Fußball

König Salah vor Aus bei LiverpoolEin tosendes Inferno zerstört die leidenschaftliche Liebe

08.12.2025, 20:10 Uhr Stephan-UersfeldVon Stephan Uersfeld
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Mo Salah beim Abschlusstraining vor dem Spiel bei Inter Mailand. Dort wird er nicht spielen. (Foto: picture alliance / empics)

Am Wochenende gibt Liverpool-Legende Mo Salah ein Interview, das in die Geschichte der englischen Premier League eingehen wird. Seine Aussagen sind dazu geeignet, den taumelnden Klub noch tiefer in die Krise zu stürzen. Wie konnte es so weit kommen und wie geht es weiter?

Der "ägyptische König" Mohamed Salah steht kurz vor seinem Aus beim englischen Traditionsklub FC Liverpool. Die Vereins-Legende wurde nach seiner Wutrede am Wochenende für das Spiel in der Champions League bei Inter Mailand nicht berücksichtigt. Der nächste Schritt zum Abgang. Womöglich in Richtung Saudi-Arabien. Es ist das Ende einer langen Liebe.

"Es war für mich überraschend, als ich seine Kommentare nach dem Spiel gehört habe", sagte Teammanager Arne Slot. "Meine Reaktion darauf ist klar, und deswegen ist er heute nicht bei uns." Er sieht aber keinen endgültigen Bruch in der Beziehung zum Star-Stürmer. "Ich denke, normalerweise bin ich ruhig und höflich, aber das bedeutet nicht, dass ich schwach bin. Wenn ein Spieler sich zu so vielen Dingen äußert, dann ist es an mir, an uns als Verein, zu reagieren. Und wir haben so reagiert, dass er jetzt nicht hier ist", sagte der Niederländer.

Nach dem morgigen Spiel werde man sich nochmals mit der Situation befassen, so der Liverpool-Coach. Ob Salah dann gegen Brighton am Wochenende wieder im Kader stehen wird, lies er allerdings offen.

Slot konnte im Vorfeld der Partie noch so sehr beschwichtigen, Salah hat sein Königreich im Nordwesten Englands angezündet und wird es kaum noch löschen wollen. Zu viel war am Nikolaustag in wenigen Minuten passiert. Salah hatte gesprochen. Worte, die kaum rückgängig zu machen sein werden. Worte, die sich tief in die Seele des kriselnden Topklubs gebohrt hatten. Worte, die als offene Kriegserklärung an den Trainer verstanden werden mussten.

Was in Leeds passierte

Am Wochenende also hatte der 33-Jährige nach dem 3:3 von Liverpool bei Leeds United mit Liverpool gebrochen. Er stellte sich in der Mixed Zone den Fragen der Reporter. Das war für sich genommen bereits ein Ereignis. Normalerweise erledigt diese Aufgabe bei den Reds der Kapitän Virgil van Dijk. Salah lässt sich dort nie blicken: In den vergangenen acht Jahren zeigte sich Salah dort gerade einmal viermal. Doch nach dem dritten Spiel in Folge auf der Ersatzbank war alles anders.

In der Mixed Zone wetterte der Ägypter dann gegen den Klub und Trainer Slot. Man habe ihn unter den Bus geworfen, sein Verhältnis zu Slot sei nicht mehr existent, schimpfte er. Das Heimspiel gegen Brighton könnte sein letztes Spiel in Anfield sein. Ob er spiele? Das könne er nicht sagen. Aber er werde sich von den Fans verabschieden.

"Jemand will, dass ich die ganze Schuld auf mich nehme. Der Verein hat mir im Sommer viel versprochen. Jetzt sitze ich auf der Bank, also kann ich sagen, dass sie dieses Versprechen nicht gehalten haben", sagte er und redete und redete und redete.

