Rekordprofi in Schwierigkeiten ManUnited-Kapitän bleibt im freien Fall
28.08.2020, 12:47 Uhr
Harry Maguire wird erstmal nicht gegen Dänen undIsländer kämpfen, sondern darum, juristische Schwierigkeiten auszuräumen.
(Foto: imago images/PA Images)
Harry Maguire, englischer Fußball-Nationalspieler und der teuerste Verteidiger der Welt, steckt in Schwierigkeiten: Er wird wegen diverser Vergehen zu einer langen Bewährungsstrafe verurteilt. Dabei sei er das Opfer, sagt er und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Den Ärger aber hat er.
Innerhalb weniger Tage hat es die komplette Stamm-Innenverteidigung von Englands Rekordmeister Manchester United, einer der wertvollsten Vereine der Welt, mit der Polizei zu tun. Jeweils im Urlaub, aber mit fundamental unterschiedlichen Folgen.
Der rechte Part des Manchester-Bollwerks heißt Victor Lindelöf und ist schwedischer Nationalspieler. Der 26-Jährige wurde in seiner Heimatstadt Zeuge, wie ein junger Mann einer betagten Dame die Handtasche klaute, setzte dem Dieb nach und stellte ihn schließlich. Die Polizei von Västerås wollte später "die Gelegenheit nutzen und dem Zeugen für sein schnelles und kluges Eingreifen zur Wiederbeschaffung des Eigentums der Klägerin danken."
Der andere, noch deutlich prominentere der beiden, ist Harry Maguire, ManUniteds Kapitän, englischer Nationalspieler und der teuerste Verteidiger der Welt. Dass ihm die Polizei mal dankt, erscheint derzeit eher unwahrscheinlich. Denn Maguire hat Ärger mit der griechischen Polizei, das ist unstrittig.
Einigkeit herrscht auch darüber, dass der 27-Jährige in der vergangenen Woche im Urlaub auf Mykonos im Rahmen einer gewalttätigen Auseinandersetzung verhaftet worden war und inzwischen verurteilt wurde: 21 Monate und zehn Tage Haft auf Bewährung. Maguire wurde vom Gericht wegen wiederholter Körperverletzung, versuchter Bestechung, Gewalt gegen Beamte und Beleidigung schuldig gesprochen. Auch Maguires älterer Bruder Joe und ein Freund erhielten einen Schuldspruch. Zu dem Vorgang existieren zwei sehr unterschiedliche Versionen.
"Ich bin sehr reich, ich kann dich bezahlen"
Maguire, so ist die Sicht der Polizei der Urlaubsinsel auf die Dinge, sei Täter: Die Beamten waren ursprünglich gerufen worden, um eine Schlägerei zwischen zwei Touristengruppen zu beenden. Maguire, sein ebenfalls schuldig gesprochener Bruder und ein Freund, sollen Beamte, die in die Auseinandersetzung eingriffen, geschubst haben. Die BBC berichtet, der Nationalspieler sei anschließend in Handschellen abgeführt und zusammen mit zwei Landsleuten auf die Polizeiwache gebracht worden.
Auch dort habe sich die dreiköpfige Gruppe zunächst nicht beruhigen wollen, sie habe "sich heftig gewehrt und drei Beamte geschubst und geschlagen", wie die Polizei erklärt. Einer der drei habe versucht, "Geld anzubieten, damit die Sache nicht weiter verfolgt wird". Die Worte sollen eindeutig gewesen sein: "Ich bin der Kapitän von Manchester United. Ich bin sehr reich, ich kann dich bezahlen, bitte lass uns gehen."
Für den reichen Nationalspieler, der 2019 für angeblich 87 Millionen Euro von Leicester City nach Manchester gewechselt war, ist die Sache ebenso klar: Er ist vor allem Opfer, die Vorwürfe hatte er während der Verhandlung am Samstag allesamt vehement bestritten. "Ich bleibe stark und zuversichtlich", sagte Maguire: "Wenn, dann sind meine Freunde, meine Familie und ich die Opfer." Maguire habe gefürchtet, entführt zu werden.
