Fußball

Die Aufsteiger der Bundesliga Harte Dänen, irre Keeper und der FC Hollywood

Manuel Riemann ließ die Stürmer reihenweise verzweifeln.

Manuel Riemann ließ die Stürmer reihenweise verzweifeln.

(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)

Die Hinrunde der Fußball-Bundesliga sorgt für reichlich Spektakel. Die Gewinner der ersten 17 Partien sind so facettenreich wie überraschend: Die (fast) unbesiegbaren Freiburger, ein Torwart mit Magneten in den Handschuhen, der neue FC Hollywood - und verrückterweise sogar Greuther Fürth.

Aufsteiger

SpVgg Greuther Fürth

Spinnen die bei ntv.de jetzt komplett? Hat der Praktikant zu tief ins Glas geschaut? Oder was ist hier los? Die Franken sind immerhin auf dem Weg, die schlechteste Bundesliga-Mannschaft aller Zeiten zu werden. Sie sind in vielen Spielen hoffnungslos unterlegen, verlieren auf jede erdenkliche Art und Weise und sind einfach nicht wettbewerbsfähig. Doch anstatt Trainer Stefan Leitl in die Wüste zu schicken, behielt der Verein rund um Geschäftsführer Rachid Azzouzi die Ruhe und arbeitete einfach weiter. Deswegen sprang in den letzten drei Spielen ein Sieg gegen Union Berlin, ein respektabler Auftritt in Dortmund und ein Punkt gegen Augsburg raus. Aufgeben, sagt Azzouzi, sei keine Option. Würde statt Chaos. Greuther Fürth ist eine der spannendsten Mannschaften der letzten Jahre. Konfrontiert mit der aussichtslosen Mission Klassenerhalt, denkt das Kleeblatt an die Zukunft und zerstört (bislang!) nicht die jahrelange Aufbauarbeit. (sue)

SC Freiburg

Die Unbesiegbaren. Das waren doch eigentlich die Gunners vom FC Arsenal, die unter Arsene Wenger in der Saison 2003/04 Meister wurden, ohne ein einziges Spiel zu verlieren. Preston North End gelang diese einzigartige Leistung in Großbritannien ebenfalls, aber das ist schon etwas länger her. 1888/89 war das. Doch auch der SC Freiburg schickte sich gut 130 Jahre später an, einfach nicht bezwungen zu werden. Unter der finessenreichen Regie Christian Streichs schlugen die Breisgauer am zweiten Spieltag gleich mal den BVB und setzten sich oben in der Tabelle fest. Bayern, Dortmund, Freiburg: So las sich die Tabelle am 10. Spieltag. Kein anderes Team war zu dem Zeitpunkt unbesiegt. Anschließend setzte es zwar die erste Niederlage gegen die Münchner und noch drei weitere, aber Streichs Freiburger kletterten zum Ende der Hinrunde mit einem Erfolg gegen den direkten Konkurrenten aus Leverkusen zurück auf Rang drei und überraschten damit nach Platz zehn im Vorjahr alle. (dbe)

Bo Svensson

Mehr (Wieder-)Einsteiger als Aufsteiger, aber dennoch mit einem Raketenstart zurückgekommen: Bo Svensson hatte die Bundesliga 2014 verlassen, damals als Spieler des FSV Mainz 05. Der verdiente Däne verabschiedete sich nach sieben Jahren in die Trainerkarriere. Die führte den 42-Jährigen Anfang des Jahres zurück in die Trümmer, in denen sein Ex-Klub lag. Sportlich stand es nach einer desaströsen Hinserie mit nur sieben Punkten zur Winterpause schlimm um die Mainzer, emotional war der Karnevalsverein tot. Zermürbt von Spielerstreik, Pleitenserie und hochfrequentigen Trainerwechseln.

