Feier vor düsterer Kulisse Es geht um alles - und der FC Bayern ist raus
30.04.2017, 09:00 Uhr
Außer Rand und Band: Arjen Robben hat soeben in Wolfsburg das 4:0 für den FC Bayern erzielt.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Philipp Lahm wirkt dann doch ganz zufrieden, als er die deutsche Fußballmeisterschaft feiert. Grundsätzlich aber ist dieser Titel eher ein Trostpreis. Die heiße Phase der Saison beginnt - und der FC Bayern schaut nur noch zu.
Als normaler Arbeitnehmer würde sich Arjen Robben vermutlich darüber freuen, dass er in den kommenden Wochen ein bisschen mehr Freizeit hat als gewohnt. Weniger Stress, einen nicht ganz so prall gefüllten Terminplan. Doch er ist kein normaler Arbeitnehmer. Er ist Fußballprofi, und das auch noch beim FC Bayern. Deshalb klang Verzagen aus seinen Worten, als er nach dem 6:0-Erfolg beim VfL Wolfsburg darüber sprach, dass es jetzt "ein bisschen ruhiger" werde für ihn und seine Mannschaft. "Wir haben jetzt drei Wochen mit jeweils nur einem Spiel. Das ist ungewohnt." Es war zu spüren, dass es ihm schwer fällt, sich mit diesem Umstand zu arrangieren. Immer noch.
Der FC Bayern hatte gerade an diesem 31. Spieltag vorzeitig die Deutsche Meisterschaft gewonnen mit dem krachenden Sieg gegen den VfL, zum insgesamt 27. Mal und zum fünften Mal nacheinander, einmalig in der Geschichte der Bundesliga. Und obwohl die Münchner versuchten, diesen Titel zu feiern so gut es ging, war die festliche Stimmung doch ziemlich getrübt. Es war eine Feier vor düsterer Kulisse.
Der Klub ist schwer getroffen durch das Aus im Viertelfinale der Champions League gegen Real Madrid und die Niederlage im Halbfinale des DFB-Pokals gegen Borussia Dortmund. Es klappt schon wieder nicht mit dem Triple, nicht einmal mit dem Double. Normalerweise würde die Saison jetzt in die heiße Phase biegen für die Münchner mit den Halbfinals und dem Finale der Champions League und dem Endspiel im Pokal. Doch diesmal sind für sie schon nach dem 31. Spieltag alle Entscheidungen gefallen. Diesmal ist die Saison vorzeitig zu Ende. Die Meisterschaft ist nach allgemeinem Dafürhalten nur ein Trostpreis für die Bayern. Nach der Partie in Wolfsburg versuchten sie dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - sich diesen Titel schön zu reden, ihn mit Bedeutung aufzuladen.
"Wir wollten einfach Spaß haben"
"Alle sagen: die Bayern werden sowieso Meister. Aber das musst du auch erstmal schaffen. Du bekommst in der Bundesliga nichts geschenkt", sagte Robben. Klubchef Karl-Heinz Rummenigge pries die historische Einzigartigkeit des fünften Titels nacheinander. "Außergewöhnlich, unglaublich!", sagte er. Offensivmann Thomas Müller sprach über die therapeutische Wirkung des krachenden Sieges in Wolfsburg nach den jüngsten Turbulenzen. "Wir wollten einfach Spaß haben, einen raushauen und uns selbst zeigen, dass wir es noch können."
Und das gelang beeindruckend. Schon zur Pause war das Spiel entschieden durch Treffer von David Alaba und zweimal Robert Lewandowski. Rummenigge ließ sich auf der Ehrentribüne einen Becher Bier reichen und stieß schon einmal auf die Meisterschaft an. Nach dem Wechsel schalteten die Münchner einen Gang zurück und kamen trotzdem zu drei weiteren Toren durch Robben, Müller und Joshua Kimmich gegen einen VfL, bei dem nicht klar ist, wie er in dieser Verfassung den Klassenerhalt schaffen will. "Wie Männerfußball gegen Jugendfußball" habe sich die Partie angefühlt, urteilte Mario Gomez, Wolfsburgs Angreifer mit Bayern-Vergangenheit.
Der Sechserpack zur Meisterkrönung war ein Statement. Er illustrierte, dass die Münchner in der Bundesliga immer noch konkurrenzlos sind und an einem guten Tag jeden Gegner nicht nur schlagen können - sondern überrollen, abschießen, an die Wand spielen. Vielleicht hat es sogar eine gute Seite, dass es in den kommenden Wochen nicht mehr um Titel und Triumphe geht, nicht mehr ums Gewinnen und Verlieren. So kann sich der FC Bayern auf die Verabschiedung eines seiner größten Helden konzentrieren, auf die Verabschiedung von Kapitän Philipp Lahm, der nach der Saison seine Karriere beendet. "Ich will die letzten drei Wochen genießen - jedes Trainingsspiel, jede Flanke, jeden Torschuss."
Wie das aussieht, war in Wolfsburg gleich nach Abpfiff zu besichtigen. Als die Mannschaft vor dem Gästeblock der VfL-Arena mit ihren Fans die Meisterschaft feierte, im roten Sieger-T-Shirt aber ohne die gewohnten Weißbier-Duschen, spielte Lahm den Zeremonienmeister. Mit dem Megafon des Fan-Vorsängers dirigierte er den Festakt. Er sah dabei ziemlich zufrieden aus. Er sah nicht aus, als würde er in diesem Moment an das Aus in der Champions League und im Pokal denken.
Quelle: ntv.de