"Ich hatte Angst um mein Leben"
Laut seinem Anwalt, der in britischen Medien zitiert wird, sei der Streit durch den Verdacht ausgelöst worden, der Schwester des Fußballers sei eine Vergewaltigungsdroge verabreicht worden, englische Medien berichteten von einem Messerstich am Unterarm der Schwester.

Gareth Southgate und Harry Maguire arbeiten erstmal nicht mehr zusammen.
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Die Polizisten in Zivil hätten sich nicht ausweisen können, als sie seinen Minibus stoppten, sagte er. Er habe versucht wegzulaufen, weil er keine Ahnung gehabt habe, wer die Männer gewesen seien. "Ich war in so großer Panik", sagte Maguire. Gegen die beteiligten Polizisten erhob er schwere Vorwürfe: "Ich hatte Angst um mein Leben. Sie haben mir auf die Beine geschlagen und gesagt, dass meine Karriere vorbei sei."
Er habe ein reines Gewissen und kenne die Wahrheit. "Ich glaube nicht, dass ich jemandem eine Entschuldigung schulde. Man entschuldigt sich, wenn man etwas falsch gemacht hat. Ich habe nichts falsch gemacht", bekräftigte der Innenverteidiger. Dem widersprach wiederum der Anwalt der Polizisten: Die Beamten hätten sich ausgewiesen, sie seien die Opfer. Er sei "schockiert", sagte er, dass sich der Profi nicht entschuldigen wolle.
Der Nationaltrainer ist wankelmütig
Der Fußballprofi ist inzwischen wieder in seiner Heimat, der Schuldspruch erging am Dienstag in seiner Abwesenheit. Das Urteil will Maguire nicht hinnehmen: "Nach der heutigen Anhörung habe ich mein Rechtsteam angewiesen, die Gerichte mit sofortiger Wirkung darüber zu informieren, dass wir Berufung einlegen werden", sagte er in einer Erklärung. "Laut dem griechischen Gerichtswesen annulliert das Einreichen einer Berufung das ursprüngliche Gerichtsurteil und hebt die Verurteilung auf", hieß es in der Erklärung von Manchester United. "Das bedeutet, dass Harry keine Vorstrafen hat und erneut als unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist. Dementsprechend unterliegt er keinen internationalen Reisebeschränkungen." Der Abwehrspieler gibt sich optimistisch - und philosophisch. In einem Instagram-Beitrag sagte er es mit Buddha: "Drei Dinge können nicht lange verborgen bleiben", schrieb der Spieler: "Die Sonne, der Mond - und die Wahrheit."
Welche Version des Vorfalls der Wahrheit am nächsten kommt, wird nun neu verhandelt, vor einer höheren Instanz wird der Fall noch einmal aufgerollt. Der Profi als Opfer oder doch als Täter? Auch Englands Nationaltrainer Gareth Southgate ist offenbar noch unschlüssig: Zunächst hatte er seinen Innenverteidiger für die anstehenden Nations-League-Spiele auf Island und in Dänemark noch nominiert: "Ich kann mich nur auf die Informationen verlassen, die ich habe. Und ich habe mit Harry gesprochen", erklärte der Coach zuerst. "Sollten sich die Fakten ändern, müsste ich das natürlich überdenken. Aber ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, was er mir gesagt hat."
Wenige Stunden später strich er Maguire aber wieder aus dem Aufgebot. "Wie ich heute bereits sagte, habe ich mir das Recht vorbehalten, die Situation zu überprüfen. Nachdem ich mit Manchester United und dem Spieler gesprochen habe, habe ich diese Entscheidung im besten Interesse aller Parteien und unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf unsere Vorbereitungen für die nächste Woche getroffen", sagte Southgate. Der hatte in der Vergangenheit bei Fehlverhalten seiner Stars schon hart durchgegriffen und unter anderem Raheem Sterling von Manchester City nicht berücksichtigt.
Maguire reagierte enttäuscht, aber gefasst: "Ich liebe es, für mein Land zu spielen. Körperlich und geistig bin ich bereit zu spielen. Ich bin enttäuscht, aber natürlich verstehe ich es", sagte er. Der teuerste Verteidiger der Welt hat aber derzeit wahrlich wichtigere Dinge zu klären, als Angriffe von Isländern und Dänen. Maguires Welt, so schreibt es der englische "Guardian", sei gerade "im freien Fall".
Quelle: ntv.de