Fußball

"Das ist einfach scheiße!" Der FC Bayern sucht Plan B

Rekordmeisterliche Tristesse in Leverkusen: Bayern-Finanzchef Karl-Heinz Hopfner erleidet einen Melancholieschub, Präsident Uli Hoeneß albträumt mit offenen Augen,

Rekordmeisterliche Tristesse in Leverkusen: Bayern-Finanzchef Karl-Heinz Hopfner erleidet einen Melancholieschub, Präsident Uli Hoeneß albträumt mit offenen Augen,

(Foto: REUTERS)

Während Dortmund mit meisterlicher Spielwut die Liga dominiert, verzweifelt der FC Bayern an sich selbst. Die Mannschaft ist verunsichert und zerstritten. Der Trainer hat die Ruhe weg, aber keine Lösung gegen die Ergebniskrise. Und den Klub-Bossen geht es wie dem Team: Wenn es nicht so läuft, wie erwartet, fehlt ein Plan B. Und im Moment läuft es gar nicht.

Sieben Punkte Rückstand auf Borussia Dortmund nach 24 Spieltagen sind schlimm. Noch schlimmer ist für den FC Bayern, dass in München keiner weiß, wie es in Herrgottsnamen dazu kommen konnte. In die Saison ist der Rekordmeister mit einem simplen Matchplan gestartet, bei dessen Vollendung ganz sicher die Rückeroberung des Meistertitels vom BVB stehen würde. Und das mit einer Innovation: Nachdem die Bayern dem deutschen Fußball in Person von Toni Kroos bereits den Zwischenspieler beschert haben, bereicherten sie ihn im Sommer noch um den Zwischentrainer. Jupp Heynckes, praktischerweise auch enger Freund von Präsident Uli Hoeneß und jeglicher Disharmonie unverdächtig, sollte den Münchnern nach einer stressigen Saison zwei unaufgeregte, titelreiche Jahre bescheren. Vor dem erneuten Neuaufbau.

Um dem Zwischentrainer Heynckes die Arbeit zu erleichtern, wurden ihm mit Manuel Neuer noch der beste deutsche Torwart in den Kasten gestellt und mit Jerome Boateng und Rafinha zwei der besseren Verteidiger in der Bundesliga in die Abwehr. Das alles klappte zwischendurch so gut, dass öffentlich schon über eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Heynckes spekuliert wurde. Der FC Bayern mutierte zu einem "Hort der Glückseligkeit" (Hoeneß). Und damit immer noch nicht genug: Der Herbstmeisterschaft vor dem BVB mit drei Punkten Vorsprung folgte das "beste Trainingslager aller Zeiten" (Heynckes).

Dann kam der Rückrundenstart. Der erste Einbruch, der zweite, die Krise. Und die Ratlosigkeit.

"Jetzt ist unser Kopf kaputt"

"Das ist einfach scheiße! Letzte Woche waren nach dem 2:0 gegen Schalke alle glücklich. Jetzt ist unser Kopf kaputt", jammerte Franck Ribery nach dem unnötigen 0:2 in Leverkusen am Samstag in der "Bild"-Zeitung. Es ist ja eine Sache, dass Meister Dortmund nach schleppendem Saisonstart erst angefangen hat, nicht mehr zu verlieren, und inzwischen nur noch gewinnt. Die andere Sache ist, dass dem FC Bayern das nicht mehr gelingt. Vor allem auswärts läuft nichts mehr zusammen - und keiner weiß warum.

Die Begeisterung über die Hinrunde ist längst verflogen. Die perfekte Rückrundenvorbereitung in Doha? Als Fata Morgana entlarvt. "Mia san mia"? Derzeit wohl eher ein "mia san ratlos". Und vor allem: "Mia san koa Mannschaft." "Wir haben die besten Einzelspieler", hat Toni Kroos im "Kicker"-Interview wohl ungewollt doppeldeutig gesagt. Eine Einheit sind diese Spieler auf dem Platz nicht.

Zwistigkeiten und seltene Patzer

Im Blindflug, mal wieder: Manuel Neuer verpasst gegen Leverkusen den Ball, kurz darauf fällt das 1:0 für die Gastgeber.

Im Blindflug, mal wieder: Manuel Neuer verpasst gegen Leverkusen den Ball, kurz darauf fällt das 1:0 für die Gastgeber.

