Fußball

Die Lehren des 22. Spieltags Müller lügt, Watzke ätzt, Heynckes schwänzt

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Ohne Cheftrainer müssen sich die Bayern am 22. Spieltag der Fußball-Bundesliga frechen Schalkern erwehren. Deren Torwart driftet in die Virtual Reality ab, Bremens Kruse weicht einem Selfie aus und die Kölner sehnen Aschermittwoch herbei.

1. Spitzenspiel kommt von spielen

Uli Hoeneß hat sich ja schon im Aktuellen Sportstudio bedankt, dass der FC Bayern endlich mal einen Sparringspartner für die großen Aufgaben in Europa begrüßen durften, da wollen wir uns an dieser Stelle anschließen: Ein herzliches Dankeschön an Domenico Tedesco für ein ansehnliches Spitzenspiel. Nur zur Erinnerung: Vor einem Jahr trainierte dieser Mann noch die A-Jugend der TSG Hoffenheim. Am Samstagabend nun führte er eine derart unerschrockene Schalker Mannschaft ins Auswärtsspiel bei den Münchner Bayern, als er hätte er nicht nur den DFB-Trainerlehrgang mit 1,0 bestanden, sondern auch den Abendkurs auf der José-Mourinho-Schule für Gesteigertes Selbstbewusstsein. Vom Anpfiff weg liess er seine drei Stürmer die Münchner anlaufen, ohne Angst, für so viel Rotzlöffeltum richtig auf den Latz zu kriegen wie Kollege Julian Nagelsmann mit Hoffenheim vor zwei Wochen. Noch in der 75. Minute fuchtelte Tedesco an der Seitenlinie erbost mit den Armen, weil seine Angriffsreihe den letzten Mann der Bayern nicht presste. Da hatten die Schalker sich allerdings schon aufgerieben und nicht mehr viel zu geben, die Schlussphase verlief, wie die restliche Bundesliga-Saison für den designierten Meister verlaufen wird: ungefährdet.

Schalke-Coach Domenico Tedesco schickte eine Spitzenmannschaft ins Spitzenspiel gegen die Bayern.

Schalke-Coach Domenico Tedesco schickte eine Spitzenmannschaft ins Spitzenspiel gegen die Bayern.

(Foto: imago/MIS)

Davor aber verdiente sich das Spitzenspiel dank der Schalker sein Prädikat, und Tedesco jedes Lob für seine mutige Taktik. Nur eben keine Punkte - auch weil Kapitän Ralf Fährmann ausgerechnet vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw an einem Sequel zu seinem Werder-Pannenabend bastelte, bald zu sehen im Virtual-Reality-Kino in Ihrer Nachbarschaft: Er habe beim 2:0 von Thomas Müller das "virtuelle Tor" verteidigen wollen, sagte Fährmann nach dem Spiel entschuldigend, und wir mussten auch erstmal unsere Oculus Rift auf die Nase setzen, um zu schauen, was um alles in der Welt er damit meint. Also: Er hat die kurze Ecke nicht dicht gemacht, weil er auf den Pass spekuliert hat. Kann man machen, dumm halt nur, wenn der Müller Thomas angelaufen kommt, der doch selbst nie so genau weiß, was seine Staksen wieder mit ihm vorhaben. Kurz vor dem Schuss verrenkte er seine Hüfte derart, dass der "Doc" schon fast den Sprint aufs Feld ansetzen wollte, aber da lag der Ball schon im Tor, warum auch immer. "Der Trainer würde sagen, ich hab den reingelogen", thomasmüllerte der Müller Thomas nach dem Spiel, und vielleicht sollte der Tedesco Domenico seinem Torwart mal einen Abendkurs beim Münchner Hallodri verschreiben, Thema: "Einfach nicht so viel nachdenken."

