Buli-Check: Fortuna Düsseldorf Ein Kader, so wertvoll wie Joshua Kimmich
07.08.2019, 10:47 Uhr
Joshua Kimmich ist laut transfermarkt.de fast so wertvoll wie der aktuelle Kader von Fortuna Düsseldorf.
(Foto: imago/Hartenfelser)
Die letzte Saison, da ist man sich bei Fortuna Düsseldorf einig, war ein Betriebsunfall. Ein sehr schöner natürlich. Die anstehende Spielzeit erneut auf Platz zehn zu beenden, wäre ein Wunder. Und an Wunder glauben Coach Friedhelm Funkel und seine Kollegen nicht.
So ein Rekordtransfer, der lässt sich ja mittlerweile kaum noch umsetzen. Wie viele Nullen muss man ins Überweisungsformular schreiben, damit der Wunschspieler tatsächlich auch der teuerste der Welt, oder zumindest der teuerste der Vereinsgeschichte ist? Nun, diese Benchmark aber gilt es für Fußball-Vereine mittlerweile zu übertreffen. Man möchte ja niemandem das Gefühl geben, dass man plötzlich wieder zum Transfer-Discounter läuft. Gut ist also, wenn man sich beim Rekordeinkauf nicht in Leroysané'schen Sphären bewegen muss, sondern wenn es gilt Peter Quallo (Platz vier, zwei Millionen Mark), Benito Raman (Platz drei, anderthalb Millionen Euro) und Marvin Ducksch (Platz zwei, zwei bis zweieinhalb Millionen Euro) zu toppen. Über Fortuna Düsseldorf lässt sich in diesem Sommer folglich sagen: Sie sind eskaliert! Mit dem Ghanaer Nana Ampomah haben sie ihre Rekordausgabe verdoppelt! Vier Millionen Euro kostet der Ersatz für Raman, der für die Rekordeinnahme (verdreifachter Rekord!) von 13 Millionen Euro und Leihspieler Bernard Tekpetey zum FC Schalke 04 weiterzog - begleitet von kindlicher Bockigkeit des Belgiers.
Was gibt's Neues?
Fortuna Düsseldorf kauft in der Premier League ein und sticht im Werben um ein Top-Talent auch noch einen großen Klub aus der Premier League aus. Das liest sich doch wirklich sehr gut. Und in Zeiten von alternativen Wahrheiten dürfen wir hier verbriefen: Es ist die Wahrheit! Unumstößlich. Alternativlos. Dabei bieten sich die Neuen als Top-Alternativen an: Zach Steffen (das Besitzrecht liegt bei Manchester City) kommt auf Empfehlung von Josep Guardiola. Weil der Katalane dank Ederson gerade kein Potenzial für einen weiteren Spitzenkeeper hat, schickt er ihn von der ausgelaufenen Leihe bei Columbus Crew direkt zur nächsten Leihe an den Rhein. Wie die "Sport Bild" berichtet, glaubt der City-Coach daran, dass sich der 24-Jährige als Top-Sechs-Torwart in Deutschland etablieren kann. Ein erster Versuch beim SC Freiburg ging schief. In der Saison 2015/16 absolvierte er lediglich 14 Spiele für die zweite Mannschaft. Die Nummer eins im Fortuna-Tor ist er dagegen vorerst auf jeden Fall - auch weil sich Stammkeeper Michael Rensing schwer verletzt hat.
Eine weitere schwere Verletzung, nämlich die des Mittelfeld-Strategen Kevin Stöger, soll ebenfalls mit Premier-League-Kompetenz (wobei Torwart Steffen in Wahrheit nie in der Premier League gespielt hat) kompensiert werden. Das Zentrum besetzt Lewis Baker, ein 24-Jähriger vom FC Chelsea. Den Vorwurf des Schönspielers hat der bereits in den ersten Testspielen widerlegt. Coach Friedhelm Funkel schwärmt gar von den strategischen Fähigkeiten, von der Ballsicherheit des Engländers selbst in Pressingsituationen. Er kann und soll der neue Antreiber der in der Rückrunde durchaus mitreißend aufspielenden Mannschaft werden. Und dann gibt es noch eine interessante Parallele zur vergangenen Saison: Mit Kelvin Ofori hat die Fortuna mal wieder ein in Deutschland völlig unbekanntes Offensivjuwel für sich gewonnen - und laut "Rheinischer Post" dabei sogar Manchester United ausgestochen. Angesichts der sehr, sehr lobenden Worte vom Trainer, sagen wir: Kelvin Ofori - guter Mann! Haben wir übrigens im vergangenen Jahr auch über Dodi Lukebakio gesagt! Und der spielt jetzt für 20 Millionen Euro Ablöse (die strich der FC Watford ein) bei der Hertha aus Berlin. Achja: Dawid Kownacki ist auch noch da. Er kommt erneut auf Leihbasis von Sampdoria Genua. Ein feste Verpflichtung war (noch) zu teuer. In der vergangenen Rückrunde hatte er sich allerdings so nachhaltig empfohlen, dass sie gerne mit ihm weiterarbeiten wollten.
Auf wen kommt es an?
