Saturiert? Erfolgreich und schön! DFB institutionalisiert mit Löw die Revolution
31.10.2016, 14:29 Uhr
Sieht so ein Revoluzzer aus? Joachim Löw.
(Foto: dpa)
Bundestrainer Joachim Löw leitet auch in den nächsten vier Jahren die Geschicke der Fußball-Nationalelf. Ob das eine gute Idee ist? Schließlich liegt es nahe, es sich bequem zu machen und auf dem Erreichten auszuruhen.
In Mexiko gibt es die Partei der Institutionalisierten Revolution. Sie vereinigt nicht nur zwei Widersprüche in ihrem Namen, sie regierte das Land unvorstellbare 71 Jahre lang, von 1929 bis 2000. Bis dahin stellte sie alle Präsidenten. Seit 2012 tut sie es wieder. So weit, dass sie eine Revolution institutionalisieren wollen, sind sie beim Deutschen Fußball-Bund noch nicht. Aber der DFB ist auf einem guten Weg und hat nun das verkündet, was am Wochenende bekannt geworden war: Er verlängert den Vertrag mit Bundestrainer Joachim Löw vorzeitig um zwei Jahre bis 2020.
Nun stellt sich die Frage, ob das eine gute Idee ist. Also: Ist das eine gute Idee? Zunächst einmal: Löw hat tatsächlich den Fußball der deutschen Nationalelf revolutioniert, ihn in seinen Fundamenten erneuert; erst als Assistent Jürgen Klinsmanns, dann seit 2006 als Chef. Selten zuvor hat ein DFB-Team so schön, attraktiv und gleichzeitig so erfolgreich gespielt. Stets erreichte seine Mannschaft bei Turnieren das Halbfinale. Und als die Kritiker immer lauter bemängelten, er sei keiner, der Titel gewinnen könne, gewann er 2014 in Brasilien die Weltmeisterschaft. Seitdem gilt er als unantastbar, die Kritiker verstummten, weil es nur noch wenig zu kritisieren gibt. Um eine Revolution geht es längst nicht mehr. Sondern darum, die Mannschaft auf hohem Niveau so zu entwickeln, auf das sie bei der WM 2018 in Russland den Titel erfolgreich verteidige und dann auch bei der EM 2020 auftrumpfe.
Wer soll's denn machen?
Nun ist es - wie im richtigen Leben und in der Politik - auch im Sport so, dass es verlockend erscheint, sich auf dem Erreichten auszuruhen, eine gewisse Saturiertheit zu entwickeln und sich darauf zu beschränken, die Macht zu erhalten anstatt Neues zu entwickeln. Seine Treue zu altgedienten Spielern hat Löw sich oft genug vorwerfen lassen müssen, ebenso seine eher geringe Neigung, mit Talenten in der Startelf ernsthaft etwas zu riskieren und der Jugend auch dann eine Chance zu geben, wenn's drauf ankommt. Nur: Er ist mit seinem Weg erfolgreich.
Die deutsche Mannschaft hat im Sommer bei der EM in Frankreich das Halbfinale gegen die Gastgeber nicht verloren, weil er wieder einmal Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger mitgenommen hat. Und wer die Mannschaft jüngst beim lockeren 3:0 gegen Tschechien sah, der kann getrost davon ausgehen, dass der Bundestrainer mit diesen und mit den Spielern, die verletzt fehlten, auch bei der WM 2018 Erfolg haben wird. Es wirkt stets ein wenig kleingeistig, eine Entscheidung als alternativlos zu bezeichnen. Daher zwei Gegenfragen: Wer soll's denn machen? Und was sollte er besser machen als Löw? Eben.
Kurzum: Es ist eine gute Idee des DFB, bis mindestens 2020 mit dem Bundestrainer zu arbeiten, der ihm so viel sportlich Gutes gebracht hat. Ist der Verband doch nach der immer noch nicht aufgeklärten Affäre um die WM 2006 in Deutschland arg in Misskredit geraten. Eine gute Idee ist das nicht zuletzt für Löw, der sich mit seinen 56 Jahren dem Anschein nach nichts Schöneres vorstellen kann, als die wichtigste Fußballmannschaft des Landes zu trainieren. Sich bei einem Klub zu versuchen und an kurzfristigen Erfolgen messen lassen zu müssen, das ist nichts, was er anstrebt, wie er jüngst sagte. Dann lieber die Revolution verwalten. Und bis zu mexikanischen Verhältnissen sind es Stand heute ja auch noch 61 Jahre hin.
Quelle: ntv.de