Horrorserie für den SC Freiburg Gestresster FC Bayern frisst alle Hoffnungen
07.11.2021, 06:47 Uhr
Wer ist hier der Boss?
(Foto: imago images/MIS)
Nächstes Topspiel für den FC Bayern und wieder hofft die Konkurrenz auf einen Patzer: Aber den Gefallen tun die Münchner dem Rest der Bundesliga nicht. Erst mit Macht, dann mit Mühe wird der SC Freiburg aus dem Weg geschafft. Dem Klub gelingt dennoch Bemerkenswertes.
Wer wäre der FC Bayern, wenn er nicht immer die beste Antwort parat hätte? Nun, diese Frage kann auf dem Ablagestapel der unbearbeiteten Dinge vorerst wieder ganz weit unten einsortiert werden. Denn entgegen aller Hoffnungen der Konkurrenz, dass dieser seit Jahren so dominante Klub aus München in einem Topspiel doch bitte endlich mal stolpern würde, frisst die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann all diese Sehnsüchte einfach auf. Doch immerhin eine Sache ist an diesem Samstagnachmittag anders als üblich: Der SC Freiburg, der Tabellendritte (!), verzwergt sich nicht. Viele andere Gegner tun das. Zuletzt erst Bayer Leverkusen, das als hoch gewetteter Herausforderer mit 5:1 blamiert worden war. Doch dieser Sportclub aus Freiburg, er wehrt sich. Und wenn die unnachgiebigen Männer von Christian Streich ein weniger früher das Anschlusstor erzielt hätten …
Tore: 1:0 Goretzka (30.), 2:0 Lewandowski (75.), 2:1 Haberer (90.+3)
München: Neuer - Süle, Upamecano, Hernandez (84. Nianzou), Davies - Kimmich, Goretzka (71. Tolisso) - Coman (66. Gnabry), Thomas Müller (71. Musiala), Leroy Sane (84. Choupo-Moting) - Lewandowski. - Trainer: Nagelsmann
Freiburg: Flekken - Gulde (80. Demirovic), Lienhart, Schlotterbeck - Kübler (80. Sildillia), Maximilian Eggestein (73. Haberer), Höfler, Günter - Höler, Jeong (59. Schade), Grifo. - Trainer: Streich
Schiedsrichter: Sascha Stegemann (Niederkassel)
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)
Tja, der liebe Konjunktiv. Nichts ist im Fußball überflüssiger. Das 1:2 bei der 1:2-Niederlage in der ausverkauften Allianz Arena (2G für die Besucher) fiel erst in der dritten Minute der Nachspielzeit. Zwar waren danach noch weitere 180 Sekunden zu spielen, in denen fanden die leidenschaftlichen Breisgauer aber nicht mehr den Weg zum, geschweige denn ins Münchner Tor. Allerdings hatten sich die Gäste den Rekordmeister in einer spektakulären Schlussphase am Schlafittchen gepackt. Zwei tolle Gelegenheiten des Sportclubs musste Torwart Manuel Neuer entschärfen. Und er tat das, wie Manuel Neuer so etwas eben tut. Mit ganz starken Paraden. Ist eben immer gut, wenn der Titan seine Rolle als Titan annimmt. Und so ärgerte sich Christian Streich ein wenig. Wenn, ja wenn seine Mannschaft doch etwas früher auf 1:2 …
Tja, der liebe Konjunktiv. Nichts ist. Nun hätte es wahrscheinlich auch sehr unterschiedliche Interpretationen darüber gegeben, ob eine Punkteteilung in diesem Duell verdient gewesen wäre. Sorry, da sind wir schon wieder in das Was-wäre-wenn abgedriftet. Der FC Bayern hat dieses Spiel gewonnen. Weil er sich darauf verlassen kann, dass seine Premium-Offensive immer in der Lage ist, den einzigartigen Turbo zu zünden und damit jeden Gegner zu überfordern. Zwar entfaltete sich die Macht der Dominanz gegen die Freiburger viel seltener als gegen viele andere Gegner in den vergangenen Wochen (das unerklärliche Pokal-Desaster bei Borussia Mönchengladbach mal ausgenommen), aber wenn die Raketen Alphonso Davies, Leroy Sané oder Kingsley Coman mal das Tempo anziehen, dann gibt es kaum ein probates Gegenteil. National sowieso nicht. Aber auch international nicht.
