Fußball

Nach dem "Wahnsinn" gegen Werder Der BVB bereitet Bosz' Rauswurf vor

Es wird eng für BVB-Trainer Peter Bosz ist nach der Pleite gegen Bremen wohl ziemlich untertrieben.

Es wird eng für BVB-Trainer Peter Bosz ist nach der Pleite gegen Bremen wohl ziemlich untertrieben.

(Foto: imago/DeFodi)

Nach der dritten Heimniederlage binnen weniger Wochen treffen sich BVB-Geschäftsführer Aki Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und der Mannschaftsrat zur Krisensitzung. Danach sickert durch, dass der Trainer gehen muss

Bereits vor Anpfiff der Bundesliga-Partie gegen Werder Bremen wurde die tiefe Verzweiflung, die vom börsenorientierten Fußballunternehmen Borussia Dortmund Besitz ergriffen hat, in Worte gekleidet. Und zwar von Norbert Dickel. Der Stadionsprecher hauchte mit zitternder Stimme in sein Mikrofon, "wir müssen versuchen, dieses Spiel irgendwie zu gewinnen". Wohlgemerkt, der BVB traf am 15. Spieltag im eigenen Stadion auf den dato noch Vorletzten der Tabelle. Gegen den Kontrahenten von der Weser hatte die Borussia die letzten zehn Heimspiele in Serie gewonnen.

Und doch regierte die blanke Angst im Revier, weil irgendeine geheime Macht im beginnenden Herbst schon vor etlichen Wochen den Stecker gezogen hat und die Mannschaft seitdem wie in Trance vor sich hintaumelt. Selbst gegen den Lieblingsgegner ist es nicht gelungen, einer Krise zu trotzen, die immer dramatischere Züge annimmt. Zweieinhalb Jahre lang blieben die Dortmunder ohne Heimniederlage, um sich nun vor eigenem Publikum innerhalb weniger Wochen gleich drei Mal geschlagen geben zu müssen: Zuerst gegen Leipzig, dann gegen die Bayern und nun gegen Werder.

Nach der 1:2 (0:1)-Niederlage gegen den ehemaligen Lieblingsgegner, bei der die Dortmunder vor allem in der ersten Halbzeit eine unterirdische Leistung boten, zogen sich die BVB'ler zunächst kollektiv in ihre Kabine zurück, um das Versagen zunächst einmal intern aufzuarbeiten. Schließlich trat Kapitän Marcel Schmelzer vor die Mikrofone und fand mehr als deutliche Worte: "Was wir heute geboten haben, ist eine absolute Frechheit", polterte der Verteidiger, "das ist ja Wahnsinn. Wir verkünden tagelang, dass wir gegen Werder Bremen die Wende schaffen wollen und liefern dann so eine Leistung ab. Die Leute draußen müssen doch denken, der labert doch immer das Gleiche."

Schmelzer stellt sich vor den Trainer

Schmelzer stellte niemanden anderen als sich und seine Mitspieler an den Pranger, über Peter Bosz mochte er auch nach mehrfacher Nachfrage explizit kein Wort verlieren. Und doch wird die immer dringlichere Kritik öffentlich natürlich auf den Trainer projiziert. Noch am Samstagabend trafen sich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und der Mannschaftsrat mit Schmelzer, Nuri Sahin und Marco Reus in der Geschäftsstelle zu einer Krisensitzung. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge wurde dort beschlossen, den Holländer nicht einmal ein halbes Jahr nach seiner Einstellung zu entlassen. Am Sonntagvormittag, so hieß es auch, werde die Trennung verkündet. Für 12 Uhr ist eine Pressekonferenz angesetzt. Wer in Mainz auf der Bank sitzt, sickerte indes nicht durch.

Sämtliche Ankündigungen des Dortmunder Führungsduos, die Krise mit Bosz zu bewältigen und den Turnaround mit diesem Trainer zu schaffen, sind damit Makulatur. Am Donnerstag hatte Watzke nach der Niederlage in Madrid vor dem Rückflug den Medienvertretern noch forsch verkündet, die Trainerdiskussionen "das ist doch Euer Thema", nun müssen Zorc und er sich vorwerfen lassen, mit dem Ziehen der Reißleine zu lange gewartet zu haben.

Vor allem die erste Halbzeit gegen Bremen offenbarte schonungslos, wie tief sich der BVB in den Schlamassel manövriert hat. Tempo? Kreativität? Leidenschaft? Raffinesse? Fehlanzeige! Kein einziger Torschuss und auch sonst nichts, was irgendwie nach gepflegtem Fußball aussah. Für Bosz war es "das Schlechteste, was ich gesehen habe, seit ich hier bin. Das kann man nicht erklären." Der 54-Jährige wirkte bei seiner wohl letzten Pressekonferenz in Diensten des BVB wie immer ruhig und gefasst, doch die Worte, die er fand, klangen, als glaube er nicht mehr an eine Zukunft im Revier. "Ich bin der Verantwortliche dafür, wenn die Mannschaft so spielt. Die Chefs haben schon sehr lange Geduld."

Zu hohes Risiko?

Die ist nun aufgebraucht. Wochenlang wurde in Dortmund darüber diskutiert, ob das von Bosz propagierte Offensivsystem mit einer weit vorn agierenden Abwehrreihe zu risikobehaftet sei. Längst hat sich der Trainer bewegt, inzwischen agiert der BVB defensiver und versucht, sicher zu stehen, was ihm allenfalls leidlich gelingt. Im Vorwärtsgang verwaltet ein mit Edeltechnikern gespicktes Ensemble dagegen nur noch das Spiel und offenbart dabei eine erschreckende Leblosigkeit.

Mittlerweile, so scheint es, ist die Patientin Borussia ein Fall für die Couch. Die Spieler und alle, die sie begleiten, irren nur noch umher beim Versuch, das Rätsel zu lösen, wo die spielerische Leichtigkeit hin ist, mit der dieses Team zu Saisonbeginn an die Tabellenspitze gestürmt ist. Wie hilflos die Versuche sind, den freien Fall zu stoppen, offenbarten die Aussagen von André Schürrle nach der Niederlage gegen Bremen. "Wir brauchen Spieler, die mutig vorangehen, scheißegal, was besprochen wurde", verkündete der Weltmeister mit trotzigem Blick. Auf die Frage, wer das sein könne, antwortete er: "Das muss sich rauskristallisieren." Es eine vielsagende Analyse, die das Dilemma des BVB ziemlich gut zusammenfasst, mit dem sich nun der Nachfolger von Bosz konfrontiert sieht: Eine Woche vor Beginn der Winterpause gibt es in der Mannschaft von Borussia Dortmund offensichtlich keine Hierarchie.

Quelle: ntv.de

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