Fortuna rockt die Bundesliga "Funkel ist der Vater des Erfolgs"
27.04.2019, 09:24 Uhr
Sportvorstand Pfannenstiel und Trainer Funkel hochzufrieden: Fortuna Düsseldorf hat mit dem Abstieg in dieser Saison nichts zu tun.
(Foto: picture alliance/dpa)
Vor der Saison gilt Fortuna Düsseldorf als Abstiegskandidat Nummer eins. Doch der Aufsteiger überrascht und sichert früh die Klasse. Fortunas neuer Sportvorstand Lutz Pfannenstiel nennt n-tv.de im Interview die Gründe, zeigt Stärken auf und spricht von einem "schlafenden Riesen", der in der neuen Saison nur ein Ziel hat.
n-tv.de: Herr Pfannenstiel, Fortuna Düsseldorf spielt auch in der kommenden Saison in der 1. Fußball-Bundesliga. Vor der Saison haben das die wenigsten Experten erwartet. Gehörten Sie dazu?

Lutz Pfannenstiel ist seit Dezember 2018 Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf.
(Foto: Fortuna Düsseldorf)
Lutz Pfannenstiel: Vor der Saison hieß es: Nürnberg und Düsseldorf sind die Abstiegskandidaten Nummer eins. Allerdings hat bei uns die Mannschaft mit Biss, Mentalität und Willen schnell klargemacht, dass sie die Klasse um jeden Preis halten will. Und vor allem in den letzten 15 Spielen haben wir mit starken Auftritten, selbst nach deutlichen Niederlagen wie etwa gegen Wolfsburg, immer wieder bewiesen, dass wir kein Abstiegskandidat sind.
Sie kamen im Dezember aus Hoffenheim zur Fortuna, wurden Sportvorstand. Was war der Grund, der Auslöser?
Ich hatte immer das Ziel, in die sportliche Leitung eines Klubs aufzurücken. In der Vergangenheit gab es bereits Anfragen, auch aus dem Ausland. Aber als dann die Fortuna angeklopft hat, war für mich schnell klar: Da will ich hin, das machst du jetzt! Ich glaube, dass die Fortuna und ich sehr gut zusammenpassen.
Sie waren acht Jahre bei der TSG, auch im Scouting. Was hat Sie an der Fortuna gereizt?
Lutz Pfannenstiel ist der erste Fußballer, der in seiner Karriere auf sechs Kontinenten gespielt hat: 25 Vereine in 13 Ländern - nachzulesen in "Unhaltbar - Meine Abenteuer als Welttorhüter". Seit seinem Karriereende verantwortete er unter anderem den Bereich International Relations und Scouting beim Fußball-Bundesligisten 1899 Hoffenheim. Er war von 2018 bis 2020 Sportdirektor beim Bundesliga-Traditionsverein Fortuna Düsseldorf. Seit August 2020 ist er Sportdirektor beim MLS-Verein St. Louis City SC.
Pfannenstiel ist zudem als TV-Experte für verschiedene nationale und internationale Sender wie ESPN, SRF, BBC und DAZN tätig. Er ist Auslandsexperte beim DFB und Trainerausbilder bei der FIFA. Pfannenstiel ist zudem der Gründer von Global United FC.
Bei der Fortuna hat mich vor allem beeindruckt, welchen Stellenwert der Verein in der Stadt und bei den Fans hat. Der Verein hat Tradition, Anhänger, die mit dem Verein durch dick und dünn gehen, ein Stadion mit internationalem Format. Bei der Fortuna kann man etwas bewegen, sie ist ein schlafender Riese, der gerade dabei ist, geweckt zu werden - daran möchte ich teilhaben und mitwirken!
Bei der TSG waren Sie im Scouting. Davor waren Sie als Torwart und Trainer auf allen Kontinenten unterwegs, haben daher auch den Beinamen "Welttorhüter". Inwieweit kommen Ihnen und der Fortuna nun die dabei gesammelten Erfahrungen und geknüpften Kontakte zugute?
Die Erfahrungen, die ich vor allem als Spieler überall sammeln konnte, sind schon sehr hilfreich, keine Frage. Mein Telefonbuch ist ganz schön dick (lacht). Das Netzwerk ist entsprechend groß, die internationalen Kontakte umfangreich. Dazu konnte ich in Hoffenheim das Transfergeschäft in der Bundesliga von der Pike auf lernen, wie man das Beste für seinen Verein herausholt. Das hilft mir jetzt ungemein. Interkulturelle Kompetenz ist für mich das Zauberwort.
Apropos Netzwerk und internationale Kontakte: Sie sollen Dawid Kownacki bereits seit Jahren auf dem Schirm haben ...

Dawid Kownacki (r.) hatten viele Klubs auf dem Zettel, aber er spielt derzeit für Düsseldorf.
(Foto: picture alliance/dpa)
Absolut! Aber da bin ich aber nicht der Einzige. Viele Bundesligaklubs, auch internationale Topvereine hatten ihn auf dem Zettel. Er war schon in seiner Jugend als Spieler in Polen herausragend. Und als die Möglichkeit bestand, einen Spieler dieses Niveaus zur Fortuna zu holen, haben wir sie genutzt. Es gab keinen Zweifel daran: David passt hundertprozentig zur Fortuna! Er macht uns besser.
Kownacki ist ausgeliehen von Sampdoria Genua, Kaufpreis: kolportierte acht Millionen Euro. Kann die Fortuna das schultern? Will sie das, bleibt Kownacki?
Wir haben natürlich Interesse, ihn bei der Fortuna zu halten, keine Frage. Wenn man ein Leihgeschäft mit Kaufoption abschließt, ist das ein Zeichen, dass man ihn durchaus längerfristig an den Verein binden will. Momentan sind wir in Gesprächen. Dabei werden alle Optionen ausgelotet: Kauf, längeres Leihgeschäft ... Am Ende entscheiden aber nicht nur wir, sondern auch der Spieler und eben Sampdoria Genua.
Eine ähnliche Situation gibt es beim Toptorjäger Dodi Lukebakio, ausgeliehen vom FC Watford. Da müsste der Verein wohl zehn Millionen Euro zahlen. Wie ist da der Verhandlungsstand?

F95-Toptorjäger Lukebakio: Ein Verbleib des Belgiers bei der Fortuna ist sehr unwahrscheinlich.
(Foto: picture alliance/dpa)
Dodi hat großen Anteil daran, dass wir die Klasse so früh halten konnten. Er hat mit seinen Toren und seiner Spielweise auch unsere Fans begeistert. Er hat sich auf die Liste der großen Klubs geschossen. Deshalb wird es für uns nahezu unmöglich, ihn halten zu können.
Die Fortuna hat viele Leihspieler im Kader, einige wie Benito Raman beispielsweise, hat man schon fest gebunden. Bei anderen, Sie sagten es, wird es schwer bis unwahrscheinlich. In der neuen Saison könnte somit ein fast komplett neues Team auflaufen. Trainer Friedhelm Funkel wünscht sich ja auch noch einen neuen Torhüter, Michael Esser wäre ihm laut "Sport Bild" am liebsten. Also Abgänge, Neuzugänge, Neuaufbau: Das könnte für Unruhe im Team sorgen ...
Zunächst einmal habe ich keine Angst vor einem Ausverkauf! Wenn eine Mannschaft, die als Abstiegskandidat Nummer eins galt, dann solche Leistungen abliefert wie die Fortuna, weckt das natürlich Begehrlichkeiten anderer Vereine. Das sehe ich aber nicht als Nachteil, sondern vielmehr als Wertschätzung an der Arbeit des Trainerteams, der Mannschaft und des gesamten Vereins. So ist der Profifußball nun einmal. Ich denke, die Spieler wissen, was sie an der Fortuna haben und wir werden auf alle Fälle versuchen, den Kern des Teams zusammenzuhalten. Wir müssen unseren Kader punktuell sogar verbessern, um an unsere Leistungen anzuknüpfen.
Und dazu kommen dann wieder hauptsächlich Spieler auf Leihbasis?
In erster Linie versuchen wir, ablösefreie, junge Spieler mit Perspektive zur Fortuna zu holen. Aber natürlich wird es auch wieder Leihspieler geben. Das entspricht unseren finanziellen Möglichkeiten.
Mit Oliver Fink, 36, wurde bereits verlängert. Die Fans freut's - ebenso, dass nach dem Hickhack im Dezember auch in der neuen Saison Friedhelm Funkel auf der Trainerbank sitzen wird. Wie wichtig sind diese beiden, gerade mit ihrer Erfahrung, wenn man die Beispiele Hannover 96 und VfB Stuttgart sieht, die zeigen, dass die zweite Saison nach einem Aufstieg die eigentlich schwierigere ist?
Ich sehe das relativ nüchtern: Auch im zweiten Jahr nach dem Aufstieg ist die Mannschaft, der Kader, den man hat, entscheidend. Dass dazu noch die Erfahrung von mehr als 1000 Profispielen eines alten Trainerfuchses wie Friedhelm Funkel kommen, hilft natürlich ungemein. Er kennt die Bundesliga wie kein anderer, kennt auch die zweite Saison nach einem Aufstieg und weiß, worauf es am Ende ankommt.
Also ist das zweite Jahr in der Bundesliga nicht schwerer als das erste?
