Rangnicks harte United-Mission Dank Ronaldo droht "Desaster-Gefahr"
30.11.2021, 14:47 Uhr
Cristiano Ronaldo hat dieser Tage keine gute Laune.
(Foto: imago images/Sportimage)
Ralf Rangnick wird in England als "Held der Hipster" empfangen. Doch droht ein Streit mit Cristiano Ronaldo, der nicht ins System des Gegenpressing passt. Der Portugiese muss am Sonntag schon von der Bank starten - dabei will er mal wieder die "Geschichtsbücher des Weltfußballs" neu schreiben.
Cristiano Ronaldo war sauer. Aber so richtig. "Lüge" und "absolute Respektlosigkeit", schimpfte der Weltstar. Ist CR7 etwa das wenig schmeichelhafte, fünf Jahre alte Zitat seines neuen Trainers Ralf Rangnick zu Ohren gekommen, er sei "zu alt"? Nein, der Topstürmer von Manchester United echauffierte sich über eine Indiskretion von Pascal Ferre, dem Organisator des Ballon d'Or. Zu Rangnick gab es von ihm bisher: kein Wort. Dabei stellt sich ganz Fußball-England die Frage: Rangnick und Ronaldo - geht das gut?
"Wie wird Rangnick mit Ronaldo umgehen? Können sie zusammenarbeiten?", fragte die BBC bang. Die Manchester Evening News flehten: "Rangnick muss es einfach mit Ronaldo hinkriegen." Der "Guardian" schrieb: "Was Rangnick mag: Teamspiel, Theorie, tote Genies aus der Sowjet-Ära. Was er nicht mag: Egos, Stars, Ineffizienz." Es sei "einfach, die Desaster-Gefahr zu erkennen".
Vor allem wegen Ronaldo. Der ist zwar auch mit 36 Jahren noch einer der weltbesten Torjäger, aber nicht gemacht für Rangnicks Pressing-Stil. Als der große Portugiese im Topspiel beim FC Chelsea am Sonntag (1:1) auf der Bank saß, schrieb Klub-Ikone Gary Neville dies bereits dem Einfluss von Rangnick zu, der seinen Job erst in dieser Woche antritt. Interimscoach Michael Carrick wies dies zurück, doch das Thema beschäftigt Medien wie Experten weiter.
Stellt Rangnick das System über Ronaldo?
In der Live-Sendung von Sky lieferten sich die Ex-Profis Roy Keane und Jamie Carragher ein im Netz millionenfach geklicktes Wortgefecht. "Er presst nicht", sagte Ronaldo-Kritiker und Liverpool-Legende Carragher spitz. Der frühere United-Kapitän Keane erwiderte aufgebracht, Ronaldos Wert bemesse sich nicht an dessen Laufleistung. "Er presst seit vier, fünf, sechs Jahren nicht!" Aber er trifft. Und sei "nicht zurückgekommen, um auf der Bank zu sitzen".
Doch ist er für den "Ralfball" ("Evening News") des "Hipster-Helden" Rangnick ("Sun") überhaupt geeignet? Der Deutsche, glaubt der "Guardian", sei "in erster Linie Ideologe". Soll heißen: Rangnick stellt das System über den Einzelnen, und sei dieser ein Weltstar. United, hielt das Hausblatt "Evening News" dagegen, "hätte Rangnick nicht geholt, wenn er Ronaldo aus dem Verkehr ziehen wollte".
Der Experte und Ex-Profi Mark Lawrenson meinte, Ronaldo könne vom neuen Chef sogar profitieren - und noch häufiger treffen. Zunächst trieb den Torjäger aber der Ballon d'Or um. Dass er als Sechster erstmals seit 2010 die Top 3 verpasste - geschenkt. Vielmehr brachte ihn eine Behauptung des Chefredakteurs von "France Football" auf die Palme. Ronaldo höchstselbst habe ihm verraten, sein einziges Ziel sei mehr Goldene Bälle zu gewinnen als sein ewiger Rivale Lionel Messi, erzählte Ferre den "New York Times". "Gelogen", zeterte Ronaldo in einem vor Wut triefenden Instagram-Beitrag.
Ein Ort ohne Prozess
"Mein größtes Ziel ist es, meinen Namen in goldenen Buchstaben in die Geschichtsbücher des Weltfußballs zu schreiben", meinte er. Daher gelte sein ganzer Fokus "dem nächsten Spiel". Rangnick könnte das gerne hören. Er sei laut des "Guardian" gerade nicht besessen "von Pokalen oder Trophäen". Dem Coach ginge es stattdessen um "Formen, Räume und Systeme". Die Frage bleibt, ob Ronaldo in Rangnicks System passt.
Aber auch an einer anderen Front drohten laut der Zeitung Probleme. "Was ist das Schlimmste, was man mit Rangnick machen kann?", fragt der "Guardian". "Wie wäre es, ihn mitten in der Saison in einen Rettungsjob bei einem hysterisch hungrigen Klub zu stürzen, der von seiner eigenen Marketingabteilung besessen ist?" Kann Rangnick - der Entwickler, der Taktiker - in einem halben Jahr überhaupt etwas ausrichten in Manchester?
Auch Ronaldo und Co. könnten sich sagen, dass ja in der nächsten Saison ohnehin wieder ein neuer Trainer mit einem neuen Spielstil an der Seitenlinien steht. Der dann sechste in achteinhalb Jahren. "Willkommen, Mr. Prozess, an einem Ort, an dem es keinen Prozess gibt", empfängt der "Guardian" Ralf Rangnick ironisch. "Und jetzt an die Arbeit."
Quelle: ntv.de, dbe/sid