Fußball

Gruselige DFB-Elf in LuxemburgHilfe, was war das denn?

15.11.2025, 02:21 Uhr
imageVon Sebastian Schneider
Auch-Julian-Nagelsmann-stellte-sich-Fragen
Auch Julian Nagelsmann war nicht erfreut. (Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt ihr Gastspiel in Luxemburg mit 2:0. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft ist jetzt nicht mehr weit entfernt. Viel mehr gute Nachrichten gibt es aus DFB-Sicht aber nicht.

So mancher Kreisliga-Trainer dürfte in der 35. Minute den heimischen Bildschirm aus Reflex angebrüllt haben. Deutschland gegen Luxemburg. Jonathan Tah hat in der eigenen Hälfte den Ball am Fuß. Immerhin nicht irgendwer: Stammkraft beim FC Bayern, derzeit Europas beste Klubmannschaft, und Ersatzkapitän des DFB-Teams. Und dieser erfahrene Mann macht plötzlich etwas, das auf Amateurfußballplätzen regelmäßig schiefgeht - und Trainer dort überhaupt nicht gerne sehen. Tah spielt von der Seitenlinie aus einen hohen Rückpass auf Torwart Oliver Baumann, doch der Ball gerät zu kurz. Und so muss der Keeper in höchster Not per Slapstick-Sprung-Aktion den Ball vor einem heranrauschenden Luxemburger klären.

Zum Glück für Tah gelingt das. Aber es ist schon ein Rätsel, wie ihm so etwas passieren kann. Und es ist nicht die einzige Aktion des DFB-Teams, die einen ratlos zurücklässt. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt ihr Gastspiel in Luxemburg mit 2:0 (0:0) und macht einen großen Schritt zur WM-Qualifikation. Am Montag gegen die Slowakei in Leipzig (20.45 Uhr/ZDF und im Liveticker bei ntv.de) reicht schon ein Unentschieden, um die Starterlaubnis für das Mega-Turnier im kommenden Jahr in Nordamerika klarzumachen. Das sind erst mal die guten Nachrichten.

Aber sonst? Gibt es nicht viel Positives. "Es war deutlich mühsamer als erhofft", sagte Julian Nagelsmann nach Abpfiff bei RTL. Und das ist noch Understatement. Die DFB-Elf rumpelt sich wie schon in den Spielen davor zum nächsten Sieg in der WM-Qualigruppe aus Luxemburg, der Slowakei und Nordirland. In einem Stadion, das kleiner als so manches deutsches Zweitligastadion ist, tritt die Mannschaft von Bundestrainer Nagelsmann phasenweise als eine solche auch auf. Dabei hieß es im Sommer noch, man wolle im nächsten Jahr Weltmeister werden.

Luxemburg setzt DFB-Plan um

Das DFB-Team liefert vor allem in der ersten Halbzeit einen Auftritt zum Vergessen ab. Es kommen zeitweise Bratislava-Vibes auf. Erst im September zerfiel die Nationalelf beim Auftakt in der WM-Quali in der Slowakei und verlor völlig überraschend mit 0:2. Es war ein Zusammenbruch auf ganzer Linie. Man hoffte, dass das nur ein Ausrutscher war, schließlich gewann die Nagelsmannschaft in der Folge alle Partien.

Tja, das war es aber nicht. Vom Anpfiff weg tritt das DFB-Team fahrig, nervös, verängstigt auf. Bundestrainer Nagelsmann wollte eigentlich ein bisschen FC Bayern in die Nationalelf bringen, es kommt aber umgekehrt. Die Luxemburger laufen ihre Gegenspieler dermaßen früh an - Bayern-Coach Vincent Kompany muss vor dem heimischen Fernseher stolz gewesen sein.

Ihre Taktik geht auf: Die DFB-Elf versteht die Welt nicht mehr, wirkt völlig überrumpelt. Keine Dominanz, keine Kreativität, kein Mut. Innenverteidiger Waldemar Anton spielt in der Anfangsphase gleich zweimal den Ball unbedrängt ins Aus. Hilflos muss der verletzte DFB-Kapitän Joshua Kimmich das Schauspiel von der Bank aus ansehen. Im deutschen Strafraum brennt es derweil schon in der elften Minute lichterloh. Nach einer feinen Kombination hat Danel Sinani die erste Großchance des Spiels. Immerhin: Der Profi vom FC St. Pauli wird noch rechtzeitig von Tah gestört.