Dann übernahm ein Dreigestirn aus Ehemaligen: Christian Heidel wurde Vorstand, Ex-Trainer Martin Schmidt gibt den Sportdirektor und eben Bo Svensson. Gemeinsam brachte man dem Verein die Identität zurück und Svensson sorgte sportlich dafür, dass der beinahe ausgeschlossene Klassenerhalt sogar vorzeitig eingefahren wurde. In dieser Saison geht es so weiter: 57 Punkte im Kalenderjahr 2021 bedeuten Platz 4 in der kumulierten Svensson-Tabelle. "Der Schlüsselmoment war die erste Woche, da ist es Bo gelungen in der Mannschaft Vertrauen zu gewinnen und auf einmal hatten alle ein bisschen das Gefühl, dass hier doch noch etwas geht", blickte Heidel im Gespräch mit RTL/ntv zurück. "Die Mannschaft hat nach zwei Trainingseinheiten mit Bo gespürt, dass da jemand ist, der weiß, wovon er redet, das Training wurde auch komplett umgestellt. Bo ist sehr hart, gegen sich selbst und auch im Umgang mit der Mannschaft, aber er nimmt die Spieler auch in den Arm."(ter)

Manuel Riemann

Im Sommer 2007 war Uli Hoeneß ehrlich und mächtig erstaunt. "Der hat einen Magnet im Handschuh", sagte der Patron des FC Bayern, als er über Manuel Riemann sprach. Der Torwart des SC Wacker Burghausen war damals 18 Jahre alt und hatte die Münchner in der ersten Runde des DFB-Pokals bis ins Elfmeterschießen fast in den Wahnsinn getrieben. Zwei Strafstöße hatte er pariert, einen gegen Oliver Kahn selbst versenkt. Doch für die Sensation reichte es nicht - und lange Zeit nicht für den großen Traum von Riemann. Erst im Alter von nun 33 Jahren schaffte er es in die 1. Bundesliga - mit dem VfL Bochum. Und einmal dort angekommen, möchte er unbedingt bleiben. Und dafür tut er alles, wirklich alles. All die Energie, die er in den zermürbenden Zweitliga-Jahren aufgewendet hatte, entlud sich in dieser Halbserie. "Der hat einen Magnet im Handschuh", diesen Moment haben in dieser Saison schon einige Fußballer gespürt.

Am spektakulärsten wohl Jude Bellingham, das Juwel des BVB. Wie Riemann den Schuss des freistehenden Youngster parierte, das gehört schon jetzt in das Helden-Video der Spielzeit. Der Mann, der früher nicht frei von Fehlern war, hat sich stabilisiert. Die Kicker-Noten weisen nur einen fatalen Aussetzer hin, den allerdings ausgerechnet im Duell im Abstiegskandidat Arminia Bielefeld. Riemann, das ist ein Mann der Extreme. Immer und überall. Nur Minuten vor seiner Teufelsaktion gegen Bellingham hatte er den Ball leichtfertig im Dribbling vertändelt. Aber das Risiko, mit dem er spielt, wird oft belohnt. Beim VfL wissen sie das, sie lieben ihn dafür. Und lassen ihm das seine gelegentlichen Übertreibungen dann auch durchgehen. Aber nicht nur wegen seiner Paraden und seiner furiosen Spieleröffnung mit punktgenauen, langen Abschlägen ist er für die Bochumer ein Schlüsselspieler, sondern auch als emotionaler Antreiber. Wenn ihm etwas nicht passt, knöpft er sich seine Kollegen im Spiel vor - und scheut auch nicht den Weckruf am Mikrofon. Was indes nicht jeder im Verein gutheißt. Aber der Fußball ruft immer nach Typen. Mit Riemann hat er einen. Einen extremen noch dazu. Einen, der auch im Pokal ein irrwitziges Drama schrieb. Als er sich einwechseln ließ, um Elfmeter zu halten und dann den entscheidenden verwandelte. (tno)

Hansi Flick

Am 31. März dieses Jahres hatte sich Fußball-Deutschland endgültig blamiert und sehr viele Menschen im Land wünschten sich, dass die Ära von Joachim Löw besser schneller als schnell zu Ende gehen würde. In Köln wurde das WM-Qualifikationsspiel gegen Nordmazedonien verloren (1:2). Wer zuvor den Tiefpunkt erreicht wähnt, der musste nachjustieren. Dass die folgende EM im Sommer nicht als GAU, sondern nur bitter endete (im Achtelfinale gegen England), das änderte nichts an der Gemengelage, dass der Nachfolger von Löw nur gewinnen konnte. In den Ergebnissen sowieso (das war schon klar, weil die Gegner nicht arg einschüchternd wirkten), aber auch in der Art, wie die Spiele angegangen wurden und der Wahl des Personals. Der sture Herr Löw hatte mit seiner Nominierungs-Bockigkeit ja wieder und wieder für nationale Kopfschüttelorgien gesorgt.