2. Es geht auch ohne Heynckes

Wir wollen hier sicher keine üble Nachrede betreiben, nur haltlos spekulieren. Aber vorab sei festgehalten: Jupp Heynckes ist ein Ehrenmann und dermaßen oldschool, der reicht eine Krankmeldung nur ein, wenn er kurz vor der Lungenentzündung steht - deswegen an dieser Stelle beste Genesungswünsche. Nun ein kleines Gedankenspiel: Was könnte man tun, wenn man dringend beweisen will, dass man nicht so unersetzbar ist, wie ein gewisser Wurstbaron es landauf, landab erzählt? Vielleicht einfach mal zu Hause bleiben und jemand anderen den Laden schmeißen lassen. Und so gesehen hat Jupp Heynckes seiner Gesundheit an diesem Wochenende auch langfristig gedacht einen großen Gefallen getan, als er sich am frühen Samstagmorgen für unpässlich erklärte. Passiert ist genau nichts, Co-Trainer Peter Hermann fuhr einen Sieg und einige nette Worte der Spieler für seine "überragende" (David Alaba) Ansprache vor dem Spiel ein. Obendrauf gab es eine Glückwunsch-SMS vom Chef. Wahrscheinlich hat Heynckes danach gleich noch eine Nachricht an Busenfreund Uli geschickt: "Da hast Du Deinen Plan B." Aber Hermann wollte dann doch keine Ansprüche auf den Chefsessel stellen: "Nee, der Platz ist 'ne Nummer zu groß für mich".

Nichts also mit der schnellen Lösung, noch immer schwelt der Konflikt um die Zukunft von Heynckes, und da wollen wir uns, spätestens seit Freitag beseelt von der Friedensmission des IOC und seines selbstlosen Führers Thomas Bach, als Vermittler anbieten: Wir empfehlen einen Blick auf den Tarifabschluss der Metaller - einige dürfen Teilzeit machen, andere dafür länger arbeiten. Ein Modell für die Zukunft beim FC Bayern? Heynckes müsste dann nur noch in der Champions League ran, den Liga-Alltag wuppen Hermann und Gerland. Klingt gut? Gern geschehen, der Friedensnobelpreis soll uns Dank genug sein.

3. Zwei Siege machen noch keinen Sonnenschein

Immer mit dem Positiven beginnen, also: Peter Stöger hat sich verbessert seit seinem Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen vom FC zum BVB. Zittersiege gegen Abstiegskandidaten hatte er in Köln nicht zustande gebracht, jetzt werden sie in Dortmund zu seiner Spezialität. Und jetzt das große ABER: Das wilde 3:2 gegen den Letzten in Müngersdorf und vor allem das schmeichelhafte 2:0 gegen den Vorletzten im eigenen Stadion – es waren zwei Siege für die Tabelle, nicht für's Selbstvertrauen. Und schon gar nicht für die gute Laune, wie Kollege Felix Meininghaus berichtet.

Dabei tun die Borussen alles, um die Fans und den Geist vom Borsigplatz gnädig zu stimmen: Stöger bot Marco Reus bei seinem Comeback gleich von Beginn an auf, Neuzugang Michy Batshuayi knipste, wirbelte einen Salto auf den Rasen und bedankte sich mit einem Gänsehaut-Tweet beim Anhang. Und zu guter Letzt keilte Hans-Joachim Watzke am Sonntag bei Jörg Wontorra gegen die Bayern, RB Leipzig und sowieso jeden, der nicht in BVB-Bettwäsche schläft. Gute Idee, gerade in Krisenzeiten: auf den äußeren Feind losballern. Didi Hamann und Lothar Matthäus kritisieren die Transfers der jüngsten Vergangenheit, mit denen der BVB Geld verbrannt habe? "Die haben natürlich noch nie in ihrem Leben eine Gewinn- und Verlustrechnung gelesen und noch nie eine Bilanz." Gut gebrüllt, Aki! Da kommt sicher so schnell keiner auf die Idee, dass der Chef eine Mitschuld an der Chancenlosigkeit des BVB in der Liga tragen könnte. Oder dass er außer seiner Paradedisziplin "Schenkelklopfer in die Öffentlichkeit dröhnen" gar nicht mal so viel zu bieten haben könnte, was dem Verein wirklich weiterhilft.

