
Hat sich seine Zeit bei United auch anders vorgestellt: Sofyan Amrabat.
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Zehn Jahre ist es her, dass Sir Alex Ferguson Manchester United verlassen hat. Seither kann kein Nachfolger an die großen Erfolge der Trainerlegende anknüpfen. Nun könnte es bald den nächsten Coach treffen.
Offenbar kennt sich der Anhang von Newcastle United bestens im Fußball-Geschäft aus. Denn wenn ein Trainer keine Ergebnisse liefert, wird er meistens auch schnell gefeuert. Und so besangen sie, während ihre Mannschaft das heimische United mit 3:0 auseinandernahm, den gegnerischen Coach, Erik ten Hag. "Du wirst am nächsten Morgen entlassen", stimmten sie in Uniteds Old Trafford an. Der Ort wurde früher einmal das Theater der Träume genannt. Am Mittwochabend verließen die Fans der Red Devils jedoch das Stadion vorzeitig schon in Scharen, als würden sie vor einem Albtraum fliehen.
Deshalb sind die Häme das letzte, was United noch fehlte. Die 0:3-Niederlage im Carabao Cup gegen Newcastle ist nun die schon die zweite mit dem gleichen Ergebnis hintereinander. Am Sonntag gab es in der Liga die deutliche Pleite gegen Manchester City. Mit einem Unterschied: Während der Stadtrivale derzeit wohl eine der besten Mannschaften der Welt hat, rotierte Newcastle kräftig durch. Deshalb fällte ESPN auch ein knallhartes Urteil: United sei so schlecht gewesen, dass Newcastle-Trainer Eddie Howe "eine Elf aus den Auswärtsfans zusammenstellen können und trotzdem bequem gewonnen hätte".
Die schlechten Spiele, die vielen Niederlagen, die miserable Stimmung: Es ist für Manchester United eine gefährliche Mischung. Auch der Blick in die Geschichtsbücher erklärt, warum es derzeit für alle außer United viel zu lachen gibt. Glaubt man den Historikerinnen und Historikern, die der britische "Guardian" bemüht hat, ist es das erste Mal seit Oktober 1962, dass United daheim zweimal hintereinander mit 0:3 verloren hat. Und noch schlimmer: Seit 1930 hat United nicht mehr fünf der ersten zehn Heimspiele verloren. In der Königsklasse geht es mit den Negativrekorden weiter: Erstmals überhaupt verloren die Engländer die ersten beiden Gruppenspiele, erstmals überhaupt kassierten sie dabei sieben Gegentore.
Viel Geld, wenig Erfolg
Solche schwachen Zahlen sind für die mittlerweile leidgeprüften United-Fans nichts Neues. Der Klub ist seit dem Ende der Ära von Sir Alex Ferguson auf der Suche nach sich selbst. Der Schotte hatte den Verein vor mittlerweile zehn Jahren verlassen, doch nach ihm hat niemand den Rekordmeister mehr annähernd in vergleichbare Sphären geführt. Da war der Portugiese José Mourinho, der mal Vizemeister wurde. Oder Ole Gunnar Solskjær, der Bayern-Schreck von 1999, der den Klub in Corona-Zeiten zumindest für zwei Jahre in den Top Drei halten konnte. Aber keiner konnte den Erfolg nachhaltig sichern.
Doch dafür hatten sie Unsummen in den Klub investiert, holten unter anderem Cristiano Ronaldo, Raphael Varane oder den Ex-Dortmunder Jadon Sancho. Der aktuelle Trainer Ten Hag, der von Ajax kam und mit reichlich Vorschusslorbeeren gestartet war, rasierte in seiner Ära schon zwei von den Hoffnungsträgern: Ronaldo zog es in die Wüste nach Saudi-Arabien, 80-Millionen-Mann Sancho schmort seit einem Streit mit dem Trainer nicht mal mehr auf der Bank.
Auch im vergangenen Sommer lag der Transfersaldo bei rund minus 150 Millionen Euro. Für Mittelstürmer Rasmus Højlund gaben sie 75 Millionen Euro aus (bisher drei Tore in zwölf Spielen), ähnlich viel für Mittelfeldmann Mason Mount, den auch Bayern-Trainer Thomas Tuchel haben wollte. Die wohl fragwürdigste Investition ist der 50 Millionen Euro schwere Torwart André Onana, der schon das ein oder andere Mal daneben griff. Vor dem Hintergrund wirkt es noch skurriler, dass sich die Red Devils im Sommer von Torwart und Klublegende David de Gea trennten.
Ein "Friedhof" für Profi-Fußballer
Zudem ist die Frage, von wo das Geld in Zukunft kommen soll. Die bei den Fans unbeliebte Glazer-Familie will den Klub verkaufen und hat dafür einen Preis von mehr als sechs Milliarden Pfund aufgerufen. Der Prozess hängt seit Monaten in der Schwebe. Zuletzt zog das Konsortium aus Katar auch noch sein Angebot zurück. Nun könnte der britische Milliardär Jim Ratcliffe übernehmen, es könnte aber sein, dass dann die Glazer-Familie weiter Anteile hält und dem Klub doch erhalten bleibt.
Die Unruhe neben dem Platz hilft sicher nicht denjenigen nicht, die darauf abliefern sollen. Bruno Fernandes, Harry Maguire, Mount, Marcus Rashford, Casemiro: Die Kaderliste liest sich eigentlich wie eine europäische Top-Mannschaft. Sie alle spielen jedoch teilweise Monate, fast schon Jahre, unter ihren Möglichkeiten. Die Dauerformkrise einiger verleitete Vereinslegende Gary Neville dazu, seinen alten Klub einen "Friedhof" für Spieler zu nennen.
Und auf diesem geistern die Akteure nur noch über das Grün, so wirkt es. Ex-Premier-League-Profis, wie Clinton Morrison, der über sich selbst sagt, er hätte gerne für United gespielt, schimpfte über die apathischen Leistungen. Zuletzt sprach auch Klubikone Rio Ferdinand von "Schülerfußball" und "beschämenden" Auftritten. Der BBC-Kommentator Conor McNamara kritisierte nach der Newcastle-Niederlage die teils desinteressiert wirkenden Profis und mutmaßte, dass etwas im Inneren des Klubs verrotte. Es ist die entscheidende Frage, wenn seit zehn Jahren nichts dauerhaft funktioniert: Woran liegt es eigentlich? An den Trainern oder den Eigentümern?
Ten Hag: "Es ist einfach nicht gut"
Ten Hag beschäftigen gerade wohl andere Fragen. "Es ist weit unter dem, was man von Manchester United erwarten kann", kommentierte der ehemalige Bayern-Co-Trainer die Leistung gegen Newcastle. "Es ist einfach nicht gut. Ich übernehme dafür die Verantwortung. Es ist meine Mannschaft und sie bekommt es nicht auf dem Platz."
Die Debatten um seine Person gehen auch an ihm nicht spurlos vorbei. "Ich bin ein Kämpfer und ich weiß, dass es nicht immer nur aufwärts geht. Wir hatten jetzt viele Rückschläge in dieser Saison. Damit muss man umgehen. Ich habe es schon einmal gesagt: Wenn es Rückschläge gibt, muss man immer noch die Ergebnisse auf den Platz bringen. Aber Sonntag bei der Niederlage gegen Manchester City und heute waren wir weit davon entfernt." Die nächste Chance hat er am nächsten Samstag beim FC Fulham - wenn ten Hag dann noch im Amt ist.
Quelle: ntv.de