Häufiger mal 'ne Null, das wäre was. 65 Gegentore hat die Fortuna in der vergangenen Saison erzielt. Das sind fast zwei pro Spiel. Und das ist ziemlich viel. Einmal gab's sogar sieben Stück in einer Partie, am achten Spieltag gegen Eintracht Frankfurt und den völlig enthemmten Luka Jovic! Der ist in diesem Sommer übrigens zu Real Madrid gewechselt und damit auf viele Jahre hin keine Gefahr mehr für die Fortuna. Was die Social-Media-Abteilung der Düsseldorf offensiv abfeierte. Funkel wünscht sich derweil für die neue Saison: "Wir dürfen nicht wieder 65 Tore kassieren, weil wir vielleicht nicht wieder 49 schießen." Seine Forderung: weniger als 60 Gegentore. Sein Gegenmittel: besseres Abwehrverhalten beim Anspiel gegnerischer Stürmer innerhalb und außerhalb des eigenen Strafraums. Gut für den Trainer und seinen Plan: Abwehrchef Kaan Ayhan hat seine Ausstiegsklausel von 4,5 Millionen Euro verstreichen lassen und bleibt. Was aber ...
Was fehlt?
... fehlt ist ein weiterer gestandener Innenverteidiger. Mit André Hoffmann und Robin Bormuth hat Funkel nur zwei Alternativen für den Platz neben Ayhan. Hoffmann gilt zwar als sehr zuverlässig, aber mindestens auch genau so verletzungsanfällig. In der vergangenen Saison verpasste er 16 Spiele in Folge einer sehr schweren Gehirnerschütterung. Allein in den letzten drei Spielzeiten fiel er viermal sieben Wochen am Stück oder länger aus. Bormuth hingegen ist ein Talent, konstant auf gutem Bundesliga-Niveau hat er noch nicht gespielt. So flehte Funkel laut "Rheinischer Post" zuletzt in Richtung eines Innenverteidigers: "Ich hoffe, dass er in den nächsten Tagen endlich kommt. Wir brauchen ihn." Und: "Je später er kommt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ich ihn direkt zu Saisonbeginn bringen kann." Gehandelt werden aktuell unter anderem Simon Falette von Eintracht Frankfurt und der Hoffenheimer Kasim Adams.
Was sagt der Blogger?
"Für die Fortuna kann nur der Klassenerhalt das Ziel sein. Mehr kannst du jetzt und in den nächsten Jahren einfach nicht erwarten. Was letzte Saison passiert ist, war einmalig, da hat die Mannschaft mit ihrer attraktiven Spielweise absolut am oberen Limit gespielt. Ich würde mich schon freuen, wenn im kommenden Mai alles klar ist mit dem Klassenerhalt, dann können wir in Ruhe und stolz das 125-jährige Jubiläum des Klubs feiern. Und wenn es doch besser kommt, gar einstellig in der Tabelle wie zuletzt vor 30 Jahren, dann wäre das natürlich um so schöner", das erklärt der Fortuna-Blogger und Buchautor Michael Bolten (derbolten.de) im Gespräch mit unserer Redaktion. Um ähnlich stark abzuschneiden wie in der vergangenen Spielzeit muss aber einiges passieren, findet unser Insider. "In der Abwehr müssten wir noch was tun. Erst recht, wenn mit Ayhan unser bester Innenverteidiger noch wechseln sollte. Ansonsten wären weniger Standards gegen uns gut, im Tor hoffen wir darauf, dass Steffen das Spiel schnell macht. Der Aufbau von hinten heraus war im vergangenen Jahr ganz schlimm. Für den noch lange verletzten Stöger brauchen wir einen guten Ersatz. Ob dies Baker leisten kann, fraglich. Und dann müssen wir natürlich Raman und Lukebakio ersetzen. Beide sind selbstverständlich ein Verlust, auch wenn ich mich über das viele Geld für Raman freue (Anmerk. d. Red.: siehe oben). Aber ich habe mittlerweile großes Vertrauen in Lutz Pfannenstiel. Bei ihm war ich am Anfang wegen seines weltweiten Netzwerks ebenso skeptisch wie einst bei Thomas Berthold, der Spieler wie Walter Otta nur wegen eines Videos verpflichtet hatte! Otta kam auf insgesamt neun Einsätze – in der Regionalliga Nord. Aber wenn die Ruhe im Verein gehalten wird, wenn die Mannschaft – ich fange gerade erst an, mir alle neuen Namen zu merken – wieder einen so guten Teamgeist entwickelt, dann wird die Fortuna das Ziel erreichen."
Wie lautet das Saisonziel?
Der Klassenerhalt. Direkt und ohne Relegation. Spinnereien sind nicht gefragt. "Es soll bloß keiner erneut von Platz zehn träumen." Das sagte Funkel dem "Kicker". Der "Sport Bild" erklärte der alte Fahrensmann: "Wunder lassen sich nicht wiederholen. Und das Ergebnis der Aufstiegssaison war ein großes Fußball-Wunder." Mit einem Kader, dessen Gesamtwert beim Erstellen dieses Textes nur unwesentlich höher (74,60 Millionen) war als der Marktwert von Bayern Münchens Rechtsverteidiger Joshua Kimmich (70 Millionen Euro) ist die sehr zurückhaltende Zielvorgabe sicher die einzig zulässige Wahrheit.
Die Prognose von n-tv.de
Ach kommt, weil wir Friedhelm Funkel gerne noch eine Weile als Trainer erleben möchten (er hat stets betont, dass Düsseldorf seine letzte Station ist): Fortuna spielt zwar gegen den Abstieg, läuft aber keine Gefahr in der Saison 2020/21 ein Zweitligist zu sein.
Quelle: ntv.de