Fußball

Gladbachs Trainer in Gefahr? Hallers Märchen verzaubert den gierigen BVB

Sebastien Haller wird beim BVB immer mehr zum entscheidenden Faktor.

Sebastien Haller wird beim BVB immer mehr zum entscheidenden Faktor.

(Foto: IMAGO/Ulrich Hufnagel)

Der BVB macht im Titelrennen seine Hausaufgaben, der furiose Sieg gegen Borussia Mönchengladbach ist bereits der elfte Heimsieg in Folge. Bei den Gästen herrscht Tristesse, die Debatten um Trainer Daniel Farke nehmen mächtig Fahrt auf.

Im "Schilling" im Dortmunder Kreuzviertel ging schon am frühen Nachmittag die Post ab. Der heimische BVB würde zwar erst am Abend gegen die Borussia aus Mönchengladbach antreten, doch die durch und durch in Schwarz und Gelb gekleideten Gäste genossen die angenehm warmen Temperaturen und debattierten angeregt über den Weg, der am Ende der Saison zur neunten Meisterschaft der Vereinsgeschichte führen werde.

Einige Fantasten versteiften sich tatsächlich auf die These, dass der ungeliebte Revierrivale aus Schalke etwas aus München mitnehmen würde. Nun, dieser weit hergeholte Wunsch war zwei Stunden später von der Realität eingeholt worden. Dann halt in der kommenden Woche, wenn das ebenso ungeliebte Marketingkonstrukt aus Leipzig den Rekordmeister herausfordert. Und wenn der minimale Rückstand vor dem letzten Spieltag immer noch besteht - so das in dieser Runde populärste Gedankenkonstrukt - leistet der 1. FC Köln beim Abschiedsspiel von Jonas Hector halt Schützenhilfe und hievt des BVB auf den Thron.

Schon der elfte Heimsieg in Folge

Dass die Borussia ihre Hausaufgaben erledigt und in den letzten Saisonspielen die maximale Ausbeute von neun Punkten einfährt, steht für die eingefleischten Dortmunder ohnehin außer Frage. Den ersten Schritt ihres Drei-Siege-zum-Saisonkehraus-Projekts bewältigten die Dortmunder mit Bravour. Gegen in der ersten Halbzeit bemitleidenswert unterlegene Gladbacher gelang ihnen vor mehr als 80.000 Besuchern im größten Stadion der Republik ein zunächst mit großer Leichtigkeit herausgespielter und nach dem Wechsel humorlos verwalteter 5:2 (4:0)-Sieg. Es war der elfte Erfolg in Folge im heimischen Stadion.

Wie so oft, wenn die Kräfteverhältnisse so frappierend einseitig verteilt sind, wie in den ersten 45 Minuten, konnte auch in diesem Fall trefflich darüber debattiert werden, wie es zu einem solch einseitigen Spielverlauf kommen konnte. Sicher, die Gastgeber agierten laufstark und mit mitreißendem Elan, doch sie trafen dabei auf erschreckend uninspiriert und blutleer über den Rasen flanierende Gladbacher, die zu keiner Minute den Eindruck erweckten, es handele sich um ein wichtiges Pflichtspiel in der Meisterschaft. Stattdessen strahlten sie mit jeder Faser ihrer weißen Leibchen aus, dass sie sich auf einem frühlingshaften Ausflug in Westfalen befinden. Die mitgereisten Fans auf der Nordtribüne machten zunächst gute Miene zum schlimmen Spiel ihrer Elf, später drehten sie dem Geschehen auf dem Rasen den Rücken zu und skandierten dann: "Wir haben die Schnauze voll."

"Wir haben alles vermissen lassen"

Die Stimmung ist angespannt am Ende einer Saison, in der die Fohlen zur grauen Maus mutiert sind. Trainer Daniel Farke hat das erkannt, er ging mit seinem Ensemble hart ins Gericht: "Wir haben alles vermissen lassen, was wir uns vorgenommen haben", referierte der 46-Jährige, um dann deutlich zu werden: "Undiszipliniert gegen den Ball, vorne angejoggt, Zweikampfführung pomadig. Da haben Basiselemente gefehlt, wir fahren enttäuscht nach Hause."

