Fußball

"Geht mir auf den Sack" DFB-Team schrumpft auf die Größe Andorras

Ilkay Gündoğan hat die Schnauze voll: Die Nationalmannschaft offenbarte im Spiel gegen die Schweiz erneut Schwächen.

Ilkay Gündoğan hat die Schnauze voll: Die Nationalmannschaft offenbarte im Spiel gegen die Schweiz erneut Schwächen.

(Foto: Markus Gilliar/GES/POOL)

Die Nationalmannschaft kann in der Nations League nicht gewinnen. Das schaffen sonst nur Fußball-Zwerge wie San Marino oder Malta. Noch schlimmer: Es fehlt an Feuer und Leben im Team. Löw muss dieses Jahr beweisen, dass sein Umbruch bis zur EM 2021 gelingen kann.

Wenn selbst İlkay Gündoğan sauer ist, dann muss es ernst sein. Der stets höfliche, eloquente und besonnene Mittelfeldstratege trat nach dem 1:1 gegen die Schweiz in der Nations League ungewöhnlich erbost an die Mikrofone und wetterte: "Insgesamt ist das sehr ärgerlich, das geht mir auch ein bisschen auf den Sack", sagte der 29 Jahre alte Profi von Manchester City im ZDF: "Es hat komplett an uns selbst gelegen. Ich bin auch ein bisschen angepisst."

Gündoğan selbst hatte die DFB-Elf noch zur 1:0-Führung geschossen. Dann aber verpasste es die Mannschaft v on Bundestrainer Joachim Löw, wie schon im ersten Gruppenspiel gegen Spanien (1:1) am Donnerstag, den Spielstand zu halten oder gar zu den eigenen Gunsten auszubauen und einen weiteren Treffer nachzulegen. "Das Problem war, das zweite Tor fehlt uns, das zieht sich manchmal durch. Daran müssen wir arbeiten", erkannte auch Löw. Gündoğan musste im zentralen Mittelfeld viele Löcher stopfen, aber als der eingewechselte Julian Brandt mit einigen Fehlpässen auf sich aufmerksam machte, war auch der City-Profi machtlos. Einer dieser Abspielfehler führte über Umwege zum Schweizer Ausgleichstreffer.

"Wenn du den Ball vorne hast, dann musst du ihn auch behaupten", haute Gündoğan abermals auf den Tisch. So aber "schwimmst du die letzten zehn, 20 Minuten und hast noch Glück, dass du hier mit einem Punkt rausgehst". Deutliche Worte, aber tatsächlich wirkte das DFB-Team in dieser Spielphase ausgepumpt und ohne Leben. Giftig und präzise nach vorne spielte nur die Schweiz. Letztendlich musste sich Gündoğans Mannschaft bei Torhüter Bernd Leno bedanken, der mit einer Glanztat gegen Granit Xhaka rettete, dass am Ende noch ein Unentschieden und keine Niederlage auf dem Papier stand.

Wo ist das Leben in der Mannschaft?

Die Lage, das beweist nicht nur Gündoğans Rundumschlag, ist also mindestens sehr herausfordernd. In neun Monaten will die DFB-Elf die Europameisterschaft gewinnen. Das ist das erklärte Ziel, aber bis dahin ist noch viel zu tun. Die Schweiz hat eine gute Mannschaft, aber nicht das Kaliber der Teams, mit denen man sich bei der EM 2021 um den Titel streiten will. Frankreich, England oder die Niederlande hätten das nachlässige Verhalten von Löws Team wahrscheinlich konsequenter bestraft.

Klar, die Bayern-Stars waren an diesem Nations-League-Spieltag nicht dabei. "Einige Spieler kommen im Oktober zurück, und dann werden wir auch die ersten Spiele gewinnen", versuchte auch Löw nach der Partie gegen die Schweiz das Unentschieden zu erklären. Aber solche Abspielfehler (Brandt gegen die Schweiz, Julian Draxler und Emre Can gegen Spanien) oder die Schludrigkeit beim Abschluss (besonders Draxler gegen die Schweiz, aber alle Offensivkräfte ließen in beiden Partien beste Chancen liegen) können auch die Bayern-Spieler nicht alleine beheben. Der Bundestrainer muss zwei Jahre nach dem WM-Desaster in Russland immer noch beweisen, dass er die Verjüngung und Neuausrichtung seines Teams erfolgreich über die Bühne bringen kann.

Mit der Aussortierung von Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng ist auch ein Stück weit das Sieger-Gen und das Feuer auf dem Platz abhandengekommen. Die mangelhafte Kommunikation, auf dem Rasen war es im Vergleich zu anderen Geisterspielen teilweise erschreckend still, zeigt, dass der Mannschaft die klaren Anführer fehlen. Toni Kroos ist dafür nicht laut genug, vielleicht rückt Gündoğan nach seiner Verbal-Attacke nun in die Lücke. Auch Löw erkannte Kommunikationsdefizite, hofft aber, dass wenn die Bayern-Spieler zurück "auf dem Platz sind, dann ist es auch etwas anderes in der Kommunikation". Er habe das Thema innerhalb der Mannschaft auch thematisiert: "Wenn man sich gegenseitig coacht, das gibt Energie, das gibt Leben in der Mannschaft, das ist eine Hilfestellung. Manche sind schon ein bisschen zurückhaltend. Auch da müssen wir besser werden.

So schlecht wie San Marino oder Malta

Das Leben in der Mannschaft, es fehlt dem DFB-Team noch ein wenig. Verantwortung übernehmen, laut werden, im Spiel die Mitspieler coachen: Joshua Kimmich könnte diese Rollen womöglich ausfüllen, wenn er zurück ist. Aber Wunder darf man nicht direkt erwarten, die Herausforderung bis zur EM 2021 wächst mit den schwindenden Monaten bis zum Eröffnungsspiel. Immerhin: Chancen auf Wiedergutmachung gibt es dieses Jahr noch genug. Ein turbulenter Herbst wartet, in dem die Nationalmannschaft beweisen muss, dass sie es besser kann. Im Oktober und November stehen jeweils drei Länderspiele auf dem Programm, den Anfang macht der Test gegen die Türkei am 7. Oktober, es folgen die Nations-League-Spiele gegen die Ukraine und eben wieder die Schweiz und Spanien.

Nach dem ersten Spanien-Spiel beschwichtigte Löw lieber gleich mal: "Siege sind jetzt nicht das Allerwichtigste". Lange kann er aber nicht mehr warten, bis das Siegen wieder beginnen muss. Noch kein Spiel in der Nations League hat seine Mannschaft gewonnen. Sechs Spiele, vier Unentschieden und zwei Niederlagen stehen zu Buche. Damit befindet sich die DFB-Elf in einer Riege mit Teams, mit denen sie normalerweise nicht in einem Atemzug genannt werden möchte. Nach sechs (oder mehr) Runden der Nationenliga warten nämlich nur noch die Fußball-Zwerge San Marino, Malta, Lettland, Andorra und Litauen sowie Irland auf den ersten Dreier. Natürlich hatte Löws Mannschaft in Frankreich, Holland oder Spanien ungleich schwerere Gegner, aber nur durch die Aufstockung der Nations League war sie überhaupt wieder in die Top-Division gelangt, nachdem sie abgestiegen war.

Quelle: ntv.de

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