Kindheitstraum erfüllt sich Gündoğan schwebt schwer verliebt von dannen
26.06.2023, 20:51 Uhr
İlkay Gündoğan verlässt Manchester City mit ganz viel Liebe.
(Foto: AP)
İlkay Gündoğan erfüllt sich den nächsten Traum. Nach dem Triple mit Manchester folgt samt großer Liebesbekundung der Wechsel zum FC Barcelona. Dort trifft der Nationalspieler wieder einen Coach auf gleicher Wellenlänge. Allerdings: Einfache Landungen hatte Gündoğan wenige in seiner Karriere.
Mehr als 50 Absätze, eine große Liebeserklärung: İlkay Gündoğan hat sich mit ganz viel Pathos von Manchester City verabschiedet und will seine Erfolgsstory nun beim FC Barcelona mit Kumpel Robert Lewandowski fortschreiben. In seinem ungewöhnlich langen Abschiedsbrief von Fans und Kollegen des englischen Triple-Siegers gab der deutsche Nationalspieler in "The Players Tribune" tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt.
Gündoğans Dank ging nach der finalen Krönung in der Königsklasse an praktisch alle Citizens: Die Mitspieler um Tormaschine Erling Haaland, explizit auch an Ersatztorwart Stefan Ortega und natürlich Trainer Pep Guardiola. Den mit arabischen Milliarden aufgepumpten Erfolgsklub beschrieb Gündoğan als freundliches Familiengebilde. Sogar die Spieler-Frauen bekamen Lob für die schönen Grill-Abende. "Jeden Tag haben wir gelacht und das ist selten im Fußball", notierte der eher introvertierte Profi. Nur vom deutschen Fußball, der Nationalmannschaft und deren misslicher Lage sprach Deutschlands derzeit bester Fußballer in seiner Herz-Schmerz-Danksagung praktisch nicht.
Von Guardiola in den Himmel gelobt
"Ich bin auf einem Fuß humpelnd hierhergekommen, aber ich verlasse diesen Ort mit dem Gefühl, in den Wolken zu schweben", erinnerte der 32-Jährige an seinen schwierigen City-Start vor sieben Jahren, als er am Knie verletzt in Manchester ankam, praktisch nur Trainer Guardiola als großen Fürsprecher auf seiner Seite. Das Urteil über seinen scheidenden Spieler hat der Erfolgscoach längst gefällt: "Er kann alles." Gündoğan sei der "intelligenteste Spieler", der ihm je untergekommen sei.
Gündoğan geht als fünffacher englischer Meister, als Kapitän und Champions-League-Sieger, 14 Pokale holte er mit den Himmelblauen insgesamt. "Als ich hier ankam, war ich ein junger Mann ohne Kinder und mit vielen Träumen. Ich kann es kaum glauben, aber sieben Jahre später verlasse ich euch als Vater, der jeden einzelnen seiner Träume erfüllt hat", schrieb der frühere Profi von Borussia Dortmund, dessen Sohn im März geboren wurde. Der BVB hatte sich um eine Rückkehr des Mittelfeldstrategen in die Bundesliga bemüht - aussichtslos bei der internationalen Konkurrenz. Nicht einmal Guardiola konnte Gündoğan zum Bleiben in Manchester überreden. Seinem Fußball-Ziehvater den Abschied zu verkünden, sei einer "der härtesten Anrufe" gewesen.
"Es war Barcelona oder nichts"
Aber: Der Vertrag lief aus. Ablösefrei ist der Wechsel möglich. Und der Junge aus dem Ruhrpott will sich den Kindheitstraum Barça erfüllen. "Es war Barcelona oder nichts", beschrieb er seine kategorische Präferenz. Die Perspektive scheint bestens. In Xavi wartet ein Trainer auf ihn, der ihn fußballerisch genau versteht und wie Guardiola zu einer wichtigen Bezugsperson werden kann. So ein Klima ist wichtig für Gündoğan.
"Ich sehe so viele Ähnlichkeiten zwischen uns als Charaktere und in der Art und Weise, wie wir das Spiel sehen", berichtete Gündoğan über das Verhältnis mit dem einst ebenfalls genialen Achter. "Ich war nicht auf der Suche nach einer einfachen Landung. Ich war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Darum geht es in diesem nächsten Kapitel", erklärte er.
Flick verweigert
Einfache Landungen hatte Gündoğan wenige in seiner Karriere. Die WM 2014 und die EM 2016 verpasste er wie viele andere Titelchancen verletzt. Es hätten schon viel mehr als die bislang 67 Länderspiele sein können. Der Skandal um die Erdogan-Fotos vor der WM 2018 ist ein dunkler Schatten. Im Gegensatz zu Kollege Mesut Özil war Gündoğan in der Lage, die schlimmsten Wogen zu glätten. Er trägt als Vertreter immer wieder mal die schwarz-rot-goldene Kapitänsbinde. Doch trotz Top-Leistungen in England blieb die Beziehung zu den deutschen Fans und auch zum DFB-Establishment irgendwie immer fern von großer Herzlichkeit.
"Wenn es darauf ankam", sei Gündoğan "immer da" gewesen, hatte Bundestrainer Hansi Flick vor dem jüngsten vermasselten Länderspiel-Dreierpack gesagt, bei dem Gündoğan nach den Titelfeiern mit City nur im letzten Test gegen Kolumbien (0:2) spielte. Einen Fix-Platz in der geliebten Zentrale wie in Manchester hat Flick ihm aber nie als Standard eingeräumt.
"Er hat in den entscheidenden Spielen seine Leistung abgerufen", fügte der Bundestrainer kürzlich an. Bis heute unverstanden bleibt die Auswechslung von Torschütze Gündoğan beim 1:2 gegen Japan - dem Anfang vom Ende bei der WM in Katar. Und kürzlich lobte der Bundestrainer in einer Antwort auf eine Gündoğan-Frage eher dessen DFB-Kollegen Joshua Kimmich. Das Fremdeln hat eben irgendwie bislang nie aufgehört. Nur einmal taucht das Wort "flick" in Gündoğans großem Fußball-Liebesbrief am Montag auf - als er sein Volleytor (englisch: to flick) für Manchester City gegen den FC Everton beschreibt.
Quelle: ntv.de, Arne Richter, dpa