Fußball

Im Stich gelassen von Vorderleuten Hummels und Boateng motzen über Kollegen

"Man wird mir wieder die Schuld geben, aber meiner Meinung nach kann ich auch nur noch versuchen, zu retten", erklärte Mats Hummels gereizt.

"Man wird mir wieder die Schuld geben, aber meiner Meinung nach kann ich auch nur noch versuchen, zu retten", erklärte Mats Hummels gereizt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Frust sitzt tief im DFB-Team nach dem Last-Minute-Ausgleich der Iren auf Schalke - besonders bei den Abwehrspielern. Mats Hummels und Jerome Boateng kritisieren ihre Mitspieler offen und hart.

Zusammen ist man weniger allein, mag sich Irlands Trainer Martin O'Neill gedacht haben, als er seine Taktik für das Spiel gegen den Weltmeister austüftelte. Bundestrainer Joachim Löw bezeichnete das irische Spiel als "extrem defensiv", was noch extrem untertrieben war. Den Innenverteidigern John O'Shea und Marc Wilson stellte O'Neill so viele Kollegen zur Seite, dass sie zeitweise eine Sechserkette bildeten. Der etatmäßige Stürmer Jon Walters nahm sogar den deutschen Außenverteidiger Erik Durm in Manndeckung. So sieht es aus, wenn man als Team verteidigt.

Über so viel Hilfe hätten sich Mats Hummels und Jerome Boateng auch gefreut. Eigentlich wären sie schon mit weniger zufrieden gewesen - nur ein paar Minuten klug verteidigen, die drei Punkte holen, und schon wäre der Abend erfreulich verlaufen. Stattdessen musste sich Hummels die Frage gefallen lassen, ob er Schuld trug am späten Ausgleichstreffer der Iren durch John O'Shea. Was er sagte, klang gereizt. Weil er gereizt war. "Man wird mir wieder die Schuld geben, aber meiner Meinung nach kann ich auch nur noch versuchen, zu retten." Zu retten, was andere verpatzt hatten. Andere, die weiter vorne spielen. Das sah nicht nur Hummels so, sondern auch sein Innenverteidiger-Partner Jerome Boateng, ebenso Torwart Manuel Neuer. Sie fühlten sich im Stich gelassen von ihren Mitspielern.

Das große Versteckspiel

Tore: 1:0 Kroos (71.), 1:1 O'Shea (90.+4)

Deutschland: Neuer - Rüdiger, Boateng, Hummels, Durm - Ginter (46. Podolski), Kroos - Bellarabi (87. Rudy), Götze, Draxler (70. Kruse) - Thomas Müller

Irland: Forde - Meyler, O'Shea, Wilson, Ward - McGeady, Whelan (54. Hendrick), Quinn (76. Hoolahan), McClean - Walters - Keane (63. Gibson)

Referee: Skomina Zus: 51.204
Schüsse: 23:4 Ecken: 9:1 Ballbes: 63:37

Das Spiel im Liveticker nachlesen

"Ab der 85. Minute waren unfassbare Dinger dabei", schimpfte Hummels. "Wir haben das schlecht gemacht, wir müssen das Spiel mit dem Ball am Fuß runterspielen." Stattdessen landete der Ball in den letzten Minuten immer wieder bei Torwart Neuer – ohne dass der Abnehmer gefunden hätte. "Wenn man sich versteckt und mutlos ist, dann muss ich lange Bälle spielen, und dann wird es in der Luft schwer für unsere Offensivspieler", sagte Neuer. Wer sich genau versteckt hat, wollte er nicht sagen. "Die Kritik richtet sich an alle."

Ohne Namen zu nennen, wurde Jerome Boateng konkreter: "Wenn wir in den letzten Minuten 100 Mal den Ball verlieren und den Gegner zu Freistößen einladen, kann es nichts werden." Es war übrigens Toni Kroos, der in der Schlussphase zwei eklatante Fehlpässe spielte. Der Madrilene erweckt ja ohnehin den Eindruck, als habe er auf Abwehrarbeit so viel Lust wie auf einen gemütlichen Video-Abend mit Matthias Sammer. Als Joachim Löw zur zweiten Halbzeit auch noch Wasserträger Matthias Ginter opferte, klaffte im defensiven Mittelfeld ein Riesenloch. Kein Problem, solange die Iren ohnehin nicht angriffen. Als sie es taten, reagierte Löw erst, als es schon fast zu spät war. Erik Durm musste in der 85. Minute eine Weltklasse-Grätsche auspacken, um Wesley Holahaan am Ausgleich zu hindern. Zwei Minuten später brachte Löw dann Sebastian Rudy für Bellarabi.

Fehlende Frische - oder fehlender Einsatz?

Eben jener Rudy gehört zu den Spielern, die sich beim Gegentor im Strafraum befanden, aber keine Anstalten machten, den aufgerückten Verteidiger John O'Shea zu übernehmen. Als die Flanke – die drei deutsche Spieler auf außen nicht verhinderten – in den Strafraum segelte, orientierte sich Hummels zunächst kurz zu seinem natürlichen Gegenspieler James McClean. Zu spät merkt er, dass die Hereingabe auf O'Shea kommen wird, und kann tatsächlich nur noch versuchen, zu retten.

Dicht dran an der Szenerie, aber eben nicht an O'Shea: Lukas Podolski. Man könnte entschuldigend anführen, dass die Defensive zu seinen Schwächen gehört. Aber der 29-Jährige war auch einer der DFB-Kicker, die in den letzten Minuten das Konterspiel geradezu sabotierten. Podolski schaltete nicht in den Sprint, bot sich nicht an, riss keine Räume. So wie eigentlich all seine Kollegen in der Offensive, mit Ausnahme des bemühten Max Kruse vielleicht.

Der Bundestrainer monierte nach dem Spiel zwar, das Team sei "naiv" gewesen in den letzten Minuten und habe die Kontrolle verloren. Löw attestierte seinen WM-Fahrern aber auch entschuldigend fehlende Frische. So nachsichtig war Jerome Boateng mit seinen Kollegen nicht: "Jeder muss jetzt wissen, in welcher Lage wir sind", sagte der Münchner. "Wir müssen jetzt aufwachen und Spiele gewinnen." Als Team.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen