Fußball

Bundestrainer schluckt Wut runterLeroy Sané zahlt es Julian Nagelsmann doppelt zurück

15.11.2025, 07:08 Uhr
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Puh, einmal kräftig durchpusten. (Foto: IMAGO/DeFodi Images)

Nach dem mühsamen Sieg in Luxemburg setzt Bundestrainer Nagelsmann auf behutsame Töne. Einer, der ihn vor weiteren unruhigen Tagen bewahrte, war ausgerechnet Leroy Sané, um den es so viel Lärm vor dem Spiel gegeben hatte.

Als der nicht sehr gute Schiedsrichter John Brooks zur Halbzeit gepfiffen hatte, dampfte Julian Nagelsmann mit reichlich Wut ab. Der Bundestrainer hatte von seiner deutschen Nationalmannschaft Dinge gesehen, die er nicht mehr sehen wollte. Nie wieder. Sie war von Luxemburg (VON LUXEMBURG!), in der unbestechlichen FIFA-Weltrangliste eingebettet zwischen Thailand und Palästina, phasenweise hergespielt worden. Nagelsmann hatte geflucht und gestikuliert. Die nächste Blamage in der WM-Qualifikation hatte schon mindestens eine Hand zum Jubeln ausgestreckt. Doch dann kam der eiskalte Nick Woltemade, er kam doppelt und rettete die DFB-Elf, die nun am Montag im letzten Gruppenspiel gegen die Slowakei mit einem Remis das direkte WM-Ticket lösen kann.

Doch noch bevor es so weit ist, muss die Fußball-Nationalmannschaft wieder einmal harte Kritik aushalten, Spott erdulden. Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb von einem Sieg, der zwei bis drei Tore zu hoch ausgefallen sei. Der "Spiegel" fragte, was das DFB-Team eigentlich bei der WM wolle. Die Frage war ja eigentlich klar beantwortet: Den Titel holen, so sagte es der Bundestrainer im Sommer 2024, nach dem dramatischen Ausscheiden bei der Heim-EM, die so viel Euphorie ausgelöst hatte. Die Worte sind schlecht gealtert. Deutschland kämpft in der Gruppe mit Luxemburg, der Slowakei und Nordirland noch um die WM-Startberechtigung. Und hatte nun auch noch Schiedsrichter Brooks auf seiner Seite, der Leon Goretzka mit Gelb-Rot verschonte und bei zwei Handspielen im Strafraum keinen Elfmeter pfiff. Mindestens einmal war das diskussionswürdig, wieder war Goretzka beteiligt.

Experten wundern sich über Nagelsmann

Einer, für den das mit dem Kampf um die WM-Startberechtigung ganz besonders gilt, ist Leroy Sané. Der Flügelstürmer von Galatasaray Istanbul war das große Thema der vergangenen Tage gewesen. Nur kurz wegen seiner modischen Extravaganzen, deutlich ausführlicher, weil Nagelsmann ihm öffentlich harte Worte zugerufen hatte. Die Öffentlichkeit, vertreten durch Lothar Matthäus und Matthias Sammer, wunderte sich. Was sei das für ein Umgang mit dem Spieler, fragten sie sich. Raus aus dem Kader, rein in den Kader. Und dann auch noch Worte des Schreckens: Viele Chancen werde Sané unter ihm nicht mehr bekommen, sagte Nagelsmann. Oh weh.

Eine gab es an diesem Freitagabend in Luxemburg. Und während ganz viele Spieler im deutschen Team diese nicht nutzten, packte sie ausgerechnet Sané beim Schopfe. Er spielte zwar nicht die Sterne vom Himmel, aber zwei entscheidende Situationen und ein paar weitere gute Ansätze reichten, um im deutschen Trikot als Lichtgestalt wahrgenommen zu werden. Und um in der Wertigkeit des Bundestrainers wieder ein paar Stufen nach oben, an dem einen oder anderen Kollegen, vorbeizuklettern. Etwa an Serge Gnabry, mit dem er einst die Flügelzange beim FC Bayern gebildet hatte. Dem Dribbler gelang quasi nichts. Er war damit nicht alleine. Mit einfachsten Verteidigungsmitteln stellten ihn die Luxemburger in einen Stand-by-Modus.

