FC Bayern & Hertha BSC Die Zweckoptimisten
14.01.2010, 14:03 UhrJetzt wird wieder gespielt in der Bundesliga, um den Titel, gegen den Abstieg. Favorit auf Platz eins ist - wie immer - der FC Bayern, erster Anwärter auf Platz 18 die Hertha. Was beide Teams eint, ist lautstark verbreiteter Optimismus. Zweifel sind aber angebracht.

Cheftrainer: Louis van Gaal.
(Foto: Reuters / bearbeitet von n-tv.de)
Die Deutsche Fußball-Liga hat es gut gemeint mit dem FC Bayern: Nicht Meister VfL Wolfsburg darf die Rückrunde live im Free-TV eröffnen, sondern der wiedererstarkte Rekordmeister, gegen 1899 Hoffenheim. In der letzten Saison geriet diese Partie ungeheuer intensiv, rasant und hochklassig, kurzum zur besten der Saison. In dieser Spielzeit bietet sie den Bayern die Chance, vom Start weg Druck auszuüben auf das Spitzenduo Leverkusen und Schalke und zumindest vorübergehend die Tabellenspitze in der Fußball-Bundesliga zu übernehmen.
Dort, wo sie nach eigenem Anspruch an 34 Spieltagen der Saison hingehören, standen die Bayern zuletzt vor 51 Partien. Seit der Bayern-Trainer nicht mehr Ottmar Hitzfeld heißt, will es nicht mehr klappen mit dem Platz an der Sonne. Selbige haben die Münchner deshalb im Wintertrainingslager in Dubai getankt. Nur vier Stunden nach der Ankunft ließ Coach Louis van Gaal seine vom Nachtflug und der Zeitumstellung geplagten Bayern-Profis zum Training antreten, rundum zufrieden war er trotzdem nicht
Im Gegenteil, van Gaal war sauer. Der Grund: Franck Ribery, in der Hinrunde schon ständig verletzt, schmerzten plötzlich die Zehen. Die Folge: Der Franzose konnte nicht richtig trainieren und deshalb auch nicht ins Team integriert werden. Der herrische Holländer, der neben absoluter Unterordnung gesteigerten Wert auf den Zusatz "Chef" vor seiner Berufsbezeichnung Trainer legt und sich jüngst ein eigenes Wappen zulegte, ließ deshalb keinen Zweifel daran, für wen Riberys neuerliche Blessur am schlimmsten ist: für ihn selbst.
Bei den keineswegs mit mangelndem Selbstwertgefühl geschlagenen Bayern-Bossen überhört man derlei Selbstverliebtheit geflissentlich und schweigt der Harmonie wegen, wie schon in der Hinrunde. Als damals in Champions League und Meisterkampf das frühe Aus drohte und damit der Baum brannte, beschloss man im selbstverschuldeten Dilemma kurzerhand, sich gemeinsam am Feuer zu wärmen. Neu-Präsident Uli Hoeneß behauptet ohnehin, intern habe der Trainer nie zur Disposition gestanden. Das kann glauben, wer will. In München wollen sie auf jeden Fall glauben machen, dass die Anlaufschwierigkeiten mit dem Klinsmann-Nachfolger endgültig überwunden sind. Deshalb wird auch als großer Erfolg verkauft, dass das ohnehin schon teuerste und im Sommer trotzdem noch einmal für knapp 80 Millionen Euro sowie mit einem richtigen Toptrainer verstärkte Team nach der Hinrunde zwar noch nicht Erster war, aber nur zwei Punkte hinter Platz eins liegt. Zählbare Erfolge seien nur noch eine Frage der Zeit.
Van Gaal sagt dazu: "Ich war auch mit Ajax und Barca zur Winterpause nicht oben, aber am Ende." Tatsächlich lief es schon vor der Winterpause weitaus runder, als die Bayern mit ihrer besten Hinrundenleistung erst Juventus Turin an die Wand spielten und dann mit Spaßfußball und vier Siegen in Folge zumindest in der Bundesliga-Formtabelle Platz eins eroberten.
Doch nicht nur der zum Sechser umgeschulte Trainerliebling Bastian Schweinsteiger weiß, was bereits Tocotronic sangen und beim Fußballstammtisch einen Obolus fürs Phrasenschwein fällig werden lässt: "Jetzt geht wieder alles von vorne los." Schon die fünf Auftaktgegner in der Rückrunde haben es in sich: Neben Hoffenheim warten noch Bremen, Mainz, Wolfsburg und Dortmund, die sich den "Mia san Mia"-Bayern sicher nicht derart hilf- und wehrlos ergeben werden wie die künftigen Absteiger Bochum und Hertha kurz vor der Winterpause. Sportliche Ausreden gibt es nach der von van Gaal geforderten Verschlankung des Kaders keine mehr.
