Fußball

Marschs Männer zerrupfen den BVB Die beeindruckende Befreiung von RB

Achtung, Explosionsgefahr.

Achtung, Explosionsgefahr.

(Foto: imago images/Picture Point LE)

RB Leipzig feiert den ersten großen Sieg in dieser Saison der Fußball-Bundesliga. Mit einer erstmals konstant guten Leistung versöhnt sich das Team mit der Spielidee von Trainer Jesse Marsch. Der Coach hat seine "defekte Rakete" instand gesetzt.

Mohamed Simakan konnte auch 20 Minuten nach Abpfiff gar nicht genug bekommen von diesem Gefühl der Befreiung. Seine Teamkollegen von RB Leipzig waren nach dem 2:1 (1:0)-Erfolg gegen Borussia Dortmund am Samstagabend schon längst in der Kabine; es war kalt und zugig im Leipziger Stadion. Doch das störte Simakan ebenso wenig wie den Großteil der 7800 Fans auf der neuen Stehtribüne im Fanblock, von denen kaum einer gegangen war. Der leidenschaftliche Innenverteidiger aus Frankreich, der mit seinem Einsatz sinnbildlich für die Leistung von RB steht, stand wie ein Dirigent vor dem Block, der mit vollem Körpereinsatz hüpfe, tanzte und klatschte und den Chor antrieb. "Ich bin total verliebt in meinen Klub RB Leipzig", twitterte Simakan über diese "großartige Nacht".

RB Leipzig - Borussia Dortmund 2:1 (1:0)

Leipzig: Gulacsi - Mukiele, Simakan, Gvardiol - Henrichs (59. Forsberg), Haidara (84. Laimer), Adams, Angelino - Szoboszlai, Poulsen (69. Silva) - Nkunku (84. Olmo). - Trainer: Marsch

Dortmund: Kobel - Pongracic (46. Knauff), Akanji, Hummels - Meunier, Witsel (86. Zagadou), Hazard - Brandt (81. Reinier), Bellingham - Malen (71. Moukoko), Reus. - Trainer: Rose

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)

Tore: 1:0 Nkunku (29.), 1:1 Reus (52.), 2:1 Poulsen (68.)

Fans und Mannschaft kosteten diesen ersten Sieg gegen Borussia Dortmund seit über vier Jahren auch deshalb so intensiv aus, weil sich die Leipziger nach dem schlechtesten Saisonstart der Klubgeschichte inklusive kompletter Verunsicherung und spielerischer Identitätssuche nach dem Trainerwechsel nun endlich einmal für den Aufwand belohnten und anders als in den Spielen gegen Paris St. Germain und Eintracht Frankfurt auch drei Punkte ins Ziel brachten. Und das gegen eine Spitzenmannschaft, die allerdings in Leipzig ohne neun fehlende Akteure nicht so auftrat wie eine solche.

Es war zu greifen, dass dieses Spiel die beschworene Wende in dieser Saison für den nicht mehr so neuen Trainer Jesse Marsch und sein Team bedeutet. Der Vorjahreszweite kletterte auf Rang fünf und befindet sich nach sieben Ligaspielen ohne Niederlage endlich auf Kurs auf die Champions-League-Ränge. Big points für Leipzig, tabellarisch ebenso wie emotional. "Wir haben in unserem Prozess einen großen Sieg gebraucht", sagte Marsch erleichtert. Er hatte vor dem Spiel viel gewagt und seine Mannschaft auch öffentlich auf einen Pflichtsieg eingeschworen. Wenn das wieder nichts geworden wäre, wäre die Fallhöhe hoch gewesen. Doch Marschs Mut wurde mit der "besten Leistung gegen Dortmund in unserer Vereinsgeschichte", wie er richtig festhielt, belohnt. "Das ist ein großer Schritt."

