Der Bundesliga-Check: Schalke 04 Dieses Mal wird wirklich alles besser
21.08.2016, 13:36 Uhr
Der neue Mann auf Schalke.
(Foto: dpa)
Auf Schalke gibt es die Tendenz, Fehler aus der Vergangenheit gerne und oft zu wiederholen. Mit Neu-Trainer Weinzierl soll jetzt aber wirklich alles besser werden. Auch wenn es keiner hören will: Schalke könnte diese Saison echt erfolgreich sein.
Eigentlich ist auf Schalke alles wie immer, wenn die Vorbereitung auf eine neue Saison eingeleitet wird: Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, alles ist schön, es ist die Zeit der guten Vorsätze. Die letzte Spielzeit mit all ihren Enttäuschungen und Rückschlägen ist längst vergessen. War da was? Etwa Pfiffe, Buh-Rufe und sonstige Schmähungen? Geschenkt! Das sind doch olle Kamellen, wir sind Schalker, wir richten den Blick nach vorn. Mit frischem Mut und neuem Personal in eine rosige Zukunft. So war es unter Jens Keller, so war es unter Roberto di Mateo – und so war es auch zuletzt unter André Breitenreiter. Alle drei Trainer haben dem Schalker Markt den Rücken gekehrt, sie wurden als Fehlgriff entlarvt und mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt.
Auf wen kommt es an?
Passt mal auf in Fußball-Deutschland, dieses Mal wird wirklich alles besser. Der Neue, der wird es schon richten. Alles schon mal gehört? Richtig. Nun soll es also Markus Weinzierl richten, jener Mann, der Augsburg in die 1. Liga führte, beim finanziell wenig potenten Nobody bewundernswerte Arbeit ablieferte und den Verein aus dem bayerischen Schwabenland bis in den Europapokal hievte. Weinzierl stand im Revier schon länger auf dem Wunschzettel, nun hat es geklappt, ihn zu verpflichten. "Wir wollen frech Fußball spielen", verkündete der 41-Jährige bei seinem Dienstantritt.
Der entscheidende Mann ist er allerdings nicht. Der sitzt in der Führungsetage: Christian Heidel. Der 53-Jährige kam aus Mainz, um im chronisch aufgewühlten Schalker Umfeld Ruhe und Kontinuität zu etablieren. Seinem Vorgänger Horst Heldt war das nicht gelungen, immer wieder sah sich der Rheinländer im Zentrum der Kritik.
Heidel steht für einen Stil des freundlichen Miteinanders und der klaren Kompetenzen, die nicht angezweifelt werden. Im sportlichen Bereich – so die unmissverständliche Ansage – habe nur einer das Sagen: Der Manager. Und siehe da: Bislang hat sich der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies, der in der Vergangenheit mit seinen Einlassungen so oft für Unruhe sorgte, auffallend zurückgehalten.
Was fehlt?
Zuletzt waren es immer die gleichen Tugenden, die in einem Umfeld vermisst wurden, das chronisch überhitzt ist und zu mehr Hysterie neigt als ein pubertierender Teenager, dessen Hormonhaushalt komplett aus den Fugen geraten ist: Zurückhaltung, Strategie, Souveränität und vor allem Geduld. Aber vielleicht gelingt es unter dem neuen Manager, die Ruhe zu bewahren. Man soll die Hoffnung bekanntlich nie aufgeben, und auf Schalke sind sie ja geübt darin, an Wunder zu glauben.
Was sonst noch fehlt: Leroy Sané. Eines der größten Talente, das der deutsche Fußball zu bieten hat, ist zu Pep Guardiola nach Manchester gegangen. Die Tempodribblings des ebenso jungen wie unverbrauchten Publikumslieblings werden Schalke fehlen. Dennoch hat sich der Deal gelohnt, denn er spülte 50 Millionen Euro in die Kasse eines Klubs, der weiterhin unter einer exorbitanten Schuldenlast ächzt. Was er von solchen Summen hält, hat Heidel unmissverständlich mitgeteilt: "Ich glaube, dass überhaupt kein Fußballer auf diesem Planeten 50 Millionen wert ist." Die Kohle hat er natürlich trotzdem liebend gern in Empfang genommen. Schließlich geht hier nicht um Ethik, sondern ums Geschäft.
Wie lautet das Saisonziel?
Wenn ein Verein - ach was - eine Institution wie Schalke 04 seit 1958 nicht mehr Deutscher Meister geworden ist, dann liegt es auf der Hand, was sich die Fans erträumen. Als auf Schalke das letzte Mal die Schale durch die Straßen gefahren wurde, kostete der Liter Sprit 64 Pfennig (32 Cent), seitdem haben sie sich auf Schalke längst an die Schmähgesänge des innig verachteten Revierrivalen aus Lüdenscheid gewöhnt. Heidel würde lieber in einem schwarz-gelben Sakko auf der Geschäftsstelle erscheinen, als von der Meisterschaft zu schwadronieren. Wie anspruchsvoll sein Job ist, wusste er bereits vor seinem ersten Arbeitstag, als er die Begriffe Schalke+Chaos googelte und 188.000 Beiträge fand. Das berichtete er einem Radioreporter, der ihn zum Gespräch bat. In einer Pommesbude, wie sich das fürs Ruhrgebiet gehört. Seine Currywurst mampfend, berichtete Heidel, er sei bei der Vorstellungsrunde nicht gefragt worden, ob er Vegetarier sei. Für den "Kotelett-Kaiser" Tönnies hätte das ja durchaus ein Ausschlusskriterium sein können.
Schalke+Chaos: Heidel weiß also, auf was er sich eingelassen hat und geht damit souverän um. Für ihn muss es nicht ruhig sein auf Schalke, "denn das kann ja auch langweilig bedeuten". Heidel will "Nachhaltigkeit, dass man nicht direkt umfällt und alles infrage stellt, wenn es mal Rückschläge gibt". Ein hehrer Plan, an dem in diesem speziellen Verein schon Generationen an Managern scheiterten. Der immer wiederkehrende Satz, den Heidel in den letzten Wochen zu hören bekam, lautete: "Entweder Du schaffst Schalke oder Schalke schafft Dich." Ein bisschen hat sich der Neue dann aber doch aus dem Fenster gelehnt: Ein Platz in der Champions League, der soll es bitteschön schon sein.
Wie lautet die ntv.de-Prognose?
Mit der Verpflichtung von Naldo aus Wolfsburg hat Heidel eine erste Duftmarke gesetzt. Der 34-jährige Routinier soll gemeinsam mit Weltmeister Benedikt Höwedes im Schalker Abwehrzentrum ein Bollwerk errichten. Zwei Haudegen mit jeder Menge Erfahrung, an denen sich die jungen, talentierten Spieler, die der Revierklub zuhauf in seinem Kader hat, orientieren können. Auch die weiteren Verpflichtungen Baba, Embolo und Coke wecken Hoffnungen, auch wenn sich der Spanier in der Vorbereitung eine Verletzung am Kreuzband zugezogen hat und monatelang ausfällt.
Schalke könnte also unter dem neuen Trainer Markus Weinzierl durchaus auftrumpfen. Zumindest glaubt das Jürgen Klopp, der das Geschehen von der Insel aus betrachtet. Und wenn Heidel, sein alter Kumpel aus seligen Mainzer Tagen, ausgerechnet zu dem Verein geht, den 'Kloppo' in seinen Jahren beim BVB als Reizbild verinnerlicht hat, meldet er sich natürlich zu Wort: "Ich weiß, das will kein BVB-Fan hören: Aber ich fürchte, Schalke könnte echt erfolgreich sein."
Quelle: ntv.de