Rundumschlag auch gegen Medien

In seiner Wut schoss Salah auch gegen die Medien. Harry Kane habe während einer Torflaute kaum Kritik geerntet, er sei hingegen auf die Bank geschrieben worden, sagte er sinngemäß. Im Anschluss an "eines der explosivsten Interviews der Premier-League-Ära" (BBC) schlugen sich die Medien auf die Seite des Meistertrainers, natürlich nicht ohne von "Rebellion", von "Bürgerkrieg" und "Inferno" zu schreiben.

Die englische Stürmer-Ikone Wayne Rooney verkündete in seinem Podcast: "Salah zerstört sein Vermächtnis auf ganzer Linie. Ich bin sicher, er wird es irgendwann bereuen." Das war der Tenor in England. Dort klickten sich die Fußballfans genüsslich durch die eilends angeworfenen Liveticker.

Die Leser erfuhren: Salah hat am Mittag das Abschlusstraining vor dem Spiel bei Inter Mailand absolviert. Dabei hat er gelacht. Die Bilder zeigten: Salah scherzend mit Alexander Isak. Salah, in den Arm genommen von Dominik Szoboszlai. Die Medien spekulierten: Salah sei auf Anraten der Teambesitzer, der Fenway Sports Group, aus dem Kader für die wichtige Partie der Champions League gestrichen worden. Der Verein bestätigte: Salah aus dem Kader gestrichen.

Auch bei Liverpool 2.0 noch wichtig

Im November hatte er als erst dritter Liverpool-Spieler überhaupt die 250-Tore-Marke für den Verein erreicht. Der vierfache Torschützenkönig wird damit in einem Atemzug mit Ian Rush und Roger Hunt genannt. Seit 2023 ist er der erfolgreichste Premier-League-Torschütze des Vereins. Damals löste er Robbie Fowler ab. In fünf Spielzeiten gelangen ihm 30 oder mehr Pflichtspieltore für die Reds.

Gemeinsam mit Roberto Firmino und Sadio Mané bildete er über Jahre eine der bemerkenswertesten Offensivreihen der Fußballgeschichte. Auch nach den Abgängen seiner beiden Mitstreiter zeigte er sich trotz des noch von Jürgen Klopp gestarteten Reboot der Mannschaft zum Liverpool 2.0 als der zentrale Spieler der Mannschaft.

Erst im Sommer führte er die Reds zur Meisterschaft und krönte sich erneut zum Spieler des Jahres der Premier League. "Mo Salah, Mo Salah, running down the wing", sangen die Fans in Anfield über ihren ägyptischen König. Doch er rannte nun weniger, musste bei Slot weniger Defensivarbeit als noch unter Vorgänger Klopp verrichten. Es war dem Alter angemessen.

Was Salah nach seiner Vertragsverlängerzung sagte

Salah steht noch bis Juni 2027 unter Vertrag beim FC Liverpool. Dort soll er wöchentlich rund 450.000 Euro und jährlich somit über 23 Millionen Euro verdienen. An Abnehmer aber sollte es dem Ägypter kaum mangeln. Die Saudi Pro League hatte sich bereits im Vorjahr vergeblich um ihn bemüht.

Der Weltstar entspricht dabei genau dem Anforderungsprofil der Liga, die damit auch Signale in die muslimisch geprägten Regionen der Welt sendet. Zahlreiche bekennende Muslime wie Sadio Mané und Karim Benzema hat es in den vergangenen Jahren in das neue Wüsten-Königreich des Fußballs gezogen.

Salah hatte seinen Vertrag erst im Frühjahr 2025 nach langen Spekulationen um ein weiteres Jahr verlängert. Damals sagte er: "Ich habe unterschrieben, weil ich daran glaube, dass wir gemeinsam viele Trophäen gewinnen können." Dem Meistertitel 2025 wird der dreimalige Premier-League-Spieler des Jahres nun höchstwahrscheinlich keinen weiteren Titel hinzufügen.

