Krise nach Sendungs-Boykott Lineker von BBC umgarnt - aber ohne Entschuldigung
12.03.2023, 12:34 Uhr
Lineker hatte ganz offensichtlich auch ohne die BBC Spaß am Fußball.
(Foto: Action Images via Reuters)
Die BBC muss nach dem Rauswurf von Gary Lineker massive Einschränkungen hinnehmen. Die Fußball-Sendung "Match of the Day" wird von allen anderen Experten boykottiert. Nun will der BBC-Generaldirektor den früheren Stürmer schnell zurückholen. Unklar ist aber, wie der Streit geklärt werden soll.
Seinen Auftritt am Spieltag ließ sich Gary Lineker nicht nehmen. Mit Sohn George saß die englische Fußball-Ikone auf der Tribüne seines Heimatklubs Leicester City und sah zu seinem Bedauern die Niederlage gegen den FC Chelsea (1:3). Im dunklen Anzug trat der 62-Jährige dabei auf, wie ein klassischer Anchorman, doch von jener Rolle als Moderator der Premier-League-Show wurde Lineker von der BBC suspendiert - was zu großen Verwerfungen in allen gesellschaftlichen Bereichen auf der Insel geführt hat.
Die politischen Parteien, Premierminister Rishi Sunak, BBC-Generaldirektor Tim Davie, zahlreiche Sportstars und sogar Jürgen Klopp sind in die Kontroverse um Linekers Kritik an der britischen Asylpolitik involviert. Dabei geht es um Solidarität, Schuldzuweisungen, Rechtfertigungen und Rücktrittsforderungen. Sogar das Programm der altehrwürdigen BBC ist massiv beeinträchtigt.
Sender entschuldigt sich bei Fans - nicht bei Lineker
Lineker hatte per Twitter die von der konservativen Regierung bei ihren Asylplänen verwendete Sprache mit der "von Deutschland in den 30er-Jahren" verglichen. Die Politik von Innenministerin Suella Braverman sei "mehr als schrecklich". Braverman hatte zuvor Pläne enthüllt, wonach Migranten daran gehindert werden sollen, den Ärmelkanal mit kleinen Booten zu durchqueren - was zu einem Aufschrei bei Menschenrechtsorganisationen geführt hatte.
Was auf die Kritik Linekers und seine Absetzung als Moderator der Highlight-Sendung "Match of the Day" (dem britischen Pendant zur Sportschau) folgte, ist ein riesiger Aufruhr, der von britischen Medien zwischenzeitlich sogar mit Livetickern begleitet wird - genügend Inhalt dafür lieferten die vergangenen Stunden. Es ging damit los, dass die als Experten vorgesehenen Ex-Nationalspieler Alan Shearer und Ian Wright aus Solidarität mit Lineker ihre Teilnahme an der Sendung absagten. Dem Boykott schlossen sich kurz darauf die eingeplanten Kommentatoren an.
Am Ende wurde aus der sonst eineinhalb Stunden dauernden Sendung am Samstagabend eine 20 Minuten dauernde Clip-Show ohne Kommentare, Interviews oder Analysen. Da auch TV- und Radio-Moderatoren anderer Sendungen in den Streik traten, musste sich der Sender für die zahlreichen Programmänderungen entschuldigen. "Es war ein schwieriger Tag, und es tut mir leid, dass das Publikum betroffen war und sein Programm nicht erhalten hat. Als echter Sportfan weiß ich, dass das ein herber Schlag ist, und es tut mir leid", sagte BBC-Generaldirektor Davie.
BBC-Boss selbst ehemaliger konservativer Politiker
Trotz des tiefen Risses schloss Davie innerhalb des Senders einen Rücktritt aus - und betonte, Lineker wieder bei der BBC sehen zu wollen. "Als Erfolg würde ich es sehen, wenn Gary wieder auf Sendung gehen würde", sagte Davie. Wie der Streit gelöst werden soll, erklärte er allerdings nicht. Alle wollten die Situation in Ruhe lösen, sagte Davie lediglich.
Nicht entschuldigen wollte sich Davie hingegen für die Suspendierung Linekers. Es gehe darum, die richtige Balance zu finden zwischen Pressefreiheit und Neutralität, sagte der für redaktionelle Inhalte zuständige BBC-Chef. Es gehe dabei nicht um politische Richtungen, betonte der frühere konservative Politiker.
Ob Lineker bei diesem Vorhaben also mitspielt, ist offen. Schließlich hatte die BBC die Absetzung des früheren Torjägers damit begründet, dass sie den Post des eifrigen Twitter-Nutzers als Verstoß gegen ihre Richtlinien betrachtet. Lineker andererseits steht zu seinen Äußerungen.
Das gilt auch für Regierungschef Sunak, der an den Asylplänen festhalten will. Ihren Streit sollten Lineker und die BBC untereinander lösen, sagte Sunak. Ob die BBC dazu in der Lage ist, wird unter anderem von der oppositionellen Labour-Partei bezweifelt. Seit langer Zeit gibt es auf der Insel Kritik an der BBC, wonach der Sender aufgrund der Nähe seiner Chefs zu den Konservativen nicht mehr überparteilich sei. Dass Davie früher ein Politiker der Tories war, spricht dabei für viele Kritiker Bände.
Wohl auch für Lineker. Dass er seinen berühmtesten Spruch in Zukunft auf die Phrase "und am Ende gewinnt immer die BBC" ändern wird, erscheint jedenfalls unwahrscheinlich.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid