Flicks Neulinge im Schnellcheck Der neue Großkreutz und ein Bayern-Schreck
17.03.2023, 16:53 Uhr
Ein Gesicht des Dortmunder Aufschwungs: Marius Wolf.
(Foto: REUTERS)
Bundestrainer Hansi Flick lässt seinen Ankündigungen Taten folgen und nominiert für die ersten Länderspiele nach der herben WM-Enttäuschung von Katar gegen Peru (25. März) und Belgien (28. März) frische Kräfte für die deutsche Nationalmannschaft. Die Neuen müssten keine "klaren Stammspieler" im Verein sein, hatte Flick vorab betont. Wichtig sei "das Potenzial, uns auf einer bestimmten Position mittelfristig weiterzuhelfen". Mit dem Augsburger Stürmer Mergim Berisha ist ein treffsicherer Neuner dabei, mit Marius Wolf ein Mentalitätsriese des auferstandenen BVB. Aus der Premier League, von Überraschungsteam FC Brentford, holt Flick ein Talent in den Kader, das mittelfristig eine Schlüsselposition besetzen könnte. Die Neulinge im Kurzporträt.
Mergim Berisha (24 Jahre, FC Augsburg): Der gebürtige Berchtesgadener kommt mit einer erstaunlichen Bilanz zur Nationalmannschaft. Viermal hat er gegen den FC Bayern gespielt, fünf Tore hat er dabei geschossen. Es gibt wohl kaum einen Spieler, der solch eine herausragende Statistik (ja, es sind nur vier Spiele) vorzuweisen hat. Und in München erkennen sie durchaus an, was Berisha zu leisten in der Lage ist. "Er ist vor der Kiste sehr gut", lobte etwa Sportvorstand Hasan Salihamidžić in bestem Fußballersprech. Eine Qualität, die Deutschland unbedingt gut gebrauchen kann. Denn die Effizienz ist seit Jahren ein Thema. Ebenso die Suche nach einem klassischen Neuner, der sich in die große Stürmertradition des DFB einreiht. Mit Niclas Füllkrug hatte in Katar schon ein Kandidat vorgesprochen, allerdings ist der Bremer bereits 30 Jahre alt und damit bestenfalls "nur" noch ein Mann für die mittelfristige Planung.
Berisha hat trotz seines jungen Alters bereits einen wilden Karriereweg mit zahlreichen Leihen hinter sich. Bei RB Salzburg ausgebildet, sammelte er bei verschiedenen Vereinen in Österreich Spielpraxis und war einst auch für den 1. FC Magdeburg aktiv, doch kam er dort nicht über 18 Minuten verteilt auf fünf Spiele hinaus. Die Zahlen bei den anderen Stationen in seiner Vita sind durchaus beeindruckender: Bei RB erzielte er in 58 Spielen 24 Tore und legte 15 weitere auf. Bei Fenerbahçe, von wo er derzeit an Augsburg verliehen ist, waren es acht Treffer und drei Vorlagen in 32 Spielen. Und in der Bundesliga steht er aktuell bei einer Ausbeute von 8 und 4. Zwei seiner Tore machte vor einer Woche in München vor den Augen von Flick bei der wilden 3:5-Pleite der Augsburger. Sein Trainer Enrico Maaßen sieht in ihm einen "außergewöhnlichen Abschlussspieler".
Marius Wolf (27 Jahre, Borussia Dortmund): Vor der WM-Pause lag der BVB am Boden, hatte sich öffentlich aus dem Kampf um die Deutsche Meisterschaft verabschiedet. Doch dann gelang Erstaunliches. Die Dortmunder gewannen Spiel um Spiel, außer das Revierderby zuletzt gegen den FC Schalke 04 (2:2), und robben sich im Schatten einer kleinen Schwäche des FC Bayern wieder heran. Dieser Aufstieg hat viele Gesichter. Unter anderem das von Julian Brandt, der sicher auch im Kader gewesen wäre, hätte er sich beim bitteren Champions-League-Knockout beim FC Chelsea nicht früh verletzt. Ein anderes Gesicht ist eben Wolf. Der polyvalente Dauerläufer. Im System von Trainer Edin Terzić funktioniert er plötzlich perfekt. Ist mit seiner Gier und seiner Mentalität wichtig für das Funktionieren der Mannschaft. Als Rechtsverteidiger scheut er keinen Zweikampf und geht als gelernter Offensivspieler immer wieder mutige Wege mit nach vorne, sucht dabei auch den Abschluss. Der ist aber, eine seiner Schwächen, oft ebenso überhastet wie seine Flanken.
