Fußball

Erst Schmierenkomödie, jetzt Porto FC Bayern schweigt, Guardiola fragt den Arzt

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Gegen Porto geht es für die Fußballer des FC Bayern um viel, manche sagen, um alles. Schließlich wollen sie ins Halbfinale der Königsklasse - schwer, aber nicht unmöglich. Aber was ist mit Müller-Wohlfahrt und den Folgen?

Da war sie wieder, die Frage nach dem Arzt. Und beinahe wirkte es so, als stelle sich Josep Guardiola ein wenig dumm. Ob er nun trotz allem Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt anrufen werde, um ihn zu fragen, wie es denn nun um die Gesundheit von Franck Ribéry und Bastian Schweinsteiger stehe? Der Trainer des FC Bayern antwortete: "Heute werde ich mit dem Arzt sprechen." Mit Müller-Wohlfahrt, bei dem sich nach wie vor viele Spieler behandeln lassen - oder mit seinem Nachfolger Volker Braun? "Ich spreche mit unserem Arzt. Mit dem, der an der Säbener Straße ist." Ansonsten: Kein Kommentar.

So könnten sie spielen

FC Bayern München - FC Porto, 20.45 Uhr

FC Bayern: Neuer - Rafinha, Boateng, Badstuber, Bernat - Alonso - Rode, Thiago  -Götze, Müller, Lewandowski

FC Porto: Freitas - Pereira, Maicon, Marcano, Martins Indi - Herrera, Casemiro, Oliver - Quaresma, Jackson, Brahimi

Schiedsrichter: Atkinson (England)

Was ist nur los mit dem FC Bayern? Wer erlebt hat, wie Guardiola vor dem Rückspiel im Viertelfinale gegen den FC Porto mit den Journalisten sprach, der könnte meinen: nichts Besonderes, also nichts außerhalb des Sportlichen. Die Münchner haben vor einer Woche das Hinspiel mit 1:3 verloren und nun müssen sie halt heute (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im eigenen Stadion mit 2:0 gewinnen, um das Halbfinale der Champions League zu erreichen. Das sei zwar schwer, aber durchaus reizvoll - und machbar, sagte Angreifer Thomas Müller. "Ein fußballerisches Weltwunder aber wäre es nicht."

Das wäre es in der Tat nicht - wenn die Münchner in der Abwehr nicht ganz so viele Fehler machen wie beim Hinspiel am Mittwoch vergangener Woche im Norden Portugals. Und wenn sie sich einige Torchancen gegen die gute gestaffelte Abwehr des Tabellenzweiten der Primeira Liga erspielen. Zwei Aufgaben, die die Münchner an einem guten Tag durchaus zu bewältigen imstande sind. Sieht auch Kapitän Philipp Lahm so: "Wir brauchen nicht in Hektik zu verfallen. Wir haben 90 Minuten Zeit, um das Ergebnis zu drehen." Auch dem ist wenig entgegenzusetzen. Aber was ist mit der anderen Sache? Was ist mit Müller-Wohlfahrt, dem sagenumwobenen Mannschaftsarzt, der nach 38 Jahren mit dem Verein gebrochen hat, zurückgetreten ist und damit ein mittleres mediales Erdbeben ausgelöst hat?

"Hier ist nur das Triple genug"

Bei der Frage nach der siegbringenden Strategie gegen den FC Porto kann man sich schon mal am Kopf kratzen, Herr Guardiola.

Bei der Frage nach der siegbringenden Strategie gegen den FC Porto kann man sich schon mal am Kopf kratzen, Herr Guardiola.

(Foto: imago/GlobalImagens)

Kein Kommentar, hieß es vom FC Bayern zu dieser Frage auch am Tag vor der Partie, deren Ausgang darüber entscheidet, ob es für die Münchner noch eine sehr gute Saison werden kann - oder eine, in der es Guardiola im zweiten Anlauf wieder nicht geschafft hat, das Endspiel der europäischen Königsklasse zu erreichen. Die nationalen Titel, also der sichere Gewinn der Meisterschaft und der mögliche Erfolg im DFB-Pokal, spielen in dieser Rechnung keine Rolle. So sei das halt beim FC Bayern, sagte Guardiola am Tag vor diesem Alles-oder-nicht-Spiel. Schließlich weiß er, was sie von ihm erwarten, sein Vorgänger Jupp Heynckes hat es ihm vorgemacht. "Hier ist nur das Triple genug." Also müssen sie gegen Porto gewinnen, und das mit zwei Toren Differenz - sofern der Gegner nicht mehr Tore erzielt als die Bayern in Porto. In diesem Fall müssten es dann gar drei sein - also 5:2, 6:3 und so weiter.

Das zumindest ist klar. Die Sache mit Müller-Wohlfahrt aber wollen sie, wie es scheint, einfach aussitzen. Auch der Doc schweigt, nachdem er dem Verein einen Vertrauensbruch vorgeworfen hatte. Ein Eklat, der an die schlechteren Tage in München erinnerte, an den FC Hollywood, an einen Verein, der die Deutungshoheit über sein Handeln verloren hat. Dabei haben sie doch so gerne alles im Griff. Und dann diese Schmierenkomödie, die so viele Fragen offen lässt. Wer ist in dieser ganz speziellen Bavarian Soap der Bösewicht? Müller-Wohlfahrt, der seinen Verein fünf Tage vor einem sehr wichtigen Spiel im Stich lässt und seinen Rückzug via Pressemitteilung verkündet? Guardiola, der von Anfang an ein distanziertes Verhältnis zum Mannschaftsarzt gehabt haben soll, auch, weil der nicht auf dem Vereinsgelände praktiziert, sondern in der Münchner Altstadt residiert? Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef, der bedingungslos zu seinem Trainer steht und nach der Niederlage in Porto den Arzt kritisiert haben soll? Der offenbar nicht willens oder in der Lage war, den Konflikt angemessen zu moderieren? Der nun, wie alle anderen, beharrlich schweigt, anstatt die Krise zu managen? Wir können diese Fragen nicht beantworten.

Es gibt aber ernst zu nehmende Exegeten der Überlieferungen des FC Bayern, die glauben, diese Posse habe das Potenzial, den Verein in seinem Selbstverständnis nachhaltig zu erschüttern. So schreibt die "Süddeutsche Zeitung", mit Müller-Wohlfahrt verschwinde ein Teil der Klub-DNA. "Dieser Bruch wird die Grundstruktur im Klub verändern. Mit dem Arzt verschwindet auch der Wohlfühlkonzern hinter dem Meisterbetrieb. Zurück bleibt zunächst ein Gebilde, das sich schon am Dienstag erneut stark verändern kann - falls der FC Porto in München nicht so devot in die Knie geht wie die Liga-Untertanen zwischen Bremen und Hoffenheim." Und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" urteilt: "Guardiola hat mit dem zur Unzeit eskalierten Streit mit Müller-Wohlfahrt, einer der letzten Symbolfiguren des jahrzehntelangen bayrischen Fußballaufstiegs, der kulturellen Identität der Mia-san-mia-Gemeinde einen Tritt verpasst". Man kann aber auch etwas pragmatischer fragen, ob die Spieler nun tatsächlich weniger Tore schießen, nur weil der Arzt nicht mehr da ist. Was immer da auch los ist beim FC Bayern: Die Antwort auf diese letzte Frage gibt es heute Abend auf dem Platz - bis dann wieder irgendjemand nach dem Arzt fragt.

Quelle: ntv.de

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