Ausgeknockt auf Augenhöhe Gladbach verliert, scheitert aber nicht
22.03.2012, 06:01 Uhr
Der eine freut sich, der andere, nun ja: Bayers Torhüter Manuel Neuer hat soeben den Elfmeter des Mönchengladbachers Dante abgewehrt.
(Foto: dpa)
Mönchengladbach verliert im Halbfinale des DFB-Pokals gegen den FC Bayern, und das auf die grausamste Art, die der Fußball zu bieten hat. Dennoch - oder eben drum - feiern die Zuschauer ihre Borussia, während die Münchner außerordentlich froh sind, einen Manuel Neuer zu haben.
Er trug’s mit Fassung, aber angeschlagen sah er aus. "Es schmerzt schon ein Stück weit", sagte Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl und verdiente sich damit den Preis für die maßloseste Untertreibung des Abends. Seine Mannschaft hatte soeben im mit 54.049 Zuschauern ausverkauften Borussia-Park auf die grausamste und ungerechteste Weise das Halbfinale im DFB-Pokal gegen den FC Bayern verloren, die das Regelwerk des Fußballs zulässt - im Elfmeterschießen, mit 2:4.
Elfmeterschießen: 0:1 Alaba, 1:1 Daems, 1:2Ribéry, 2:2 Herrmann, 2:3 Lahm, Dante schießt übers Tor, 2:4 Kroos, Neuer hältgegen Nordtveit
Mönchengladbach: ter Stegen - Jantschke, Stranzl (62. Brouwers), Dante, Daems - Nordtveit, Neustädter - Wendt (62. Herrmann), Arango -Hanke (75. de Camargo), Reus
München: Neuer - Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba - LuizGustavo, Toni Kroos - Robben, Thomas Müller (106. Petersen), Ribery -Gomez (100. Olic)
Schiedsrichter: Kinhöfer (Herne)
Zuschauer: 54.049 (ausverkauft)
Nun dürfen die Münchner, die auch ihr zehntes Pokalspiel in Folge gewannen, das nicht nach 90 Minuten entschieden war, am 12. Mai im Berliner Olympiastadion zum Endspiel gegen Borussia Dortmund antreten. Und sie haben somit weiterhin die Chance, in dieser Saison drei Titel zu gewinnen, auch wenn eben jener BVB acht Spieltage vor dem Ende in der Bundesligasaison immer noch fünf Punkte Vorsprung hat, und die Bayern in der Champions League gerade einmal das Viertelfinale gegen Olympique Marseille erreicht haben. Dennoch, sie mischen weiter mit, und nicht weniger hatten sie sich zum Ziel gesetzt. Und die Gladbacher? "Wichtig ist, dass wir jetzt eine Nacht drüber schlafen - und dann wieder aufstehen." Max Eberl wirkte wirklich nicht so, als sei er froh, Recht behalten zu haben. Er hatte vor der Partie davon gesprochen, dass es quasi unmöglich sei, nach zwei Siegen in der Bundesliga die Münchner ein drittes Mal in einer Saison zu schlagen. Allerdings, genau genommen haben die Gladbacher auch diese dritte Partie nicht verloren, zwei aufregende Stunden lang hatten sie "verdient die Null gehalten" und waren dem vorgeblich übermächtigen FC Bayern auf Augenhöhe begegnet, auch wenn der sich mehr Torchancen herausgespielt hatte.
Es war eines der besten Spiele in dieser Saison, kurzweilig, schnell, spannend und mitunter wild, ein 0:0 der allerfeinsten Sorte, und nicht so ein Spiel, über das die Experten urteilen: Ja, es sind zwar keine Tore gefallen, aber taktisch war es zum Zungeschnalzen. Und es ist nach wie vor eine der größeren Überraschungen der jüngeren deutschen Fußballgeschichte, dass der Fast-Absteiger der vergangen Spielzeit daran einen gleichwertigen Anteil hatte - auch wenn die Mönchengladbacher, die in der Bundesliga auf gutem Weg sind, sich für die Königsklasse zu qualifizieren, am Ende mit leeren Händen dastanden. Aber wer gesehen und vor allem gehört hat, wie die Zuschauer ihre Mannschaft nach dieser Niederlage gefeiert haben, der weiß, dass die Mannschaft von Trainer Lucien Favre zwar ein Spiel verloren hat, aber mitnichten gescheitert ist.
Schlüsselpartie für Manuel Neuer
Beim finalen Ausschießen hatte erst Gladbachs überragender Abwehrchef Dante den Ball übers Tor geschossen und dann der Münchner Torwart den Strafstoß von Havard Nordtveit mit den Füßen abgewehrt. Münchens Trainer Jupp Heynckes sprach von einer "großartigen Gesamtleistung". Und: "Sicher war darüber hinaus der Manuel Neuer heute der Matchwinner." In der Tat war es der deutsche Nationaltorhüter, im Sommer vom FC Schalke 04 gekommen, der seiner Mannschaft den Sieg rettete. Und auch wenn er anschließend sagte: "Ich hätte es lieber gehabt, wenn wir das Spiel schon vorher entschieden hätten. Elfmeterschießen ist Glücksache. Wir können froh sein, dass wir so gute Schützen haben" - es dürfte eine Schlüsselpartie für ihn gewesen sein, das Spiel, das er gebraucht hat, um endgültig in München anzukommen.
Schließlich hatte Manuel Neuer sowohl im ersten Saisonspiel beim 0:1 gegen Mönchengladbach gepatzt und auch beim 1:3 im Rückspiel einen Fehler gemacht. Nun rettete er kurz vor dem Ende der Partie in Weltklassemanier gegen Gladbachs Marco Reus und parierte den entscheidenden Elfmeter. Bereits in der ersten Halbzeit hatte er einmal gegen Reus nach 21 Minuten und eine knappe Viertelstunde gegen gegen Filip Daems die Bayern vor einem Rückstand bewahrt. Jupp Heynckes hat das geahnt, sagte er jedenfalls: "Das habe ich schon in den letzten Tagen gesehen, dass Manuel in sich ruhte." Vergessen seien die Fehler der Vergangenheit. "Er hat heute für mich eine absolut super Leistung gebracht und war auch die Ruhe selbst."
Ansonsten war den Bayern hinterher anzumerken, dass sie bei diesem Spiel mehr zu verlieren gehabt hatten als der Gegner. Sie wären gescheitert, hätten sie verloren. Und zeigten sich nach dem Einzug ins Finale eher erleichtert als ausgelassen, wenn auch zum ein oder anderen Siegerspäßchen aufgelegt. Ob die Mannschaft denn - wie Franck Ribéry und er jüngst in Berlin - wieder per Schnick-Schnack-Schnuck die Schützen ausgeknobelt habe? Toni Kroos, der den vierten Münchner Strafstoß sicher verwandelt hatte, lachte. "Nein, haben wir nicht, heute durften ja mehrere schießen." Max Eberl lachte nicht mit. So grausam kann Fußball sein.
Quelle: ntv.de