Fußball

"Danke, jetzt habe ich Leopard" DFB-Team erweist sich als Freund der Ukraine

Die ukrainischen Fußballer liefen mit der Nationalflagge um die Schultern ins Stadion ein.

Die ukrainischen Fußballer liefen mit der Nationalflagge um die Schultern ins Stadion ein.

(Foto: IMAGO/Vitalii Kliuiev)

Beim Aufeinandertreffen der deutschen Nationalmannschaft und der ukrainischen Auswahl spielt der Fußball eine untergeordnete Rolle. Die Fans der Ukraine danken Deutschland für die militärische Unterstützung gegen die russische Aggression und schicken einen Gruß an die eigenen Streitkräfte.

Schiedsrichter Anastasios Sidiropoulos hatte gerade erst die aufreibende Schlussphase abgepfiffen, da erinnerte die Stadionregie schon eindringlich an das Motto dieses Fußballspiels. "Thank you for being a friend" tönte es aus den Boxen des Bremer Weserstadions, nachdem sich die Nationalmannschaften Deutschlands und der Ukraine mit 3:3 (1:2) getrennt hatten.

Mit einer Aufholjagd in den letzten Minuten hatte die Elf des Deutschen Fußball-Bundes die eigentlich verdiente Niederlage doch noch abgewendet, durch einen Elfmetertreffer von Kapitän Joshua Kimmich in der Nachspielzeit den späten Ausgleich erzielt. In einem Spiel, das im Zeichen des Friedens und der Solidarität stand, und das mit einem Unentschieden endete. Fast so, als hätte es ein Drehbuch für diese Begegnung am Osterdeich gegeben.

"Natürlich kann ein Fußballspiel an einer Kriegssituation nichts verändern", hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor dem Anpfiff gesagt, aber die 90 Minuten könnten eine Ablenkung sein für die Ukraine, die sich seit den Morgenstunden des 24. Februar 2022 gegen die völkerrechtswidrige militärische Invasion Russlands verteidigen muss.

Das "Danke, jetzt habe ich Leopard"-Banner der ukrainischen Fans.

Das "Danke, jetzt habe ich Leopard"-Banner der ukrainischen Fans.

(Foto: Torben Siemer)

Ein ukrainischer Kollege auf den Presseplätzen bestätigte dies: Er wisse von einem Bekannten im Einsatz, der ihm geschrieben habe, er wolle das Spiel gemeinsam mit seiner Einheit anschauen: "Das ist ein großes Spiel für die Ukraine. Gegen Deutschland zu spielen, das ist immer etwas Besonderes."

"Se-sse-u" mit klarer Botschaft

Außergewöhnlich war auch die Stimmung rund um das Stadion, das an diesem Montagabend mit 35.795 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauft war. Überall waren die Farben und Fahnen der Ukraine zu sehen, einige Fans hatten sich gar die Mühe gemacht, aus zwei Trikots eines zu machen. Die eine Hälfte im traditionellen Weiß der DFB-Elf, die andere im leuchtenden Gelb der ukrainischen Auswahl. Denys, der nicht mehr als seinen Vornamen verraten wollte, freute sich vor allem darauf, "seine" Nationalmannschaft endlich wieder einmal live zu sehen.

Natalia, auch sie beließ es beim Vornamen, war mit ihrem Sohn gekommen und "froh über die Ablenkung inmitten des Krieges" - und darüber, so viele Landsleute zu treffen, um mithilfe des Fußballs den Zusammenhalt zu stärken. Der ukrainische Fanblock schickte außerdem gleich mehrere klare Botschaften an all jene, die dieses Spiel verfolgten. Noch vor dem Anpfiff zeigte er ein großes Banner mit dem Schriftzug "Danke, jetzt habe ich Leopard" und einem großen Leoparden, der auf dem gleichnamigen Panzer stand. Ein Dankeschön für die militärische Unterstützung, die die Bundesrepublik für die Ukraine leistet.

Doch auch an die Kämpfenden in der Ukraine wendete sich der Block, der angesichts der zwischenzeitlichen 3:1-Führung der Gäste phasenweise allein für Stimmung im Stadion sorgte. "Se-sse-u" riefen die Ukrainerinnen und Ukrainer immer wieder, was der ukrainische Kollege freundlicherweise übersetzte: Es handelte sich nämlich um die Abkürzung "ZSU", diese steht für "Zbroini syly Ukrainy", die Streitkräfte der Ukraine. Ein Signal der Unterstützung, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs immer wieder bei Fußball-Länderspielen zu hören ist.

Zwischendurch hallt nur noch "U-Kra-I-Na" durch das Stadion

Dazu kamen all jene Zeichen der Solidarität und Verbundenheit, die nicht weniger wertgeschätzt werden sollten, nur weil sie regelmäßig zu sehen sind: das große Peace-Zeichen im Mittelkreis, das gemeinsame Foto beider Mannschaften nach den Nationalhymnen, der große Applaus der Zuschauenden, als die ukrainischen Fußballer für ihr Aufwärmprogramm auf den Rasen kommen.

Überall auf den Rängen sind ukrainische Flaggen zu sehen, von Rivalität ist nichts zu spüren, das Miteinander steht im Fokus. Daran ändert auch der Spielverlauf nichts, als erst die deutsche Elf in Führung geht, ehe die ukrainische Auswahl einen 0:1-Rückstand bis zur 56. Minute in einen 3:1-Vorsprung umwandelt.

Das 1000. Länderspiel in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes entwickelt sich in jener Phase zu einem Debakel, die Fans der DFB-Elf kommentieren das mit lautstarken Pfiffen, mit Buhrufen. Längst vergessen ist die Anfangsphase, in der eine La-Ola-Welle minutenlang durch das Rund schwappt.

Zwischendurch ist nur noch "U-Kra-I-Na" zu hören, sind fast nur noch gelb-blaue Flaggen auf den Rängen zu sehen. Eine Viertelstunde vor Schluss droht die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick gänzlich auseinanderzubrechen, nach einem tollen Solo und einem präzisen Pass von Chelseas 100-Millionen-Mann Mikhailo Mudryk kann Torhüter Kevin Trapp das 1:4 gerade noch verhindern.

Flick bekommt mehr Fragen als Antworten

Als der Stadionsprecher kurz darauf freudig "Ausverkauft" verkündet, gibt es ein lautes Pfeifkonzert und anschließend mindestens genauso laute "Hier regiert der SVW"-Sprechchöre. Werder-Stürmer Niclas Füllkrug, bis in die Schlussphase einziger deutscher Torschütze, erklärt das hinterher humorig damit, dass das Bremer Publikum eben hochklassigen Fußball gewohnt sei - um danach seine eigene Leistung und auch die der gesamten Mannschaft zu kritisieren.

Dann rettet Kai Havertz mit seinem Treffer zum 2:3 in der 83. Minute und einem starken Zug zum Tor in der 90. Minute, den Eduard Sobol nur mit einem Foul stoppen kann, einem enttäuschenden DFB-Team zumindest das Unentschieden. Denn Kapitän Kimmich platziert den folgenden Elfmeter per Flachschuss exakt so am linken Pfosten, dass der Ball von dort unerreichbar für Keeper Anatoli Trubin hinter die Linie klatscht.

Der Schlusspunkt eines Fußballspiels, das Bundestrainer Hansi Flick auf dem Weg zur Heim-Europameisterschaft 2024 mehr Fragen als Antworten geliefert haben dürfte. Sportlich ist nach drei enttäuschenden Turnieren noch immer kein Aufwärtstrend erkennbar, der Hoffnung für das Turnier im kommenden Jahr macht. Die Bedeutung dieser Partie im Bremer Weserstadion jedoch scheint für viele Menschen weit über das Sportliche hinauszugehen. Was zumindest in dieser Hinsicht eine wohlwollende Deutung des aus deutscher Sicht schmeichelhaften 3:3-Unentschiedens ermöglicht.

Quelle: ntv.de

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