Coach Baumgart urteilt knallhart Adamyans irrer Fehlschuss reißt Köln in die Krise
14.11.2022, 11:21 Uhr (aktualisiert)
(Foto: IMAGO/Jan Huebner)
Hertha BSC verabschiedet sich mit einem dringend benötigten Erfolgserlebnis in die lange Winterpause. Die Berliner gewinnen ihr letztes Spiel vor der WM mit 2:0 (1:0) gegen den 1. FC Köln - und profitieren dabei auch von einem fast unmöglichen Fehlschuss und Chancenwucher Kölner.
Sargis Adamyan hat es an diesem Samstagnachmittag in die Geschichtsbücher der Fußball-Bundesliga geschafft. Künftig wird sein Name einen prominenten Platz im Kapitel "kolossalste Fehlschüsse" einnehmen. Der Stürmer des 1. FC Köln läutete mit einem schlimmen Patzer im Abschluss elf fürchterliche Minuten für sein Team ein. Mit 0:1 bei der Hertha aus Berlin in Rückstand steht der Armenier plötzlich frei und alleine vor dem Gehäuse. Der Ball kommt, Adamyan trifft ihn. Aber so unglücklich, dass er auf die Latte segelt. Aus drei Metern.
Es ist eine Szene, die an den tragischen Legenden-Moment von Mario Gomez im Trikot der Nationalmannschaft erinnert. Bei der Europameisterschaft 2008, im letzten Gruppenspiel gegen Österreich, als Deutschland um den Einzug in das Viertelfinale kämpfte, klärte der Stürmer den Ball kurz vor der Torlinie. Blöd nur: Es war die Torlinie des Gegners. Wann immer einem Spieler seither die Nerven in bester Position versagen, wird die Geschichte des Toreros nochmal ausgepackt und frisch erzählt. "Keine Ahnung, was da los war", sagte Adamyan bei WDR2. "Ich dachte, dass das nicht sein kann. Aber man muss weitermachen."
"Der Ball ditscht ein bisschen auf. Ich treffe ihn mit dem Spann, wollte ihn aber mit der Innenseite treffen - und dann geht er halt über das Tor", erklärte Adamyan. Das habe nichts mit fehlendem Glück zu tun, "die Chance muss einfach rein", betonte er. Trainer Steffen Baumgart nahm den Fehlschuss derweil mit Humor. Ob er etwas Derartiges schon mal gesehen habe, wurde er gefragt. "Ja, als ich Stürmer war", scherzte Baumgart und nahm seinen Angreifer dann in Schutz: "Wir müssen die Szene nicht auswerten. Das ist für uns natürlich ärgerlich, aber da müssen wir nicht so viel draus machen."
"... dann war die Luft raus"
Aber zurück zu Adamyan, der hätte sich gegen die Hertha selbst blitzrehabilitieren können. Zehn Minuten nach seinem Luftschuss scheiterte er allerdings erneut. Nach einer Ecke war der Ball zu ihm durchgerutscht, aber aus fünf Metern scheiterte er am starken Torwart Oliver Christensen. Berlin im Glück und Berlin strapazierte dieses Momentum noch ein paar Sekunden länger. Nach einem starken Solo schob Linton Maina das Spielgerät zart am Pfosten vorbei. Steffen Baumgart konnte es nicht fassen. Steffen Baumgart verzweifelte. "Die erste Torchance ist direkt drin, dann haben wir zwei riesige, die nicht reingehen. In der zweiten Halbzeit hat man dann gesehen, dass die Luft raus war", urteilte der Coach. "Die Jungs sind durch. Der einzige der relativ fit war, war ich."
Mit 0:2 (0:1) unterlagen die Kölner den Herthanern schließlich. Die Tore erzielten Wilfried Kanga (9.) und Marco Richter (54.). Durch den Sieg verlässt die Mannschaft von Sandro Schwarz den Relegationsplatz (dort verbringt der VfB Stuttgart nun die lange WM-Pause) und zieht den taumelnden Effzeh mit rein in den Klassenkampf. Für die Baumgart-Männer hatte es danach lange nicht ausgesehen. Auch wenn im DFB-Pokal bereits in der ersten Runde Schluss war (im Elfmeterschießen gegen Zweitligst SSV Jahn Regensburg). In der Bundesliga begeisterte das Team wieder und wieder mit seinem unermüdlichen, leidenschaftlichen und ewig mutigen Fußball und auch die Europa-Reise war mitreißend, auch wenn sie bereits in der Gruppenphase endete.
Abstiegskampf, alles andere "Augenwischerei"
Aber seit Wochen schleppt sich die verletzungsgebeutelte Mannschaft durch die Spiele. Der Kräfteverschleiß lässt sich längst nicht mehr kaschieren. Den letzten Ligaerfolg gab es am 16. Oktober, am 11. Spieltag. Damals wurde der FC Augsburg mit 3:2 niedergerungen. Seither vier Pleiten und nur noch ein Remis. Dass nun Pause ist, ist gut für die Akkus der "Geißböcke", aber schlecht für die Stimmung. Der letzte Eindruck bleibt und der Kampf um den Klassenerhalt wird nun immer mehr zum Thema für die Kölner, wie auch Baumgart befand: "Wir sind im Abstiegskampf, da muss man nicht drum herum reden. Alles andere ist Augenwischerei."
Was auch zum Thema wird, die Suche nach einem neuen Stürmer. Die Lücke, die Anthony Modeste nach seinem Wechsel zum BVB im Spätsommer hinterlassen hat, ist einfach zu groß, bisher nicht verdichtet, weil eine Lösung aus dem eigenen Bestand bisher nicht erfolgreich war.
(Dieser Artikel wurde am Samstag, 12. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, tno