Top-Leistung nach Löw-Ausbootung Frustrierte Bayern-Stars antworten sportlich
10.03.2019, 09:40 Uhr
Thomas Müller und Mats Hummels spielten ebenso wie Jérôme Boateng so, als wollten sie Joachim Löw beweisen, dass er im Unrecht ist.
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Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng sind nun nicht mehr Teil der deutschen Nationalmannschaft. Ihren Ärger über die Entscheidung münzt das Trio in Motivation um: Der VfL Wolfsburg hat auch dank ihrer Top-Leistung keine Chance gegen den FC Bayern.
Die Laune hätte kaum besser sein können. Abwehrspieler Mats Hummels wünschte zum Abschied freundlich einen schönen Abend, sein Innenverteidiger-Kollege Jérôme Boateng verschwand mit einem Lächeln in den Münchner Abend, und Thomas Müller sagte auf dem Weg nach Hause: "Ich habe einen schönen Spieltag erlebt." Es war der einzige Redebeitrag der drei von Bundestrainer Joachim Löw in die DFB-Rente verabschiedeten Profis des FC Bayern. Der Satz von Müller wirkte trotzdem wie ein Statement nach dem glanzvollen 6:0-Sieg an diesem 25. Spieltag der Fußball-Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg.

Ulli Hoeneß will sich übrigens wohl nach dem Liverpool-Spiel zu Löws Personalentscheidung äußern.
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Denn mit dem Erfolg eroberten die Münchner zum einen die Tabellenspitze, zum anderen lieferten die nun ehemaligen Nationalspieler den Kritikern, dieser zum jetzigen Zeitpunkt überraschenden Entscheidung von Löw, sportlich eine Handvoll Argumente. "Die Jungs", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic, "haben eine gute Antwort gegeben."
Boateng und Hummels standen zum ersten Mal in der Rückrunde gemeinsam in einem Pflichtspiel in der Innenverteidigung auf dem Platz. Zwar bereiteten die harmlosen Wolfsburger dem Duo nicht viel Arbeit, aber es strahlte große Souveränität aus und überzeugte mit Präsenz auch im Spiel nach vorne. Müller belebte wie schon zuletzt in Mönchengladbach die Offensive der Münchner, bereitete das erste Tor durch Serge Gnabry vor und erhöhte mit dem Treffer zum zwischenzeitlichen 4:0 seine Quote auf nunmehr 110 Bundesliga-Toren. Er liegt in der ewigen Bestenliste nun gleichauf mit Jürgen Klinsmann und Andreas Möller.
"Die Art und Weise, wie sie es heute umgesetzt haben in positive Energie, das spricht für sie als Spieler, als Mensch und Charaktere. Kompliment", sagte Trainer Niko Kovac. Dass er gleich alle drei in der Startelf aufbot, hatte sicher auch ein bisschen mit Löws Entscheidung zu tun, aber es passte wohl bestens in seine taktischen Überlegungen im Hinblick auf das Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Liverpool Mitte der Woche.
Teamkollegen zeigen sich loyal
München: Neuer - Kimmich, Jerome Boateng, Hummels, Rafinha - Thiago, Martinez (54. Goretzka) - Thomas Müller, James (74. Sanches), Gnabry (55. Ribery) - Lewandowski; Trainer: Kovac.
Wolfsburg: Casteels - William, Knoche, Brooks, Roussillon - Guilavogui - Gerhardt (83. Malli), Arnold (68. Rexhbecaj) - Mehmedi (58. Steffen), Weghorst, Brekalo; Trainer: Labbadia.
Schiedsrichter: Stegemann
Tore: 1:0 Gnabry (34.), 2:0 Lewandowski (37.), 3:0 James (52.), 4:0 Müller (76.), 5:0 Kimmich (82.), 6:0 Lewandowski (85.).
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)
Die Münchner sind gerade dabei, die Machtverhältnisse im deutschen Fußball wieder zurechtzurücken. Zum ersten Mal seit dem fünften Spieltag liegt nicht Borussia Dortmund an der Spitze, sondern wie in den vergangenen sechs Jahren fast durchgehend der Rekordmeister. Und auch in Europa sind sie noch anders als in der Vorrunde, nicht mehr als Auslaufmodell zu betrachten, sondern begegnen den letztjährigen Finalisten aus Liverpool auf Augenhöhe - und das vor allem dank der Routiniers, die genau zum richtigen Zeitpunkt in Bestform zu kommen scheinen.
Aber dennoch drehte sich nach der sehr einseitigen Partie gegen Wolfsburg vieles um die Ereignisse vom vergangenen Dienstag, als Löw zum Abschluss der Karnevalszeit extra nach München gereist war, um dem Trio den Kehraus mitzuteilen. Was die drei von ihrer Ausbootung und vor allem vom Stil des Bundestrainers halten, haben sie bereits in den Tagen danach in den sozialen Medien verkündet. Am Samstag schwiegen sie dazu - und ließen lieber andere reden.
Manuel Neuer hielt sich wie gewohnt diplomatisch zurück. Er könne die Enttäuschung verstehen, sagte der Torhüter, "aber auf der anderen Seite ist der Trainer dazu da, Entscheidungen zu treffen". Dass er als Kapitän nicht von Löw vorab informiert worden war, wie er wissen ließ ("hinterher haben wir telefoniert"), ist bemerkenswert. Hinter Müller, Boateng und Hummels stellten sich vor allem jene Kollegen, die vom Umbruch in der Nationalmannschaft eigentlich profitieren. "Die Art und Weise", sagte Joshua Kimmich, "war nicht okay. Ich verstehe das absolut, dass die Jungs enttäuscht sind. Keiner von ihnen ist zu alt, um in der Nationalmannschaft zu spielen. Sie haben einen anderen Abgang verdient".
Auch für Leon Goretzka ist es nicht nur eine Stilfrage. Alle drei seien "große Persönlichkeiten. Es entsteht eine Lücke, die gestopft werden muss", sagte der Mittelfeldspieler, der bei dem Trio nach dem nicht gerade feinfühligen Rauswurf vor allem eine Trotzreaktion festgestellt hat: "Mein Eindruck war, dass sie auch viel Motivation daraus gezogen haben." Für den FC Bayern in der entscheidenden Phase der Saison. So gesehen war der Zeitpunkt der Verabschiedung aus dem Nationalteam für den Rekordmeister perfekt.
Quelle: ntv.de