Liverpool hatte Salah im Sommer 2017 für 42 Millionen Euro von der AS Rom verpflichtet. Unter Slot-Vorgänger Klopp gewann er eine weitere Meisterschaft, einen FA-Cup und die Champions League. Dort erzielte er im Finale gegen die Tottenham Hotspur mit einem Elfmeter das frühe 1:0. Ein Jahr nach der Finalniederlage gegen Real Madrid waren sie am Ziel. Eine weitere Niederlage gegen die Königlichen folgte im Jahr 2022.

2025: Liverpools Unglücksjahr

Seit dem Gewinn der englischen Meisterschaft, der 20. der Vereinsgeschichte, im Mai 2025 hagelte es unwirkliche Nachrichten für Liverpool. Nach der Meisterfeier am 26. Mai raste ein zum Tatzeitpunkt 53-jähriger Brite mit einem grauen Ford Galaxy in eine Menschenmenge und verletzte dabei 79 Menschen, einige davon schwer. Im nun laufenden Gerichtsprozess bekannte er sich in allen 31 Anklagepunkten schuldig.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vorsätzliche schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch und gefährliche Fahrweise vor. Die Urteilsverkündung ist für Mitte Dezember angesetzt. Dem heute 54-Jährigen droht als Höchststrafe lebenslange Haft.

Am Tag vor Trainingsbeginn im Juli 2025 verunglückte der 28-jährige Offensivspieler Diogo Jota bei einem Unfall tödlich auf einer Autobahn im Norden Spaniens. Weil er sich kurz zuvor einer Lungenoperation unterzogen hatte, war ihm von den Ärzten Flugverbot erteilt worden, hieß es später.

Inmitten dieser großen Tragödien warf Liverpool auf dem Transfermarkt mit Geld um sich. Sie verpflichteten mit Hugo Ektitike, Alexander Isak und DFB-Star Florian Wirtz gleich drei Offensivspieler für insgesamt über 350 Millionen Euro. Die Defensive vernachlässigten sie dabei.

Abflug sicher, Rückkehr fraglich

Nach einem starken Saisonstart kippte das Spielglück bald gegen Liverpool. Die Neuzugänge Isak und Wirtz standen dabei unter großer Beobachtung und taten sich schwer, im neuen Umfeld anzukommen. Zunehmend aber verlagerte sich der Druck auch auf Trainer Slot und dessen teils erratische Wechsel der Startformation. Erfolgreich war Slot dabei nicht. Mit 23 Punkten nach 15 Spielen liegen die Reds in der Premier League auf Rang neun, in der Champions League stehen sie vor dem schweren Auswärtsspiel bei Inter mit neun Punkten aus fünf Spielen im Mittelfeld der Tabelle.

Mit der Herausnahme von Salah, der bei seinen insgesamt 19 Pflichtspieleinsätzen in der Saison nur auf fünf Treffer gekommen war, machte Slot die wohl größte Baustelle auf. Die Legende des FC Liverpool wollte sich das nicht gefallen lassen, suchte die offene Konfrontation und wird nun als Verlierer der Auseinandersetzung zum Afrika Cup nach Ägypten reisen. Ob er 2026 als Spieler des FC Liverpool noch einmal zurückkehren wird, ist an diesem Dezember-Tag 2025 mehr als fraglich.

Der "Bürgerkrieg" vor Weihnachten wird sehr wahrscheinlich mit einer ganz bitteren Niederlage für den Klub und Salah enden. Beide haben sich vergessen. "Ich werde den Klub immer unterstützen. Meine Kinder werden den Klub immer unterstützen", hatte der Ägypter am Samstag während seiner Wutrede gesagt und dabei hatte man sofort andere Abschiedsworte im Kopf.

Eines der großen Zitate von Jürgen Klopp, dem ehemaligen Trainer von Salah lautet: "Es ist nicht wichtig, was die Leute denken, wenn du reinkommst, es ist viel wichtiger, was die Leute denken, wenn du gehst." Das sind momentan kaum gute Gedanken. Salah hätte es anders haben können. Am Samstag in Leeds hat er sich dagegen entschieden. Er wütete wie man so wütet, wenn eine leidenschaftliche Liebe in Hass umschlägt.

Quelle: ntv.de

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