Naiv scheitert an abgezockt Gladbach verzweifelt an Sevillas Theater
27.02.2015, 11:17 Uhr
Granit Xhaka flog vom Platz.
(Foto: imago/Moritz Müller)
Nicht, dass sie klagen wollen. Aber nach dem Europaliga-K.o. sind die Fußballer der Gladbacher Borussia doch ziemlich entgeistert. Weil die Spieler des FC Sevilla ihre mimischen Fähigkeiten bis zum Äußersten ausreizen.
Hinterher waren sich alle einig: Das war beste Unterhaltung auf großer Bühne. Die Borussen aus Mönchengladbach haben zwar an diesem Donnerstagabend gegen den FC Sevilla mit 2:3 (2:2) verloren und somit das Achtelfinale der Fußball-Europaliga verpasst. Aber sie taten es mit Bravour, weil sie alles gaben, was sie zu bieten hatten. Raus mit Applaus, schöner scheitern mit der Elf vom Niederrhein. Schlechte Verlierer jedenfalls waren sie nicht. "Wir sind verdient ausgeschieden", konstatierte Kapitän Martin Stranzl. Und Angreifer Max Kruse räumte ein: "Was die Cleverness angeht, müssen wir noch viel dazulernen."
Tore: 0:1 Bacca (8.), 1:1 Xhaka (19.), 1:2 Vitolo (26.), 2:2 Hazard (29.), 2:3 Vitolo (79.)
Mönchengladbach: Sommer - Jantschke (78. Johnson), Stranzl, Dominguez (78. Hrgota), Wendt - Xhaka, Kramer - Herrmann (73. Traore), Hazard - Raffael, Kruse
Sevilla: Rico - Figueiras, Carrico, Kolodziejczak, Tremoulinas (82. Navarro) - Krychowiak, Iborra - Aleix Vidal, Banega (65. Mbia), Vitolo - Bacca (78. Gameiro)
Referee: Strahonja Zuschauer: 45.337
Schüsse: 25:14 Ecken: 7:0 Ballbes.: 70:30
Er sagte aber auch: "Sevilla hat all seine Europapokal-Erfahrung ausgespielt und uns gezeigt, woran wir in Zukunft arbeiten müssen." Damit hat er vornehm das umschrieben, was ihn und seine Kollegen vor 45.337 Zuschauern im ausverkauften Borussia-Park doch arg genervt hatte: die Schauspielkunst der Gäste aus Andalusien. Sie bleiben oft liegen, wenn sie gefoult wurden, ließen sich minutenlang auf dem Rasen behandeln - und standen dann geheilt wieder auf. Sie beschwerten sich stets beim kroatischen Schiedsrichter Marijo Strahonja, wenn ihnen etwas nicht passte; sie forderte ihn auf, den Gladbachern Gelbe Karten zu zeigen; sie verzögerten die Partie und spielten auf Zeit.
"Manche bezeichnen das als clever"
So routiniert, wie die Spanier ihre Rollen spielen, erinnerte der Auftritt des FC Sevilla weniger an das Improvisationstheater als vielmehr an die klassische Schauspielkunst mit ihrer festgelegten Einteilung. Nur das die Bandbreite arg eingeschränkt war und mal der eine, mal der andere Spieler den Part des unschuldig Verfolgten mimte. Und die Mönchengladbacher? Schauten zu, staunten und ließen sich, man muss das so sagen, übertölpeln - die Borussia als die jugendliche Naive. Gladbachs Christoph Kramer betonte zwar, es sei sinnlos, sich im Nachhinein darüber aufzuregen. Tat er dann aber doch. "Manche bezeichnen das jetzt als clever, dass sie Spanier immer hingelegt und geschrien haben. Ich könnte das nicht."
Unterstützung erhielt er von Kapitän Stranzl. Auch der wollte sich eigentlich nicht beklagen, gab dann aber zu: "Klar nervt das." Aber was hätten er und seine Kollegen denn machen sollen? "Der einzige, der das unterbinden kann, ist der Schiedsrichter. Und wenn der das so mitmacht …" Den Satz sprach er dann lieber nicht zu Ende. "Ob das etwas mit Respekt und Fairplay zu tun hat, muss jeder selbst beurteilen." Kurzum: "Sevillas Konzept ist halt aufgegangen. Für mich ist das erledigt. Wir dürfen nicht zu viel darüber nachdenken."
Tony Jantschke, sein Mitstreiter in der Abwehr, bemühte sich sogar, den Unparteiischen zu verstehen. Der sei schließlich auch ein Mensch. "Wenn jemand 700 Mal zum Schiedsrichter rennt, sagt der sich beim 701. Mal vielleicht auch: Jetzt gebe ich halt die Karte." Damit meinte er Granit Xhaka, der nach zwei - allerdings durchaus vertretbaren - Verwarnungen nach 68. Minuten mit Gelb-Rot vom Platz musste. Hochachtung vor dem Gegner hatte aber auch Jantschke nicht. "Jeder, der mich kennt, weiß: Ich mag das robuste Spiel, wenn es zur Sache geht. Und ich mag es, wenn man direkt wieder aufsteht." Aber manche Teams bedienten sich halt dieser Mittel. "Ich bin relativ froh, dass wir das nicht machen." Sein Trainer Lucien Favre auch. "Ich habe keine Spieler, die ständig Theater machen. Ich hasse das." Verlieren hasst er allerdings auch.
Quelle: ntv.de