(Foto: REUTERS)

Hinzu kommt: Thomas Müller streitet sich in aller Öffentlichkeit mit Jérome Boateng. Mario Gomez trifft nicht mal mehr das leere Tor. Arjen Robben glänzt nur im Nationaltrikot und gibt die Schuld dafür dem Verein. Torhüter Manuel Neuer hält mal überragend, leitet dann aber auch Niederlagen ein, wie beim Rückrundenbeginn in Gladbach, wie nun in Leverkusen. Das Fatale an den seltenen Neuer-Patzern ist: Ein Gegentor reicht, und der Rekordmeister fällt fast auseinander. Achtmal gerieten die Bayern in dieser Saison mit 0:1 in Rückstand, gewonnen haben sie danach nur einmal.

"Mia san mia" - im Augenblick verkörpert es kein Spieler. Kapitän Philipp Lahm, ohnehin seit längerer Zeit nicht mehr der Weltklasseverteidiger, für den er sich hält, wirkt in seiner Rolle völlig überfordert: Ein Anführer auf dem Platz, dort wo es zählt, ist er jedenfalls nicht. Allzu offensichtlich wird nun: Der FC Bayern hängt mehr von Bastian Schweinsteiger ab, als ihm lieb sein mag. Zumindest auf dem Platz fehlt er als Stratege, als Schwungrad, als die Klammer, die das Münchner Spiel zusammenhalten könnte.

Keine Patronen mehr im Gurt

Die Verantwortlichen scheinen ihr Pulver bereits verschossen zu haben. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende, hat sich die Mannschaft nun schon zweimal zur Brust genommen. Erst vor, dann nach dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Basel (0:1). Doch "aus der Scheiße" hat sich der FC Bayern nicht herausgespielt. Präsident Hoeneß lenkte in gewohnter Münchner Manier von den Problemen ab, indem er willkürlich die Schiedsrichter angriff oder die Medien. Es hat nichts genutzt.
 

Auch der Trainer, dem die Bosse noch im Spätherbst eine Art Vertrag auf Lebenszeit anboten, wirkt derzeit verbraucht. Als Moderator der Krise macht er noch immer eine ganz gute Figur. Die Mannschaft aber, mit der er sich anfangs und bis Weihnachten prima verstand, scheint Heynckes irgendwie zu entgleiten. Transfers im Winter lehnte er ab, eine Stammformation hat er seit dem Ausfall von Schweinsteiger nicht. Im Mittelfeld wird munter gewechselt, am System hält er stur fest, seine Ein- und Auswechslungen sind mitunter fragwürdig.

Auf Kunst folgt Krampf

Ratloser Zwischentrainer: Jupp Heynckes und seine Mannschaft funktionieren im Moment nicht mehr.

Ratloser Zwischentrainer: Jupp Heynckes und seine Mannschaft funktionieren im Moment nicht mehr.

(Foto: dpa)

In der glorreichen Vorrunde hatte derselbe Heynckes den "Fußball noch zur Kunst erhoben", wie sein Kumpel Hoeneß bei bis zu acht Punkten Vorsprung auf Dortmund verkündet hatte. Jetzt wirkt Heynckes zunehmend ratlos im Umgang mit einer divenhaften Startruppe, die gerade auswärts unerklärlich schwächelt und in einem unerklärlichen "Eine Woche gut und eine Woche schlecht"-Rhythmus (Thomas Müller) lebt. Heynckes sagte am Samstag: "Als Verlierer hast du keine Argumente."

Er wird aber ein paar finden müssen. Ebenso wie die Vorständler und der Präsident, die seltsam gelähmt wirken. Ihnen ergeht es wie der Mannschaft in fremden Stadien, sie hat keinen Plan B. Der feine Matchplan für die Saison, mit Zwischentrainer Heynckes werde schon alles gut, läuft momentan ins Leere. In München stellen sie schockiert fest, dass die Wirkung des vermeintlichen Allheilmittels überraschend nachlässt.

Die Lage ist kritisch. Die Meisterschaft ist noch nicht verloren, aber vorerst kein Thema mehr. Am 13. März kommt der FC Basel zum Champions-League-Rückspiel nach München mit einem verdienten 1:0 im Gepäck. Am 21. März geht's wieder nach Gladbach, DFB-Pokal, Halbfinale. Zu "gegebener Zeit", gab Sportdirektor Christian Nerlinger am Samstag zu verstehen, "werden wir mit dem Trainer über die Lage reden." Wenn nicht jetzt, wann dann?

Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa

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