Bei solch desolaten Auftritten wie in Hälfte eins gerät das Wirken des Trainers zwangsläufig in den Fokus. Farke selbst mochte sich in Dortmund am Diskurs über seine Zukunft in Gladbach nicht beteiligen: "Für Gerüchte bin ich nicht zuständig. Das ist nicht mein Thema jetzt gerade", sagte er in der Pressekonferenz. Sportdirektor Roland Virkus, der dem Trainer Anfang Mai noch demonstrativ den Rücken gestärkt hatte, verließ das Dortmunder Stadion wort- und grußlos. Es könnte - so ist zu vernehmen - durchaus eng werden für Farke.

Haller findet wieder zu bemerkenswerter Form

Die Befindlichkeiten der Namensschwester vom Niederrhein können den Dortmundern herzlich egal sein. Sie konzentrieren sich darauf, ihre Hausaufgaben abzuarbeiten und dabei zu hoffen, dass der Primus aus München stolpert. Dass sich die offensive Power ihres Edelkaders in diesem Jahr immer öfter entfaltet, ist auch das Verdienst von Sebastian Haller. Der Sturmchef war in der Hinrunde unpässlich, weil er eine Krebserkrankung auskurieren musste. Mittlerweile ist der Franzose so weit, dass er für seinen Arbeitgeber im Zentrum zum unverzichtbaren Dienstleister wird. Gegen Gladbach bereitete Haller einen Treffer vor und erzielte zwei selbst. Eines seiner Tore war ein kleines Kunstwerk, das der Stürmer am Ende einer traumhaft schönen Kombination mit der Hacke veredelte.

"Es ist etwas Mentales, warum es bei mir so gut läuft. Ich genieße es jeden Tag, dass ich hier bin, auf dem Platz und in der Kabine sein kann. Genauso gut ist es aber auch, an der Spitze der Tabelle mitzuspielen", sagte der im vergangenen Sommer von Ajax Amsterdam verpflichteten BVB-Rekordeinkauf bei Sky tief entspannt. Zwei Tore in einem Spiel waren ihm schon gegen Köln gelungen. Vor allem die Gala seines Teams in der ersten halben Stunde der Partie mit vier Treffern schürt bei Haller den großen Glauben an ein Happy End im Titelkampf. "2023 sind wir Deutschlands beste Mannschaft, so muss es bleiben", sagte der ivorische Nationalspieler. "Mein Ziel ist es, alles mit den Jungs zu genießen. Wir müssen uns gegenseitig Freude bereiten."

"Sie performen so, wie wir uns das vorgestellt haben"

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"Es gibt einige Gründe für die gewaltige Diskrepanz beim BVB in der Zeit vor und nach der WM", hat der "Spiegel" neulich konstatiert: "Sébastien Haller ist einer davon, auch wenn das erst beim dritten oder vierten Blick auffällt." Explizit über Haller mochte sein Trainer Edin Terzić nach dem Spiel nicht sprechen, dafür lobte er das Offensivtrio Karim Adeyemi, Donyell Malen, Haller über den grünen Klee: "Sie performen jetzt genau so, wie wir uns das immer vorgestellt haben. Bei dem, was diese Jungs in den Füßen haben, kann man sich kaum vorstellen, dass sie nach dem 16. Spieltag noch kein Bundesligator hatten."

Seit der Winterpause schoss der BVB in 17 Spielen 53 Tore. Dazu trug nicht nur Haller mit seinen sieben Treffern, sondern vor allem auch Malen bei. Mit neun Toren und vier Assists ist der zuvor von vielen Fans bereits als Fehleinkauf eingestufte Niederländer plötzlich der Topscorer der Liga in diesem Jahr. Ob die Leistungsexplosion am Ende reichen wird, mal wieder die Schale in die Höhe zu recken und mit dem Planwagen um den Borsigplatz zu fahren? Alle Dortmunder gieren danach, auch wenn sie es nicht in der eigenen Hand haben. "Wir werden alles daran setzen", sagt Terzić, "nach dem letzten Spieltag die allerschönste Emotion gemeinsam zu erleben."

Quelle: ntv.de

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