4. Zwei Doppelpacks auch nicht

Emil Berggreen und Simon Terodde können leider nicht gemeinsam zum Karneval gehen, schon weil der eine "Helau!" ruft und der andere "Alaaf!", und das ist jammerschade – die zwei Stürmer hätten ein wunderbares doppeltes Lottchen abgegeben, nicht nur weil sie beide ihre kurze Haare an der Stirn so keck hochfrisieren: Beide haben am Wochenende zwei Tore geschossen, beide das zwischenzeitliche 1:1, und beide mussten sich am Ende mit ihren Team auswärts 2:4 geschlagen geben. Fragt sich nur, welches Lottchen mehr Frustbier trinken muss, um in Kamelle-Laune zu kommen: Berggreens Mainzer kämpfen im Moment nicht nur mit sich, sondern auch noch mit den Fans, die in Hoffenheim zwischenzeitlich den Support einstellten und das Team mit höhnischen "Oh wie ist das schön"-Gesängen verabschiedete. Die Mannschaft verweigerte den Gang in die Kurve und schob einen Offenen Brief hinterher, in dem sie sich "irritiert und enttäuscht" zeigt. Die schlechte Stimmung würden Teroddes Kölner allerdings wohl nur zu gern gegen die 20 Punkte des FSV eintauschen. Nicht nur, dass die zweite Pleite in Folge weiter unangenehme sieben Punkte und sieben Tore Abstand zum Relegationsplatz offen lässt - zum ersten Mal in diesem Jahr spielte der FC bei der klaren Pleite in Frankfurt auch wie ein Absteiger. Drei Gegentore in neun Minuten, das war "ämlich", wie Defensivmann Marco Höger offen bekannte. Wir haben nicht energisch genug verteidigt." Um nicht alle Kölner Hoffnungen zu zerstören: Vielleicht war es auch nur der Karnevalsfluch. Nur eins der letzten 18 Spielen vor dem Rosenmontag hat der FC gewinnen können. Und dieser Fluch ist am Aschermittwoch vorbei.

5. Max Kruse hat keinen Bock auf Selfies

Max Kruse und Handys, das ist so eine Geschichte für sich, beziehungsweise sind es gleich mehrere, die wir hier nicht alle aufwärmen wollen, es lesen ja auch Minderjährige mit. Es sei nur daran erinnert, dass ein Handyfoto einer "Bild"-Reporterin den Stürmer seine Karriere im Nationalteam gekostet hat, genauer: Die Frau machte in einem Berliner Tanzschuppen ein Foto, Kruse nahm ihr das Handy weg und löschte es wieder, die Story drang bis zum Bundestrainer vor, der den Nationalspieler auf Bewährung endgültig aus den Planungen für die EM 2016 strich. Der Max Kruse von heute hat aus diesen Geschichten gelernt und hatte also wenig Lust, in der 11. Minute eines wichtigen Abstiegsduells ein Selfie mit einem Flitzer zu schießen. Vorbildliche Arbeitseinstellung, die Werder beim 3:1 über Wolfsburg drei immens wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt sicherte. Und für den Selbstdarsteller mit dem Handy gilt das, was Wolfsburgs Maxi Arnold zur Darbietung seiner Mannschaft zu sagen hatte: "Was wir machen, ist absolut scheiße."

6. Hannover 96 braucht einen Mediator

Da hatten die Ultras von Hannover 96 eine Art olympischen Frieden ausgerufen, ihre Stimmungsboykott vorerst ausgesetzt, das Team angefeuert und sogar vom Europapokal gesungen, und dann das: Nach dem 2:1 gegen Freiburg kippte die Stimmung wieder, der Anhang pfiff die Mannschaft aus – weil die Spieler nicht in die Kurve kamen, um den Sieg gemeinsam zu feiern. "Das ist die Entscheidung der Spieler", sagte Manager Horst Heldt nur, eine erklärungsbedürftige Entscheidung, schließlich waren die Fans über ihren Schatten gesprungen und hatten eine "Chance auf einen Neuanfang" geortet. Der ungeliebte Vereinsboss Martin Kind hatte zuvor den Antrag auf Ausnahmegenehmigung zur 50+1-Regel zurückgezogen, ein willkommener Anlass für die Fans, der Mannschaft die Hand zu reichen. Die Antwort sprach für sich. Heldt kündigte an, man wolle nun das Gespräch mit den Fans suchen - die Stimmung dürfte frostiger sein als die Temperaturen an der Sprungschanze in Pyeongchang.

Quelle: ntv.de

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