Einfach mal kurz überfordert
Und so entstanden beide Münchner Tore nach pfeilschnellem Kombinationsspiel. Das 1:0 durch den überragenden Nationalspieler Leon Goretzka fiel durch die Mitte, beteiligt war unter anderem Thomas Müller. Und beim zweiten Treffer, den natürlich Superstürmer Robert Lewandowski erzielen musste, weil er gegen den SC Freiburg immer trifft (unter anderem hatte er in der vergangenen Saison den ewigen 40-Tore-Rekord von Gerd Müller im Breisgau eingestellt), hatten Davies und Sané ihre Gegenspieler mit blitzartigen Aktionen kurz überfordert. Diese Genialitäten der Einzelnen waren an diesem Samstag in einem intensiven und spannenden Duell der Unterschied. "Das macht uns aus, dass wir auf allen Positionen top besetzt sind", urteilte Goretzka über die individuelle Klasse im Münchner Kader.
Viel hinzuzufügen gibt es da eigentlich nicht. Ein Beispiel: Während der immer kämpfende und immer gefährliche Mittelstürmer Lucas Höler, den manche Medien bereits zu Hansi Flick ins DFB-Team schreiben wollen, was Coach Streich missfällt ("Kümmert Euch um Bayern, Dortmund und die anderen - und lasst unsere Jungs in Ruhe"), früh im Spiel eine prächtige Chance nach einem Fehler von Joshua Kimmich vergab, weil er verzog, nutzte Goretzka eine ähnliche Situation zur Führung (30.). Es waren Momente, in denen Streich mit diesem Qualitätsunterschied haderte. Aber am Ende wusste er die Realitäten auf dem Platz schon sehr seriös einzuschätzen. Wie ja eigentlich immer. "Mehr als wir gemacht haben, können wir nicht machen."
Knallharte Botschaft an die Bayern-Bosse
Und das war ja eben auch eine ganze Menge, wie sie beim FC Bayern anerkennend festgestellt hatten. "Wir haben gegen eine gute Mannschaft gespielt", sagte Goretzka nach diesem Kraftakt. Der war nötig, um eben nicht wieder mit einem zehrenden Negativerlebnis in die Länderspielpause zu gehen. Das war im Oktober der Fall gewesen, da war der FC Bayern an Eintracht Frankfurt - präziser: an Torwart Kevin Trapp gescheitert (1:2). Und Coach Nagelsmann bekannte: "Ich bin froh, dass das Gegentor so spät gefallen ist."
Tatsächlich hatten sich in den langen Minuten vor dem Abpfiff erstaunliche Dinge an der Seitenlinie ereignet. Nagelsmann tigerte auf und ab (okay, das ist nicht erstaunlich), aber immer wieder zeigte er nach dem Treffer von Janik Haberer (der eingewechselte Tanguy Nianzou sah nicht gut aus) auf seine Uhr. Dass ein Münchner Coach gegen den Sportclub den Abpfiff eilig herbeisehnt, das kommt nun wirklich nicht allzu oft vor. Aber so bemerkenswert mutig die Leistung der Gäste war, so schlimm liest sich ihre Bilanz in der Allianz Arena: Da stehen nun in 22 Spielen neben drei Unentschieden auch 19 Pleiten in der Liga-Chronik. Ein Horror.
Den erlebten ein paar Tage nach Halloween übrigens auch die Bosse des Rekordmeisters. Die Fans hatten wenige Minuten nach Anpfiff der Partie ein Plakat mit einer "Blut"-Kritik an Klubboss Oliver Kahn und Präsident Herbert Hainer entrollt. "Für Geld waschen wir alles rein", stand auf dem riesigen Banner. Unter dem Schriftzug waren die Mächtigen neben einer Waschmaschine mit der Aufschrift "FCB AG" beim Waschen blutverschmierter Kleidung zu sehen. In Kahns linker Hand war ein Koffer voller Geld mit der Aufschrift "You can rely on us" (Ihr könnt euch auf uns verlassen) zu sehen. Die Anhänger des FC Bayern protestieren seit längerem gegen die geschäftlichen Beziehungen ihres Klubs mit dem Unrechtsstaat Katar. Im Gastgeberland der Weltmeisterschaft 2022 absolvieren die Münchner regelmäßig ihr Trainingslager im Winter. Außerdem ist die Fluggesellschaft Qatar Airways bereits seit mehreren Jahren ein großer Sponsor.
Quelle: ntv.de