Hunderte Opfer in Dutzenden Klubs Fußball-Missbrauchsskandal weitet sich aus
04.12.2016, 14:04 Uhr
Der FC Chelsea soll einst Schweigegeld gezahlt haben, statt einen Missbrauchsvorwurf aufzuklären. Nun entschuldigte sich der Klub dafür.
(Foto: AP)
Der Skandal um den sexuellen Missbrauch von englischen Nachwuchsfußballern nimmt immer größere Ausmaße an. Mehr als 1000 Menschen hätten sich bereits mit Hinweisen gemeldet, mehr als 50 Klubs sollen involviert sein. Auch "aktuelle Fälle" gebe es.
In den Missbrauchsskandal im englischen Fußball sollen 55 Klubs verwickelt sein. Das berichtete der "Observer" unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle innerhalb der Koordinierungsstelle der Polizei, die sich mit Missbrauchsfällen beschäftigt ("Operation Hydrant"). Demnach hat bereits ein Drittel der englischen Polizeistationen Untersuchungen zu verschiedenen Fällen von sexuellem Missbrauch eingeleitet. Betroffen seien sowohl Amateure als auch Profis.
Bei einer eigens eingerichteten neuen Beratungsstelle haben sich inzwischen mehr als 1000 Menschen mit Hinweisen auf sexuelle Übergriffe gemeldet, bestätigte eine Sprecherin der Kinderschutzorganisation NSPCC der Deutschen Presse-Agentur. Die meisten Fälle beziehen sich nach ihren Angaben auf die Vergangenheit. "Es gibt aber auch eine geringe Zahl aktueller Fälle", berichtete die Sprecherin. Die Telefon-Hotline bei NSPCC (National Society for the Prevention of Cruelty to Children) ist am 23. November eingerichtet worden und wird vom Fußballverband FA unterstützt.
Mehrere ehemalige Fußball-Profis hatten sich in den vergangenen Wochen getraut, öffentlich über ihr Leid zu berichten und traten damit eine Lawine los. Auch der englische Verband FA ist inzwischen ins Zwielicht gerückt. Russell Davy, einst Torhüter in der Jugend von Charlton Athletic, beschuldigte die FA, 1986 nicht auf seinen Brief geantwortet zu haben, in dem er den Verband auf Missbrauch durch Scout Eddie Heath aufmerksam gemacht hatte. "Das macht mich wütend", sagte Davy dem "Sunday Mirror", "ich wurde im Stich gelassen und habe noch immer das Gefühl, dass es niemanden kümmert."
Chelsea entschuldigt sich
Am Samstag hatte sich der FC Chelsea bei seinem Ex-Spieler Gary Johnson entschuldigt. Johnson habe unzumutbar in seiner Zeit als Jugendspieler leiden müssen, heißt es in einer Erklärung des Vereins. Jeder im Club sei geschockt über die Missbrauchsfälle der Vergangenheit quer durch den britischen Fußball.
"Wir haben Hochachtung vor dem enormen Mut der Leute, die über den schrecklichen Missbrauch gesprochen haben, den sie ertragen mussten. Dazu gehört auch der frühere Chelsea-Spieler Gary Johnson", heißt es in der Erklärung.
Johnson hatte zuvor in einem Interview mit der Zeitung "Daily Mirror" berichtet, dass der Club ihm 50 000 britische Pfund als Schweigegeld gezahlt habe. Der Täter soll ein Jugendtrainer gewesen, der inzwischen gestorben ist. Der Missbrauch ereignete sich demnach in den 70er Jahren. Der Verein leitete eine externe Untersuchung ein.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa