Fußball

WM-Held Schäfer wird 90 "Hans, trinken Sie nicht so viel!"

Hans Schäfer (l.) nahm im WM-Finale 1954 eine entscheidende Rolle ein - er bereitete das entscheidende 3:2 vor.

Hans Schäfer (l.) nahm im WM-Finale 1954 eine entscheidende Rolle ein - er bereitete das entscheidende 3:2 vor.

(Foto: imago/Ferdi Hartung)

Hans Schäfer ist 1954 einer der Helden von Bern. Er erobert den Ball vor dem entscheidenden 3:2 im WM-Finale gegen Ungarn. Nun feiert der Mann, dem sie einst nur ein Bein zusprachen, seinen 90. Geburtstag.

Solch einen großen Auflauf wie im Jahr 1960 wird es heute zu seinem 90. Geburtstag sicher nicht geben: Als FC-Legende Hans Schäfer im Januar das 500. Pflichtspiel für seine Kölner bestritten hatte, versammelten sich um zwölf Uhr mittags knapp 100 Autos am Geißbockheim. Gemeinsam fuhren sie anschließend in einer imposanten Kolonne zu Schäfers Tankstelle in Lindenthal. Über eine halbe Stunde lang standen danach die Zapfhähne nicht still – und Schäfers Frau Isis hatte an der Kasse Mühe, die Scheine der jecken FC-Fans entgegenzunehmen. Von der typisch kölschen Würdigung einer besonderen Leistung wird noch heute gerne am Tresen erzählt.

Da war die Hölle los.

Da war die Hölle los.

(Foto: Horstmueller)

Wahrscheinlich werden auch keine ehemaligen Mitspieler wie 1967 extra ein Lied trällern und auf Schallplatte verewigen, wie es sich die Kollegen Heinz Hornig und Karl-Heinz Thielen zum 40. Geburtstag Schäfers nicht nehmen ließen. Damals sangen sie ein Ständchen mit folgenden Liedzeilen: "Ja, wenn man solche Beine hat, da kann so viel passieren. Auf die Beine kommt es an, besonders auf dem Fußballplatz, da gehen wir ran." Dass der Weltmeister von 1954, Hans Schäfer, auf ganz besonderen Beinen steht, hatte schon früh ein wichtiger Mann im Leben des gebürtigen Kölners festgestellt. Schäfers späterer Schwiegervater, der Schiedsrichterobmann Degenhard Wolf, hatte seiner Tochter Isis bei einem Spiel einmal ins Ohr geflüstert: "Guck dir den mal an. Was für ein Linksaußen! Aber er hat nur ein Bein."

Das hinderte Hans Schäfer allerdings nicht daran, erstens das Herz seiner Frau zu erobern und zweitens eine überragende Karriere hinzulegen. Zweimal wurde "De Knoll", wie er wegen seines häufig trotzigen und eigenwilligen Verhaltens genannt wurde, mit dem 1. FC Köln Deutscher Meister (1962 und 1964), stand weitere zwei Mal im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, war von 1958 bis 1965 Kapitän des FC, nahm an drei Weltmeisterschaften teil und holte 1954 den WM-Pokal mit dem deutschen Team. Er war es auch, der den Ball vor dem entscheidenden 3:2 durch Helmut Rahn (84.) im Finale gegen Ungarn eroberte.In der legendären Radio-Reportage von Herbert Zimmermann hieß es damals: "Bozsik, immer wieder Bozsik. Der rechte Läufer der Ungarn am Ball. Er hat den Ball, verloren diesmal gegen Schäfer, Schäfer nach innen geflankt, Kopfball, abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt! Toooor! Tooor! 3:2 für Deutschland!"

"Et es d’r janze Dag, d’r janze Dag am rähne"

"Ein Tor würde dem Spiel gut tun"

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

In seinem 1964 erschienenen Buch "Die Schäfer-Ballade" räumte der stets bescheiden auftretende Kölner Weltmeister mit dem berühmten "Geist von Spiez" und vor allem mit der Mythologisierung des Dauerregens am Finaltag, dem berühmten "Fritz-Walter-Wetter", auf: "Nur der alles vergoldende Rückblick auf die Weltmeisterschaft 1954 weiß zu berichten, wir seien am Morgen jenes entscheidenden 4. Juli in hoffnungsfroher, zu allem entschlossener Stimmung gewesen. Dabei hatten sich unsere Gefühle vor dem Endspiel ganz dem Sauwetter angeglichen. Et es d'r janze Dag, d'r janze Dag am rähne …".

Den Trainer der erfolgreichen WM-Mannschaft von 1954, Sepp Herberger, zählt Hans Schäfer bis heute zu den wichtigsten Menschen in seinem Leben. Deshalb sind die Worte, die der Bundestrainer damals anlässlich Schäfers Wahl zum "Fußballer des Jahres 1963" an ihn richtete, für immer in seinem Herzen geblieben: "Hans, du bist im Erfolg nicht übermütig geworden und hast dich von Misserfolgen nicht umwerfen lassen." Ein anderer entscheidender Mann im Leben des 90-Jährigen ist der ehemalige Präsident des 1. FC Köln, Franz Kremer, gewesen. Bis auf den heutigen Tag lebt Schäfer in der Kölner Franzstraße im Haus des allmächtigen und leider viel zu früh verstorbenen Vorsitzenden, den alle nur "Der Boss" nannten. Kremer und Schäfer waren für viele Jahre die wichtigsten Leute beim FC.

Das bemerkte in den Anfängen der Bundesliga auch der Torjäger Christian Müller. 34 Treffer hatte er in den ersten beiden Spielzeiten für den 1. FC Köln erzielt. Seit Jahren nun traf er schon zuverlässig für den FC, doch dann erhielt er am 22. Spieltag der Saison 1964/65 einen Platzverweis und fortan lief es für ihn nicht mehr rund. Christian Müller wusste damals auch genau, woran es lag: "Man muss es mit Hans Schäfer und Franz Kremer gut können. Nur dann kann man spielen. Denn der Trainer hat nichts zu sagen!" Damit traf Müller den Nagel auf den Kopf. Doch bereut haben sie diesen Umstand beim FC nie. Warum auch? Diese Jahre zählen immer noch zu den erfolgreichsten der Vereinsgeschichte.

"Kölsch köpfen" und Effzeh gucken

Als die Bundesliga 1963 startete, standen noch drei Weltmeister von 1954 am ersten Spieltag auf dem Bundesliga-Rasen, zwei von ihnen schossen sogar ein Tor: Helmut Rahn für den Meidericher SV und Max Morlock für den 1. FC Nürnberg. Nur Hans Schäfer für den 1. FC Köln ging leer aus. Doch das sollte sich schnell ändern. In den folgenden zwei Jahren erzielte die FC-Legende in 39 Partien unglaubliche 20 Tore. Eine sensationelle Quote – und das mit über 35 Jahren!

Zu seinem 75. Geburtstag hat Hans Schäfer gesagt: "Meinem 1. FC Köln will ich nahe sein, bis ich 100 werde und dann bei einem Glas Kölsch tot an der Theke umfallen." Heute wird er im engsten Kreise ein paar "Fässchen Kölsch köpfen" und am Abend rechtzeitig den Fernsehapparat anschalten, um die Partie des FC bei BATE Borissow zu schauen. Natürlich wünscht er sich zum Geburtstag einen Sieg seiner Mannschaft. Und sollte es so kommen, wird er getrost nicht an die Worte seines ehemaligen Trainers Sepp Herberger denken. Der meinte damals auf der Siegesfeier nach dem Gewinn der Fußball-WM 1954 zu Schäfer: "Hans, trinken Sie nicht so viel! In acht Wochen haben wir ein schweres Spiel
 in Brüssel gegen Belgien." Prost und Glück auf einem feinen Sportskameraden. Herzlichen Glückwunsch, Hans Schäfer!

Quelle: ntv.de

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