Wie gut, wie anders, wie befreiend es aber mit Hansi Flick werden würde, das hatte niemand ahnen können. Man möchte ja zu gerne wissen, ob sich Löw manchmal wundert, wenn er sieht, was dieses Team kann, wenn es richtig angefasst wird. Denn es ist ja nicht so, dass Flick plötzlich Reservoirs entdeckt hat, die Löw nicht zugänglich waren. Klar, ein paar Talente wie Jamal Musiala oder Florian Wirtz sind in ihrer Entwicklung nochmal im Eiltempo gereift, aber sonst? Sonst ist die Auswahl ähnlich bis gleich. Aber irgendwie wirkt alles motivierter, planvoller und professioneller. Flick legt das Training der Standardsituationen in die Hand eines Spezialisten, Flick ist in den Stadien omnipräsent, während Löw eher der Genussbesucher war. Und Flick entlässt seine Nationalspieler nach den Lehrgängen nicht, er verpflichtet sie, an jedem Tag im Jahr ein Nationalspieler zu sein. Er hält den Druck hoch. Und auch wenn er noch keinen Gegner auf Top-Niveau zu bespielen hatte, Flick ist ein Gewinner. (tno)

Teenager-Sensationen

Musiala, Bellingham, Wirtz - sie alle können Spiele auf ihre Weise dominieren, so unterschiedlich, so brillant. Und sie sind eben genau die Transfers, die die Klubs machen müssen, um international den Anschluss nicht zu verlieren. Das Top-Trio wurde in jüngsten Jahren von anderen Verein losgeeist und hielt sich dann nicht lange mit Jugendspielen auf. Dafür sind sie einfach zu stark, zu prägend in ihrer Art. Ihnen gemein ist nur ihre Position, die irgendwie im Mittelfeld verankert ist und die sie schon als Teenager zum Herzschlag des Spiels ihrer Mannschaften macht. Bei Topklubs, zumindest nationalen Topklubs. Besonders auffällig: Der Dortmunder Jude Bellingham, der neben dem Platz nicht mit seiner Meinung zurückhält. Das mag ihm in manchen Situationen, Hashtag Zwayergate, nachteilig ausgelegt werden, lässt ihn in anderen wie ein Natural Born Leader erscheinen. Und in der zweiten Reihe warten bereits Youngster wie Freiburgs Kevin Schade, die schon bald auf sich aufmerksam machen werden. (sue)

Lars Windhorst

"Der neue FC Hollywood" titelte die Süddeutsche Zeitung nach Windhorst letzter Auffälligkeit nach Herthas Sieg gegen Borussia Dortmund. Windhorst mag ein Investor sein, dazu noch einer, der immer hart an der Insolvenzgrenze segelt, aber ihm ist es gelungen, den Eckkneipen-Charme des Berliner Kultklubs aufzumöbeln. Windhorst feiert Herthas Erfolge mit Catherine Zeta-Jones und Michael Douglas und diskutiert auf Facebook mit den Fans über die letzten Pleiten, von denen es im Westend natürlich immer noch reichlich gibt. Mit Windhorsts Geld ist Hertha zwar immer noch nicht auf dem Weg zur nationalen Spitze, aber immerhin einer der unterhaltsamsten Vereine der Liga geworden. Weil er die Absurdität immer weiter eskaliert und seine eigene Content-Maschine geworden ist. Der wahrscheinlich unwahrscheinlichste Aufsteiger des Jahres. (sue)

Quelle: ntv.de

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