Einer muss, vier können
Dafür gibt es mit Herbstmeister Leverkusen als bislang konstantester und Werder Bremen als spielstärkster Mannschaft der Liga ernstzunehmende Titelkonkurrenten. Dass Trainermanager Felix Magath nach dem Husarenstück mit dem VfL Wolfsburg nun auch umgehend den finanziell maladen FC Schalke zur Meisterschaft führen könnte, müssen die Dortmund-Fans eher nicht befürchten. Die bislang sechs Winterneuzugänge verstärken den Verein vor allem in der Breite. Einen Meisterschaftsanwärter machen sie aus einem Team, das in der Hinrunde mit jugendlicher Unbekümmertheit weit über seinen Verhältnissen gespielt hat, nicht. Aber bei Magath weiß man ja nie.
Fakt ist deshalb: Die Bayern müssen Meister werden. Leverkusen, Schalke, Bremen und auch die weiter vom Verletzungspech gebeutelten Hamburger können Meister werden. Und Fakt ist auch: Unter Jürgen Klinsmann standen die Münchner nach der Hinrunde zahlenmäßig besser da als jetzt. Anschließend entwickelte sich rasch eine Eigendynamik, die die Rückrunde allerdings nicht zum erhofften Selbstläufer machte. Das Ende ist bekannt.

Werden sich die Wege von van Gaal und Ribery trennen? Und wenn ja, wann?
(Foto: dpa)
Neben einem neuerlichen Fehlstart birgt in der Rückrunde auch der Umstand FC-Hollywood-Potenzial, dass van Gaal endlich eine Stammformation gefunden hat - weil arrivierte Kräfte wie Miroslav Klose, Hamit Altintop und Anatoli Timoschtschuk in dieser Formation einen Stammplatz auf der Bank haben und die Abwehrspieler Andreas Görlitz und Christian Lell nur als Quoten-Deutsche bleiben durften. Spannungen verspricht auch die Personalie Ribery, falls sich der vom Vorstand hofierte Franzose nicht für einen Verbleib bei den Bayern entscheidet. Bis Ende März soll Klarheit darüber herrschen, ein Abschied ist sehr wahrscheinlich – und ein Zerwürfnis a la Luca Toni auch zwischen dem französischen Freigeist und van Gaal ausgerechnet in der entscheidenden Saisonphase keineswegs ausgeschlossen.
Neues Münchner Wir-Gefühl
Stürmer Mario Gomez ficht das alles nicht an. In der Hinrunde vom Coach zeitweise ohne ersichtlichen Grund demontiert, hat er nun ein großes Wir-Gefühl in der Münchner Ellbogengesellschaft ausgemacht - mit dem die Bayern auch in der Champions League weit kommen könnten. Wir-Gefühl ist auch das Stichwort, bei dem es der Reinickendorfer Lokalgröße Frank Steffel ganz warm ums Herz wird. Noch wärmer würde ihm allerdings werden, wenn es ein Wir-Gefühl auch bei der Hertha in Berlin gäbe, verriet er im Plausch mit n-tv.de. Sechs Punkte, drei davon am 1. Spieltag, sowie 13:39 Tore lautet die niederschmetternde Bilanz der Berliner nach der Hinrunde. Zu Relegationsplatz 16 fehlen der Hertha bereits 10 Zähler und der Stadt, die ab Mai Europas einzige namhafte Hauptstadt ohne Fußball-Erstligisten sein wird, ist es herzlich egal.
Warum der von Frank Steffel eigeninitiativ erarbeitete Rettungsplan trotz vorbildlicher Unterstützung durch das Boulevardblatt "B.Z." dennoch ignoriert wird, ist schnell erklärt: Er ist einfach überflüssig. Denn sportlich mögen Berlin und München Welten trennen, in Sachen Zweckoptimismus können es die Herthaner problemlos mit dem Rekordmeister aufnehmen.
Kostproben gefällig? Bitteschön: Mittelfeldspieler Gojko Kacar verkündete im „Kicker“ "ganz cool", er wolle nicht in die Relegation. Kapitän Arne Friedrich glaubt nach seinem Flirt mit dem VfL Wolfsburg daran, die ersten fünf Rückrundenspiele gewinnen zu können. Und Manager Michael Preetz rief nach intensiven Rechnereien "25 Punkte + x" als "großes Ziel" für die Rückrunde aus. Später verkündete er gemeinsam mit dem bislang glücklosen Friedhelm Funkel noch: "Wir schaffen die Rettung und schreiben damit Geschichte!"
Um zu erklären, wie und warum, hat Preetz im großen Phrasenbuch des Fußballs nachgeschlagen. Heraus kam folgende Begründung: "Beim Rückrunden-Start Sonnabend in Hannover sind wir bereit. Wir haben mit hoher Schlagzahl trainiert, jetzt fehlt nur noch der Feinschliff. Ich glaube fest an den Klassenerhalt!"
Unstrittig ist: Mit Theofanis Gekas (Leverkusen), Lewan Kobiaschwili (Schalke) und Roman Hubnik (FK Moskau) hat sich Hertha so gut es ohne die Steffel-Millionen ging mit erfahrenen Leuten verstärkt. Unstrittig ist aber auch, dass die vermeintlichen Hochkaräter in der Rückrunde nur deshalb in Berlin spielen, weil sie bei ihren bisherigen Vereinen nicht zum Zug kamen. Ihr Problem ist: Auch in Berlin ist der Zug längst abgefahren.
Quelle: ntv.de