der Held des Abends war, so redeten sie in Köpenick doch mehr über jenen Mann, der gar nicht mehr da war. Vielleicht kreiste Isco da in seinem Privatjet (mit dem war er laut "Bild"-Zeitung gekommen) noch irgendwo über Berlin, vielleicht sah er das Flutlicht und das kultige Stadion aus luftiger Höhe. Und womöglich befand er, dass er sich mit seiner Erfolgsvita (trotz Karriereknick) bei der Suche nach einer neuen Herausforderung irgendwie geirrt hatte. Königliche Finesse und Köpenicker Malochertum, das wäre ein interessantes Puzzle geworden. Und niemand weiß, ob es jemals gepasst hätte. Der Grat zwischen Gefahr fürs perfekt arbeitende Kollektiv und Max-Kruse-Vibes 2.0 wäre sehr schmal gewesen.

WM-Teilnehmer bereitet Ausgleich vor

Nun ist das Thema aber endgültig durch, und die Unioner blicken auch so auf eine Transferphase, die sie selbst nicht unbedingt fassen können. Nicht mehr Sandhausen ist das Regal, aus dem sich der Klub bedient, sondern mittlerweile ist die Fußball-WM ein willkommenes Schaufenster, um den Kader zu verstärken. Für zusammen rund 13 Millionen Euro kommen die Katar-Teilnehmer Aïssa Laïdouni (Tunesien) und Josip Juranovic. Der Kroate, gegen Wolfsburg in der Startelf, zeigte direkt mal, welche Flankenqualitäten er als Rechtsverteidiger hat. Den Ausgleich von Knoche bereitete er mit einer ebenso scharfen wie präzisen Hereingabe an den langen Pfosten vor. Er hatte gesehen, dass sich der Innenverteidiger von seinen Bewachern weggestohlen hatte.

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Über das, was sich in Köpenick in den vergangenen Jahren so wundersam entwickelt hat, ist alles geschrieben und gesagt. Und dennoch wirkt es immer noch so unvorstellbar, dass der Klub in dieser Saison tatsächlich ein echter Bayern-Jäger ist, wo doch bisher vor jeder Saison das Thema Klassenerhalt mit oberster Priorität diskutiert wurde. Nur einen Zähler beträgt der Rückstand auf den Rekordmeister. Von einer kurzen Schwächephase in der Hinrunde hat sich die Mannschaft bestens erholt. Das Wort Meister wird dennoch vorerst niemand in den Mund nehmen, aber das Wissen um die eigene Qualität und den eigenen Ruf ist mittlerweile tief verankert. "Dass so ein Weltstar wie Isco sich vorstellen kann, für Union Berlin zu spielen, das wäre eine geile Geschichte gewesen. Aber trotzdem haben wir eine geile Mannschaft", sagte Mittelfeldspieler Rani Khedira, auch so ein Mann mit typischer Union-Aufsteigergeschichte. An der Alten Försterei reifte er zu einem Kandidaten für das DFB-Team.

So wie Julian Ryerson zu einem Mann gereift war, der die Außenverteidiger- und vielleicht auch ein wenig die immer wiederkehrenden Mentalitätsprobleme des BVB lösen soll. Der Kollege Stephan Uersfeld schrieb vor wenigen Tagen, dass die Bundesliga nach dem Stoff sucht, an dem sich Union zu großer Größe berauscht hat. Isco wäre der nächste Schritt gewesen. Eine Zeitenwende. Mit unklarem Ausgang. Aber eben auch "vom Tisch" und "es ist alles in Ordnung", wie Khedira, der das Tor von Behrens mit einer butterweichen Flanke vorbereitet hatte, befand. Auch Trainer Urs Fischer sah, dass seine Fußballer das Thema "gut weggesteckt" hatten. Er habe sich auch die Frage gestellt, "muss man an diesem letzten Tag des Transferfensters spielen", sagte der Union-Coach: "Es war nicht der optimalste Tag, aber es gehört dazu. Entscheidend ist, wie du damit umgehst." Isco? Behrens!

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 01. Februar 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, tno

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