Auf gute Nachbarschaft

Die Hausherren waren vor 43.429 Fans - wegen des Stadionumbaus neuer Zuschauerrekord - von Beginn an die aktivere Mannschaft. Leipzig drückte, eroberte Bälle und hatte unter anderem durch den überragenden Christopher Nkunku Großchancen (17.). Die Stilveränderung zurück zu rigoroserem und direkterem Red-Bull-Fußball fruchtet endlich; die "broken rocket", die defekte Rakete, wie Marsch sein Team noch vor einer Woche bezeichnete, ist wieder startklar. RB belohnte sich dank eines Traumpasses von Abwehryoungster Josko Gvardiol in die Schnittstelle der Dortmunder Fünferkette auf den hellwachen Nkunku, der den Ball vor BVB-Keeper Gregor Kobel wegspitzelte und ins leere Tor traf (29.).

Der elegante Franzose war auch in den "harten Wochen" (Yussuf Poulsen) immer ein Lichtblick gewesen, trug RB durch die Krise und glänzt nun, da die Mannschaft besser und besser wird, umso heller. Elf Tore und sieben Vorlagen hat der Nachbar von Trainer Marsch wettbewerbsübergreifend erzielt. "Ich bin froh, dass er so gut spielt, dass wir so ein gutes Verhältnis als Nachbarn haben", berichtete Marsch lächelnd. Bereits vor der Saison hatte Marsch den 23-Jährigen als Schlüsselspieler auserkoren, ihn von der linken Seite als hängende Spitze nach vorn beordert. "Er kann die größte Belohnung durch diesen Spielstil-Wechsel mit mehr Intensität und Vertikalität bekommen", sagte der US-Coach.

"Waren aggressiver und besser"

Nach den Wochen des Tüftelns und Ringens um unter Julian Nagelsmann bewährte Prinzipien und den neuen geradlinigeren Stil stimmt nun die Balance zwischen Spiel mit und gegen den Ball, der Mix aus Aggressivität und Kreativität sowie die individuelle Form vieler Spieler. Gleich diverse Akteure wie Dominik Szoboszlai, Simakan, Nordi Mukiele, Josko Gvardiol zeigten gegen den BVB ihre beste Saisonleistung. "Wir haben nicht nur mit Intensität, sondern auch mit viel Qualität gespielt", freute sich Marsch. "Wir waren heute aggressiver und besser in den Zweikämpfen als Dortmund. Alle haben mitgemacht, das hat vor einigen Wochen noch etwas gefehlt", sagte Stürmer Poulsen, der den Siegtreffer erzielte - natürlich nach Flanke von Nkunku (68.). "Ich habe noch nie bei Dortmund gesehen, dass sie so viele Fehler im Aufbauspiel machen. Sie haben die Bälle teilweise einfach ins Aus gespielt", wunderte sich der Däne.

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In der Tat hatten die Dortmunder der Wucht, die Leipzig aufs Feld brachte, in der ersten Hälfte überhaupt nichts entgegenzusetzen. Keine einzige Chance brachten die Schwarz-Gelben in den ersten 45 Minuten zustande. "Wir wussten vorher, dass Leipzig noch aggressiver ist als unter dem Ex-Trainer, aber wir haben das gar nicht angenommen. Wir haben es nicht geschafft, auf Augenhöhe zu sein, waren zu langsam, haben weniger Zweikämpfe gewonnen und zu wenig investiert haben", sagte Dortmunds Spielführer Marco Reus konsterniert. Und Torhüter Gregor Kobel bewertete erfrischend ehrlich: "Das ist natürlich kacke." Bis auf den Ausgleich durch Reus nach feinem Schnittstellenpass durch die Leipziger Abwehrreihe von Thomas Meunier, nachdem die Gäste zu Beginn der zweiten Hälfte auf Viererkette umgestellt hatten, hatte Dortmund keine klare Torchance.

Wermutstropfen der Leipziger Leistung war lediglich, dass es RB erneut verpasste, mehr Tore zu erzielen. Dass es nun endgültig Klick gemacht habe, sei daher noch ein "bisschen übertrieben", bremste Marsch. "Wir haben noch nicht das Gefühl, dass wir immer viele Tore machen können. Wir müssen eiskalter sein", forderte der bald 48-Jährige (Geburtstag am Montag). Der nächste Schritt für RB auf dem Weg zurück zu alter, neuer Stärke. "Wir mussten uns heute beweisen", sagte Spielmacher Emil Forsberg. "Wenn wir konstant so spielen wie heute, dann sind wir wieder eine Spitzenmannschaft."

Quelle: ntv.de

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