Weltpotenzialtrainer Terzic Der Guardiolakloppflick des BVB
15.12.2020, 16:09 Uhr
Sieht gar nicht aus wie ein Guardiolakloppflick
(Foto: imago images/PA Images)
BVB-Fan Edin Terzic will seinen Herzensklub Borussia Dortmund zurück zu alter Stärke führen und seine Chance als Chefcoach in der Fußball-Bundesliga nutzen. Und schon vor seinem ersten Spiel als Chef werden übergroße Hymnen gesungen.
Man muss die Fußballer Olcay Sahan und Michael Erzen nicht unbedingt kennen. Denn man kann jetzt nicht sagen, dass sie ihre Sportart in Deutschland besonders nachhaltig geprägt haben. Es lohnt sich allerdings, den Fußballern Olcay Sahan und Michael Erzen zuzuhören. Denn sie haben zum wuchtigsten (Fußball)-Thema dieser Woche so einiges beizubringen. Denn Olcay Sahan und Michael Erzen kennen den Mann sehr gut, der sich nun um das Wohl des zweitmächtigsten Fußball-Klubs des Landes kümmern muss. Sie kennen Edin Terzic, den neuen Trainer von Borussia Dortmund. Nach dem überraschend spontanen Aus von Lucien Favre rückt der 38-Jährige nun zum Chef auf.
Besonders ungewöhnlich ist so etwas freilich nicht. In dieser Saison hat der FSV Mainz 05 diesen Schritt bereits vollzogen. Nicht ganz so erfolgreich indes wie der FC Bayern in der vergangenen Saison, als Hansi Flick sich in der Dunkelheit der großen Namen zum groß bestaunten Titelhamster phänomenisierte. Und natürlich gibt es die ersten, die bereits diese Parallele aufmachen. Was der FC Bayern kann, das könnte auch dem BVB gelingen. Die "Süddeutsche Zeitung" verweist bei diesem Parallelkonstrukt allerdings auf ein paar zarte Besonderheiten in den unterschiedlichen Lebensläufen. Der eine (Flick) war Weltmeister-Assistenzcoach, der andere (Terzic) Co-Trainer unter Favre und Slaven Bilic. Heißen muss das alles selbstverständlich nichts.
Sportdirektor Michael Zorc bezeichnet Terzic als "ausgewiesenen Fachmann, der ein super Gespür für die Zusammenarbeit mit den Jungs hat" und verpackte in das Lob für den Neu-Trainer dann noch einen nicht besonders gut versteckten Seitenhieb auf Favre. Terzic bringe nämlich auch "die nötige Emotionalität" mit, "die man bei Borussia Dortmund braucht". Terzic selbst sagt über sich, dass er "ein Produkt von Borussia Dortmund" und "seit Ewigkeiten Fans des Vereins" ist. Er spricht viel über Leidenschaft und Liebe, das mögen sie im Ruhrpott. Favre kam vielen dagegen immer ein bisschen kühl und zu analytisch daher.
Flexibler Anarchismus
Um zu wissen, was die Borussen sich da nun überlegt haben, versucht man alles aufzusaugen, was dieser Quasi-No-Name so alles ist. Ein möglicher Hansi Flick offenbar vielleicht, ein Mini-Klopp (Anmerk. d. Red.: Jürgen Klopp ist noch immer der emotionale Prototyp der Borussia) auf jeden Fall. "Er ist schon so ein Typ. Mit der Art und Weise von Lucien Favre hat er nichts am Hut" befindet Erzen im "Reviersport". Beide kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Westfalia Herne. "Ich will diese Art nicht schlecht reden, aber Edin ist ein komplett anderer Typ. Wahrscheinlich musste er sich unter Favre auch ein wenig zurückhalten. Ich kann mir vorstellen, dass es in ihm sehr brodelte."
Nun, das mag wohl sehr richtig sein. Denn in seiner ersten Pressekonferenz als Chef am Montag sagte er in herrlicher Einfachheit über seinen Spielansatz: "Es gibt zwei Arten, wie man ein Fußballspiel gewinnen kann: Zu versuchen, ein Tor weniger zu kassieren als der Gegner. Ich bin aber eher dafür, dass wir ein Tor mehr schießen als der Gegner." Fußball als Spektakel, Fußball als Rock'n'Roll. Das wäre sehr viel Jürgen Klopp.
"Das nächste große Ding imTrainergeschäft"
Ein Mann des alternativlosen Power-Anarchismus ist er allerdings nicht, vielmehr steckt auch ein bisschen des Josep Guardiola'schen Flexibilitätswahnsinn in ihm. Das erklärt Olcay Sahan, ebenfalls dem "Reviersport". Sahan, der Terzic als Co-Trainer bei Besiktas Istanbul erlebt hatte, sagt: "Edin hat eine ganz andere Sichtweise als die meisten Trainer. Jedes Spiel ist für ihn ein anderes Spiel. Ein Beispiel: Wir haben bei Besiktas oft in einem 4-3-3-System agiert, doch dieses wurde immer umgeswitcht, wenn es nicht zum Gegner gepasst hat - auch wenn es viele Leute und Fans verwunderte." Der Trainer, so Sahan, kannte alle Schwächen des Gegners. Und nutzte diese aus. Als Co traf er bereits chefige Ansagen.
Es ist schon erstaunlich, welche Hymnen auf den neuen Mann gesungen werden, ehe er erstmals offiziell als Boss auftritt - einmal hatte er Favre in Abwesenheit bereits vertreten. Am Abend wird er bei Werder Bremen sein Debüt geben, er wird womöglich mit dem Startelf-Debüt von Supertalent Youssoufa Moukoko überraschen (was Favre scheute). Ungeachtet dessen, was dabei herauskommt, ungeachtet dessen, dass er vorerst als Übergangslösung eingeplant ist, sagen jene Fußballer, die ihn so gut kennen, ihm eine Top-Karriere voraus.
Sahan sagt: "Für mich ist es sehr gut vorstellbar, dass er der Trainer der nächsten Jahre bei Borussia Dortmund sein wird. Er bringt einfach alles mit, um zu den besten Trainern Europas oder der Welt zu gehören." Erzen sagt: "Ich weiß, dass jetzt schon in Dortmund über Marco Rose ab Sommer 2021 spekuliert wird. Aber ich weiß auch jetzt schon, dass der BVB ein Dilemma haben wird, weil Edin ein super halbes Jahr hinlegt." Und Bilic sagt: "Ich bin mir sicher, er wird das nächste große Ding im europäischen Trainergeschäft."
Quelle: ntv.de, tno