Aber das setzt sich fort: In Bratislava war es der völlig unbekannte 19-jährige Leo Sauer, der den deutschen Fußball in eine Krise stürzte. Auch in Luxemburg ist es ein Geheimtipp, der der DFB-Elf das Fürchten lehrt. Er heißt Aimen Dadari und dribbelt normalerweise (Achtung!) bei der zweiten Mannschaft des FC Augsburg in der Regionalliga Bayern auf. Auch er vergibt seine Großchance in der 18. Minute nur knapp, als Anton und Leon Goretzka zu spät in den Zweikampf kommen.

"War nicht gut"

Dass die Luxemburger keine Fußballzwerge mehr sind, kündigte Nationalspieler Mathias Olesen vor der 0:4-Hinspielerniederlage schon im ntv.de-Interview an. Diesmal zeigen sie es wirklich: kein Einigeln, kein Betonanrühren vor dem eigenen Strafraum. Der 97. der Weltrangliste dribbelt mutig auf, schnürt die verunsicherte DFB-Elf teilweise im eigenen Sechzehner fest. Die wiederum spielt teilweise aus 70 Metern ihren eigenen Torwart an. Am Ende landet Baumann sogar bei 61 Ballkontakten. Das hätte vor dem Anpfiff so auch niemand erwartet.

Und so kommt es, dass der luxemburgische Nationalcoach Jeff Strasser zur Halbzeit breit lächelnd in die Kabine geht, getragen vom Applaus des heimischen Publikums. Derweil analysierte Bundestrainer Nagelsmann im Nachhinein, dass es der Underdog eigentlich verdient gehabt hätte, zur Pause auch in Führung zu liegen. "Die Art und Weise war nicht gut", urteilte auch Nick Woltemade.

Wer nun erwartet hatte, die Lage würde sich nach der Pause bessern, wird zunächst enttäuscht. Bis eben zur 51. Minute. Es ist einer der wenigen Hoffnungsschimmer, ein Hauch von Weltklasse. Bayern-Star Aleksander Pavlovic spielt aus der eigenen Hälfte über 50 Meter einen zentimetergenauen Pass in den Fuß von Leroy Sané. Der Flügelstürmer, der von Nagelsmann im Vorfeld lang und breit angezählt wurde, legt sich den Ball an der Außenlinie mustergültig vor - und passt ihn in die Mitte. Da läuft Woltemade genau richtig mit und kann die Vorlage zum 1:0 verwerten.

Aber auch das Tor bringt noch keine Ruhe ins Spiel. Wenige Sekunden nach dem Treffer kommt Dardari, der unter Trainer Sandro Wagner in Augsburg noch nicht so viele Chancen bekommen hat, zum Abschluss. Der Schuss geht knapp am Tor vorbei. Dass Goretzka dem Gelb-Rot-Platzverweis um haaresbreite entgeht, bringt noch einmal Schärfe ins Spiel. Bis zur 66. Minute, als Woltemade (wieder nach Sané-Vorlage) mit dem 2:0 für die Entscheidung sorgt.

Die Partie plätschert daraufhin dem Abpfiff entgegen. Es bleibt die Frage, was diese 50 erschreckend schwachen Minuten für die DFB-Elf bedeuten. Sie verfestigen den Eindruck aus den vorigen vier Spielen: dass da eine Mannschaft auf dem Feld steht, die wenig bis gar nicht gefestigt ist. Für die der Bundestrainer noch nach Antworten sucht. In der WM-Quali gab es bislang nur einen überzeugenden Auftritt - und das war das Hinspiel gegen Luxemburg, als der Außenseiter schon nach 20. Minuten in Unterzahl war.

Mit Blick auf die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr sollte sich das schleunigst ändern. Die Alarmsirenen schrillen mehr als 200 Tage vor dem Eröffnungsspiel. Es droht nach dem WM-Russlanddebakel 2018 und der Katarblamage 2022 auch ein Nordamerikadesaster 2026. Nach der (hoffentlich) überstandenen WM-Quali muss Bundestrainer Nagelsmann einen Weg finden, dass die Protagonisten auch im neuen DFB-Dress nicht plötzlich ihre Form verlieren. Damit ihnen nicht solche Aktionen unterlaufen wie Ersatzkapitän Tah in der 35. Minute.

Quelle: ntv.de

Fußball-NationalmannschaftFußball-WM 2026FußballWM-QualifikationJulian NagelsmannLuxemburg