Einen solchen Spieler hat Flick nicht im Kader. Joshua Kimmich ist seine Verlegenheitslösung für die rechte Seite. Verlegen, weil er im Zentrum eigentlich gesetzt und für den Bundestrainer unverzichtbar ist. Mit Wolf bekommt er nur einen unermüdlichen Mann, der beim BVB immer mehr zur Kultfigur wird. Wie einst Kevin Großkreutz, der nur im System von Jürgen Klopp funktionierte und es so in den WM-Kader 2014 schaffte. Danach ging es für den Kultstar sportlich nur noch bergab. Mittlerweile genießt er das Amateur-Dasein beim TuS Bövinghausen. Wolfs Weg läuft dagegen antizyklisch zu dem von Großkreutz. Einst bei Eintracht Frankfurt gefeiert und sogar auch ein Kandidat für die WM 2018, kam er danach auch wegen zahlreicher Verletzungen nicht auf die Beine. Das hat sich geändert, auch eine Herz-OP im Winter brachte ihn nicht aus der Spur.
Kevin Schade (21 Jahre, FC Brentford): Dieser Spieler ist ein echtes Phänomen und passt perfekt in das Profil des experimentierfreudigen Flick. Schade eilt der Ruf eines riesigen Talents voraus. Deswegen ließ sich der Klub aus der Premier League die Dienste im Winter auch bis zu 25 Millionen Euro kosten. Schade kam vom SC Freiburg, wo er, auch wegen Verletzungen, nie zur absoluten Stammkraft aufgestiegen war. Auch in Brentford ist er noch weit weg davon. Am Mittwochabend, beim 2:0-Sieg gegen den FC Southampton stand er erstmals in der Startelf, in seinem siebten Liga-Einsatz für die "Bees". Eine gute Woche zuvor hatte er erstmals Zählbares geliefert. Beim 3:2 gegen Fulham steuerte er einen Assist bei.
Sein deutscher Teamkollege Vitaly Janelt, selbst immer wieder Kandidat für eine Berufung, sagte dem "Kicker" vor wenigen Tagen über Schade: "Für mich muss er bei unserer Spielweise, die auch auf schnelles Umschalten und Konter ausgelegt ist, in jedem Spiel mindestens 20 bis 30 Minuten reinkommen. Er kann mit seiner Schnelligkeit jedes Mal etwas bringen." Wie gut er sein kann, hat er bereits in der U21-Nationalmannschaft angedeutet. In fünf Spielen traf er viermal. Durch sein Tempo kann er auf den Flügeln spielen, wegen seiner Kopfballstärke soll er bei den "Bees" aber auch zu einer echten Nummer neun aufgebaut werden.
Felix Nmecha (22 Jahre, VfL Wolfsburg): Einen Nmecha in der Nationalmannschaft zu sehen, ist nicht neu - Felix hatte seinen großen Bruder Lukas als Vorbild. Der hat bereits sieben Länderspiele absolviert, tiefe Spuren dabei allerdings noch nicht hinterlassen. Derzeit ist er verletzt. Felix Nmecha hingegen steht erstmals im A-Kader. Der 22-Jährige, geboren in Hamburg, ist ein vielseitiger Offensivspieler, der auch schon seinen ersten Shitstorm hinter sich hat: Er teilte bei Instagram ein transphobes Video eines amerikanischen Rechtspopulisten. Nach heftiger Kritik erklärte er dies mit seinem christlichen Glauben.
Josha Vagnoman (22 Jahre, VfB Stuttgart): Bruno Labbadia musste sich zuletzt mehrfach erklären - denn der VfB-Trainer lässt auf der rechten Abwehrseite lieber den Innenverteidiger Waldemar Anton spielen als Josha Vagnoman, der für diese Position ausgebildet wurde. Denn Vagnoman, kompletter Vorname Josha Mamadou Karaboue, so argumentiert Labbadia, habe "einen großen Teil der Vorbereitung nicht mitmachen können". Allerdings, sagt er, sei der Rechtsverteidiger "im Kommen. Er ist stabil. Das ist gut". Hansi Flick hatte wohl auch seinetwegen angekündigt, er werde mal jemanden dazuholen, der vielleicht im Verein kein Stammspieler sei.
Quelle: ntv.de, mit sid