Alles-oder-nichts-Spiel des FC Bayern Kamikaze-Müller bewirbt sich für Hollywood
21.04.2015, 16:00 Uhr
Thomas Müller kann mit dem Nervenkitzel vor dem Porto-Spiel umgehen.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Thomas Müller freut sich auf den Nervenkitzel, der FC Bayern bemüht sich um einen gewappneten Eindruck, heute gilt’s: Im Viertelfinale der Champions League muss gegen den FC Porto mindestens ein 2:0 her. Sonst wird’s ungemütlich.
Worum geht’s?
Thomas Müller hat’s dann mal versucht: "Wir müssen irgendwo auch die Kirche im Dorf lassen. Es ist ein Fußballspiel. Und das sollten wir auch dabei belassen." Das hätte er wohl gerne so, der Stenz aus dem oberbayrischen Pähl. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Für die Fußballer des FC Bayern geht es heute (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im mit 70.000 Zuschauern ausverkauften Münchner Stadion darum, gegen den FC Porto irgendwie doch noch das Halbfinale der Champions League zu erreichen. Das wird spannend - nach der 1:3 Niederlage vor einer Woche. Doch Müller gefällt das: "Nervenkitzel? Das ist doch das, was wir wollen." Schließlich trainiere er nicht für Testspiele. "Ich mag die Situationen, in denen man ein bisschen unter Druck ist." Aber auch die Attraktivität dieses Reizes ist endlich. "Ich bin jetzt nicht so scharf drauf, mit einem Rückstand ins Spiel zu gehen, nur damit ich einen Nervenkitzel habe." Apropos Kirche im Dorf - Müller sagte dann auch: "Wir wissen, was das Spiel für die grundsätzliche Stimmung in den kommenden Wochen für Auswirkungen hat." Und die wäre bei einem Halbfinaleinzug natürlich deutlich besser.
Wie stehen die Vorzeichen?
"Wir dürfen keine Angst haben", sagte Trainer Josep Guardiola am Tag vor dem Spiel, das auch für ihn nicht ganz unwichtig ist. Schließlich entscheidet es darüber, ob es für ihn und seinen FC Bayern eine sehr gute oder nur eine gute Saison wird. Und darüber, ob er weiter als der unantastbare Startrainer an der Säbener Straße regiert oder ob ihn fortan der Hauch des Scheiterns umweht. "Ich weiß, was passieren wird, wenn wir nicht das Halbfinale erreichen. Wenn du gewinnst, bist du ein Genie. Wenn du verlierst, hast du Probleme." So wie vor fast genau zwölf Monaten, als Real Madrid die Bayern in der Vorschlussrunde der europäischen Königsklasse erst mit 1:0 besiegte und dann beim Rückspiel in München mit 4:0 demütigte. Wie er denn seine Zukunft sehe, wurde Guardiola gefragt. "Mittwoch Training, Donnerstag frei, Freitag Training, am Samstag gegen Hertha die Meisterschaft sichern - und nächstes Jahr hier." Klingt so, als wolle da einer die Kirche im Dorf lassen.
Wie ist der FC Bayern drauf?
FC Bayern München - FC Porto, 20.45 Uhr
FC Bayern: Neuer - Rafinha, Boateng, Badstuber, Bernat - Alonso - Rode, Thiago -Götze, Müller, Lewandowski
FC Porto: Freitas - Pereira, Maicon, Marcano, Martins Indi - Herrera, Casemiro, Oliver - Quaresma, Jackson, Brahimi
Schiedsrichter: Atkinson (England)
Die "Bild"-Zeitung spekuliert zwar, dass Arjen Robben heute überraschend im Kader stehen könnte - und führt als Beleg für diese These an, dass der Niederländer am Montag erstmals seit seinem Bauchmuskelriss am 22. März bei der Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach wieder den Rasen auf dem Trainingsgelände betreten habe. Wir zitieren: "Er absolviert einen 45-minütigen Laufparcours. Der Holländer trägt Fußballschuhe, sprintet sogar." Aber es bleibt dabei: Franck Ribéry, Javier Martínez, David Alaba und Medhi Benatia fehlen verletzt - und Robben wohl auch. Oder wie der Kollege Müller es formulierte: "Jetzt fühlt man sich endlich mal so wie in einem Hollywoodfilm - wenn irgendwo alle wegsterben und man muss dann in die Schlacht ziehen." Dafür sind Kapitän Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger wieder an Bord. Und wie endet die Schlacht, Herr Müller? "Ich kann jetzt nicht sagen, warum genau wir es schaffen sollen. Aber ich kann sagen, dass wir alles reinhauen und dass es nicht unmöglich ist." Und mit welcher Taktik? "Wir dürfen nicht Kamikaze nach vorne rennen, nicht überdreht ins Spiel gehen und zu viel wollen." Aber ein 2:0 dürfte es schon sein, damit wäre Müller einverstanden. Aber: "Man braucht im Fußball auch immer ein bisschen Glück."
Wie läuft's beim FC Porto?
Bestens. Schließlich haben die Portugiesen das Hinspiel mit 3:1 gewonnen. Und der brasilianische Ersatztorhüter Helton da Silva Arruda wurde vor dem Teamhotel Hilton Munich mit einer Ukulele in der Hand gesichtet. Noch Fragen? Zudem läuft der FC Porto heute Abend ausgeruht auf. Beim 1:0 in der portugiesischen Liga am Samstag gegen den Tabellen-14. Academica Coimbra schonte Trainer Julen Lopetegui neun seiner Stammspieler, darunter auch Stürmer Jackson Martínez. Der Kolumbianer hat in dieser Saison der Champions League sechs Tore erzielt, in der Liga sind es 17. Beim FC Bayern kennen sie ihn auch. Vor einer Woche in Porto war er es, den Torhüter Manuel Neuer nach zwei Minuten elfmeterwürdig foulte. Und Martínez, 28 Jahre alt, war auch für das 3:1 verantwortlich, für den Treffer, der die Sache für die Münchner nun im Rückspiel so schwer macht. Er gilt als Strafraum-Killer, der keine Gnade kennt. Portos Fans nennen ihn "das Biest". Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute, dass Martínez schon als Kind ein Früchtchen gewesen sein muss: "Ich riss den Puppen meiner kleinen Schwestern die Köpfe ab und hatte einen formidablen Ball."
War sonst noch was?
Der Ehrenpräsident des FC Bayern hat etwas gesagt. Franz Beckenbauer hat zwar zugeben, dass auch er nichts Genaues weiß. Dafür aber eine Meinung dazu, dass Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nach fast vier Dekaden in Diensten des Vereins arg beleidigt sein Eisspray in die Ecke geworfen hat. "Wirklich schade" sei das, sagte Beckenbauer der "Bild"-Zeitung: "Ich bedaure auf jeden Fall, dass eine 38-jährige Zusammenarbeit auf diese Art endet." Er habe zwar, wie erwähnt, "keine Hintergrundinformationen" Gleichwohl sei es "seltsam, dass Sportler aus aller Welt nach München in seine Praxis kommen - und beim FC Bayern ist er plötzlich draußen. So ein überraschendes Ende sorgt für Unruhe". Wo der Kaiser recht hat, da hat er recht.
Quelle: ntv.de