Genau. Für uns hat sich die Herausforderung nicht geändert: Wir werden wieder als einer der Top-Abstiegskandidaten gelten und wollen wieder um jeden Preis die Klasse halten.
Es heißt aber auch, dass im zweiten Jahr der Enthusiasmus, die Begeisterung bei Fans und Verein etwas nachlassen ...
Heißt es, ja. Braunschweig, Fürth, Paderborn fallen mir dazu ein. Aber wir sind die Fortuna, wir haben mit die besten Fans deutschlandweit. Da mache ich mir über eine mangelnde Begeisterung auf den Rängen keine Gedanken. Für die Mannschaft und Verein gilt das ebenso!
Sie sprachen es an: Trainer Funkel ist ein Pluspunkt für die Fortuna. Was zeichnet ihn neben seiner unglaublichen Fußball- und Bundesligaerfahrung aus?
Was mir an Friedhelm Funkel besonders imponiert, ist die Art und Weise, wie er mit den Spielern umgeht, wie er mit jedem Spieler redet, auf jeden eingeht. Er hat eine unglaublich sympathische Autorität. Er hat die Kabine im Griff, findet immer die richtigen Worte vor den Spielen, seine Ansprachen kommen bei der Mannschaft an. Friedhelm Funkel ist für mich der Vater des derzeitigen Erfolgs von Fortuna Düsseldorf!
Funkel mit seinem Trainerstab ist also ein derzeitiger Erfolgsgarant. Gibt es noch weitere Stärken der Fortuna?

Für Fortuna-Sportvorstand Pfannenstiel ist Trainer Funkel der "Vater des Erfolgs".
(Foto: picture alliance/dpa)
Zuallererst muss man da die Mannschaft, das Team nennen. Wegen der mannschaftlichen Geschlossenheit, wegen der Mentalität des Teams, wegen der Einstellung und der Begeisterung stehen wir derzeit auf Platz zehn. Miteinander und füreinander statt gegeneinander zu arbeiten. Dem Mitspieler helfen, ein paar Extrameter in Kauf nehmen, für den Mitspieler und das Team kämpfen, alles in die Waagschale werfen. Das ist eine weitere große Stärke der Fortuna in dieser Saison!
Wo Stärken sind, gibt es in der Regel auch Schwächen. Wo liegen diese bei der Fortuna, was muss man noch abstellen oder verbessern?
Schwäche ist immer relativ. Wenn wir beispielsweise auf unsere Tordifferenz, derzeit minus 19, schauen, klingt das nach Abstiegskandidat und nicht nach Tabellenplatz zehn. Allerdings war da auch die ein oder andere herbe Niederlage dabei wie das 1:7 in Frankfurt oder auch das 2:5 in Wolfsburg. Was man an der Tordifferenz allerdings nicht ablesen kann, sind die Spiele danach, als die Mannschaft Moral und Charakter bewiesen hat. Nie aufgeben, wieder aufstehen. Dann schafft man bei den Bayern eben auch mal ein 3:3 oder gewinnt auf Schalke 4:0.
59 Gegentore sprechen aber von einer Abwehrschwäche und dafür, dass an der Defensive gearbeitet werden muss ...
Klar müssen wir hinten etwas stabiler werden und dürfen in der kommenden Saison nicht mehr so viele Gegentore kassieren. Aber da sind eben nicht nur Torwart und Abwehr gefordert: Verteidigen muss die gesamte Mannschaft. Deshalb würde ich auch nicht von einer Abwehrschwäche der Fortuna reden.
In der neuen Saison heißt das oberste Ziel wieder Klassenerhalt. Wo liegen die mittelfristigen Ziele des Klubs, dieses "schlafenden Riesen"?
Vorweg: Träumen darf man immer, aber man muss im Fußballgeschäft auch Realist bleiben. Die nächsten zwei Jahre heißt das für die Fortuna sicher noch Abstiegskampf und um jeden Preis die Klasse halten. Mittelfristig gesehen liefert die Frankfurter Eintracht derzeit ein ideales Beispiel, was alles mit begrenzten Mitteln, aber dafür mit umso mehr Euphorie und Enthusiasmus möglich ist. In drei Spielzeiten vom Abstiegskandidaten zum Pokalsieger und ins internationale Geschäft ist schon positiver Wahnsinn - und für uns dient das durchaus als eine Orientierungshilfe. Allerdings: Mittelfristig träumen wir als Fortuna Düsseldorf nicht vom DFB-Pokalsieg oder von Europa - wir träumen davon, uns in der Bundesliga zu etablieren und in eine Saison zu gehen, ohne Abstiegskandidat Nummer eins zu sein.
Mit Lutz Pfannenstiel sprach Thomas Badtke
Quelle: ntv.de