Die Mentalitätsspieler fehlen sehr

Von Luxemburgern, die bei Vereinen spielen wie dem SC Bastia, SKN St. Pölten oder SK Bevern. Das ist nicht das höchste Level, auf dem aber verortet sich eigentlich die deutsche Nationalmannschaft. Nicht aber in diesem Herbst, da ist alles fragil. Da gibt es nichts, auf das sich aufbauen lässt. Fehlpass reihte sich an Fehlpass. Es wurde nach hinten gespielt, statt nach vorne. Keine Idee, kein Mut, kein Selbstvertrauen. Das Spiel war ein fußballerischer Hilfeschrei. Die Gründe sind häufiger durchgekaut worden als frisches Gras im Verdauungstrakt von Kühen. Einige unverzichtbare Spieler (Jamal Musiala oder Kai Havertz etwa) fehlen seit Monaten, andere fielen kurzfristig aus. Mehr als die halbe Startelf könnte bei der WM anders aussehen. Die kurzfristigen Ausfälle trafen diese verunsicherte Mannschaft hart. Joshua Kimmich und Nico Schlotterbeck sind nicht nur sportlich gesetzt, sie sind auch unglaublich wichtig für die Emotionen der Mannschaft. Die gingen ihnen in Luxemburg ab. Leuchttürme gab's wenig.

Sané war einer. Diese Qualität war ihm im Laufe seiner Karriere immer wieder abgesprochen worden. Zu oft, so der wiederholte Vorwurf, würde er in entscheidenden Spielen abtauchen. Nicht dieses Mal. Luxemburg war nicht der schillernde Gegner auf Champions-League-Niveau, aber einer, der bereit war, Deutschland in eine fürchterliche Lage zu bringen. Nämlich, dass man im Kampf um das WM-Ticket nicht mehr in der Poleposition gewesen wäre. Aber Sané stemmte sich dagegen, ebenso wie Nick Woltemade, der im deutschen Trikot auch nicht immer einfache Zeiten hatte, der in Köln im September ausgepfiffen wurde. Nun ist er plötzlich die Lebensversicherung, hat die letzten drei Tore erzielt, die zwei Siege einbrachten.

Sané kocht die Nagelsmann-Debatte runter

"Ich freue mich, dass ich ein Stück weit das Vertrauen an Julian zurückzahlen konnte", sagte Sané und betonte das gute Verhältnis zum Bundestrainer: "Wir hatten sehr gute Gespräche. Julian weiß, wie ich ticke." Es war ein kluger Versuch, der Geschichte die Dynamik zu nehmen. Dass er in der Öffentlichkeit unter besonderer Beobachtung und auch in der Kritik stehe, nahm Sané gelassen: "Das ist normal, das ist Fußball, das gehört dazu. Da kann ich mich nicht beschweren, ich kann nur mein Ding machen." Denn ins Team für die Endrunde in Nordamerika will er auf jeden Fall: "Die WM ist mein großes Ziel."

Und auch vom Bundestrainer gab's gute Worte an den Flügelstürmer: "Vor dem ersten Tor musst du den Ball erst einmal so mitnehmen. Das macht nicht jeder. Er war nicht auf Bewährung da. Er war da, um das Spiel zu entscheiden."

Die Stimmung nach dem wackeligen September-Sieg gegen die Nordiren changierte zwischen Wut der Fans und Erleichterung. Der Bundestrainer holte zu einer emotionalen Rede aus und beklagte eine Hyänen-Mentalität im Land. Nun hätte er in Luxemburg selbst Grund gehabt, loszubeißen. Vor allem angesichts der irritierenden ersten 45 Minuten. Aber er biss sich lieber auf die Zunge, so wirkte es. "Am Ende habe ich schon das Gefühl, dass die Mannschaft das gerade nicht verträgt, wenn man jetzt super draufhaut, ehrlich gesagt, sondern wir wollen auch alle gemeinsam erfolgreich sein. Ich bin beim Inhalt geblieben", beschrieb er seine moderate Verbal-Strategie bei der Analyse eines unbefriedigenden Auftritts und pfiff dann auf alle rumpelnden Nebengeräusche: "Am Ende ist Fußball ein Ergebnissport. Es war ein bisschen Druck dabei, der geht nicht spurlos an einem vorüber."

Nun steht noch ein finaler Showdown an, Nagelsmann schützt sein Team. Ein Punkt reicht gegen die Slowaken. Bei einer zweiten Pleite binnen zwei Monaten gegen die Slowakei droht das Vabanque-Spiel in den WM-Playoffs. "Generell haben wir schon eine gewisse DNA in der Mannschaft und es kommen die meisten von Klubs, wo sie Favorit sind." Druck als mögliche Ausrede nimmt er somit weg. Aber die Zweifel sind nach dem Luxemburger Auftritt nicht wegzureden. "Wir haben keine Phase, wo wir den Gegner aus dem Stadion schießen, sondern wir müssen uns Dinge erarbeiten. Das müssen wir von Beginn an machen, dann bin ich zuversichtlich, dass wir das Spiel gewinnen werden." Einer, der dann wieder voran gehen muss: Leroy Sané.

Quelle: ntv.de, tno

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